Geschäfte des Fußballbunds : Im Schattenreich des DFB
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Transparent? Das sind beim DFB nur die Fensterscheiben. Bild: AP
Die deutsche Fußballorganisation gerät unter Beschuss – nicht nur wegen des WM-Skandals. Die Finanzen des Verbandes bleiben im Dunkeln. Zudem profitiert der Monopolist von Steuerfreiheit.
Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ist abgetaucht. Seit Tagen wurde Wolfgang Niersbach nicht mehr in der Öffentlichkeit gesichtet, nachdem Steuerfahnder Anfang der Woche die Verbandszentrale im Frankfurter Stadtwald, aber auch bei ihm zu Hause und dazu bei anderen ehemaligen Funktionären Räume durchsucht hatten. Einzig informierte am Freitagmorgen die DFB-Kommunikationsabteilung in einer dünnen Pressemeldung, dass sich Niersbach tags zuvor der Befragung durch externe Prüfer der vom Verband beauftragten Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer gestellt habe. Während vor allem auf staatlicher Seite jetzt mit ganz anderer Wucht wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt wird, ist weiterhin ungewiss, wie es bei der größten und wichtigsten Sportorganisation des Landes weitergehen soll. Den DFB, Treiber des Geschäfts mit dem Ball, umgibt derzeit eine Mauer des Schweigens.
Bislang hat für die Öffentlichkeit von Seiten des Verbandes keine überzeugende Aufklärungsarbeit stattgefunden. Es geht ja darum, wie die Abläufe wirklich zu bewerten sind um eine ominöse Zahlung im Zuge der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Jahrelang wurde ein dubioser Geldkreislauf über 6,7 Millionen Euro unter der Decke gehalten. Auch Franz Beckenbauer, der als früherer Präsident des WM-Organisationskomitees diesen Mitteltransfer offensichtlich zu verantworten hat, spricht nicht. Dies ist wenig verwunderlich. Es gehört zum System des DFB-Apparates, der sich nach außen gerne als offene Fußballinteressenvertretung für alle gibt, aber kaum Einblicke in sein Innenleben gewährt. Gerade hinsichtlich ihres Finanzgebarens schottet sich die Organisation ab wie eine Loge.
Der Öffentlichkeit nicht rechenschaftspflichtig
Nicht mal die 7 Millionen Mitglieder des größten Einzelsportverbandes der Welt wissen, was in diesem Schattenreich des großen Geldes genau gespielt wird. Der DFB besitzt Immobilien, Grundstücke und sogar Parkhäuser, verdient zig Millionen mit seiner Nationalmannschaft, den Sponsoren, lukrativen Lizenzrechten, Fernsehverträgen und der Verpachtung der Bundesliga-Rechte an die Ligavereinigung mit den Klubs. Als gemeinnütziger Verein ist die Organisation jedoch der Öffentlichkeit gegenüber nicht rechenschaftspflichtig, muss keine Jahresabschlüsse publizieren oder über Einnahmen und Ausgaben informieren. Geprüft wird einmal im Jahr vom Finanzamt. Jedes mittelständische Unternehmen muss seine Finanzen im „Bundesanzeiger“ offenlegen. Wer beim DFB nach aktuellen Geschäftszahlen fragt, wird auf den nächsten Verbandstag verwiesen. Der findet alle drei Jahre statt. Dagegen veröffentlicht sogar der krisengeschüttelte Internationale Fußball-Verband seine Bilanz regelmäßig im Internet.
Steuerhinterziehung? : Theo Zwanziger zeigt sich trotz Ermittlungen gelassen
Viele Fachleute, die sich mit großen Non-Profit-Organisationen und gemeinnützigen Vereinen beschäftigen, kritisieren diese Praxis des Wirtschaftens im Dunkeln. „Wenn der Staat in erheblichem Umfang steuerliche Privilegien vergibt, dann müssen diejenigen, die davon profitieren, mehr Transparenz zeigen. Es ist im allgemeinen Interesse, zu wissen, in welchem Umfang solche Vorteile von Vereinen beansprucht werden“, sagt der Volkswirtschaftsprofessor Thiess Büttner von der Universität Erlangen-Nürnberg. Er ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium.
Das hochkarätige Beratergremium hatte vor zehn Jahren ein Gutachten vorgelegt, in dem die viel zu großen Spielräume für gemeinnützige Vereine bemängelt wurden. Doch die gesetzliche Reform ging dann unter dem SPD-Finanzminister Peer Steinbrück plötzlich in eine andere Richtung und erweiterte sogar nochmals die Privilegien, wie Büttner anführt. Davon profitiert auch der DFB.
Keine präzisen Zahlen
Und die Geldmaschine läuft dazu auf Hochtouren. Der Weltmeistertitel aus dem vergangenen Jahr fördert die Vermarktung, die Preise für exklusive Sportrechte gerade beim Premiumprodukt Fußball steigen stetig. In den vergangenen zehn Jahren sollen die Einnahmen des Verbandes um mehr als 50 Prozent gestiegen sein. Um die 60 Millionen Euro erzielt der DFB allein aus den Verträgen mit den Sponsoren - dazu gehören acht Dax-Konzerne. Der aktuelle Haushalt des Verbandes dürfte bei rund 200 Millionen Euro liegen. Ein Teil der Mittel fließt Landesverbänden für den Breitensport, Fanprojekten oder Integrationsmaßnahmen an der Basis zu. Zwischen 100 und 200 Millionen soll der DFB auf der hohen Kante haben.
Präziser sind die Zahlen nicht zu ermitteln. Es gibt keine zugänglichen Unterlagen, die den Stand aktualisieren. Hinzu kommt, dass zum DFB weitere fünf Gesellschaften gehören, die das Geflecht aus Sicht der Experten noch undurchsichtiger machen. In diesem Konglomerat kontrollieren sich meist dieselben Funktionäre gegenseitig - das birgt immer Risiken. Besonders hervor sticht die DFB-Wirtschaftsdienste Sales Service und Consulting GmbH, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft. Der DFB-Ableger soll vor allem die lukrativen Lizenzen der Nationalmannschaft und das Merchandising-Programm vermarkten. Der Umsatz im vergangenen Jahr lag bei 19,6 Millionen Euro, die Bilanzsumme wurde im „Bundesanzeiger“ für 2013 auf 34 Millionen Euro angegeben.
Welche Vermarktungsverträge über den DFB direkt oder die Wirtschaftsdienste GmbH abgewickelt werden, ist nicht ersichtlich. „Die fehlende Publizitätspflicht für Vereine wie den DFB führt dazu, dass Einnahmen verschleiert und Geldströme nicht eingeordnet werden können. Das muss sich grundlegend ändern“, fordert der Rechtswissenschaftler Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt-Universität in Berlin. Was verbirgt sich also hinter dem DFB-Konglomerat?
Während der DFB hier kategorisch dicht macht, nutzt er auf der anderen Seite stets die Vorteile der Öffentlichkeit und sieht sich mit seinem Aushängeschild als nationales Kulturgut. Als die deutsche Nationalmannschaft im vergangenen Jahr nach dem WM-Titelgewinn in Brasilien aus Rio de Janeiro zurückkehrte, geriet die Jubelparade in Berlin zu einer ausgewachsenen Werbeveranstaltung. Die größten Sponsoren des Verbandes präsentierten sich vor einem Millionenpublikum auf den Straßen und im Fernsehen rund um das Brandenburger Tor.
Steuerfreiheit dank Gemeinnützigkeit
Der Verband behauptet gerne, dass er aufgrund seines wirtschaftlichen Erfolgs anders als viele andere Sportverbände und Organisationen keine staatlichen Hilfen beansprucht und damit den Steuerzahler verschont. „Das ist eklatant falsch. Es werden erhebliche Subventionen indirekt gewährt“, wendet Büttner ein. Das gelte für zwei Stellen: Ein gemeinnütziger Verein erhalte direkt als Steuerzahler Privilegien. Zum anderen könnten Spender ihre Zuwendungen an den gemeinnützigen Verein bei der Berechnung der eigenen Steuern absetzen. Dadurch entstünde eine doppelte Vergünstigung.
Sein großes Plus zieht der Fußballverband vor allem daraus, dass bei der Vermögensverwaltung im gemeinnützigen Bereich keine Gewerbe- oder Körperschaftssteuern anfallen. Der Vorgänger von Niersbach als DFB-Präsident, Theo Zwanziger, gegen den derzeit ebenso Ermittlungen in dem WM-Fall laufen, hatte vor Jahren intern berechnen lassen, welchen steuerlichen Vorteil der Verband aus der Gemeinnützigkeit schöpft. Danach sollen hier unter dem Strich 15 bis 20 Millionen Euro herausgekommen sein. Die Summe wird heute wesentlich höher liegen.
Eine steuerfreie Einnahme ist auch die Pachtzahlung vom Ligaverband. Die Vereinigung der Vereine in der Ersten und Zweiten Bundesliga zahlt für das Recht, den Spielbetrieb in eigener Regie veranstalten zu dürfen, und kann ihrerseits die Kosten im Haushalt als Betriebsausgaben deklarieren. Der Ligaverband ist Mitglied im DFB. Der jährliche Pachtbetrag soll derzeit bei 30 bis 40 Millionen Euro liegen.
Auch der Staat muss Subventionen offen legen
Michael Adams, emeritierter Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Hamburg, hat sich schon mit vielen Non-Profit-Organisationen intensiv befasst - wie dem ADAC. „Solche Großvereine sind widersprüchlich. Einerseits sind sie Dienstleister, die Profite erzielen wollen, andererseits sind sie nach ihrem Selbstverständnis wirtschaftsfreie Organisationen, die sich für ihre Mitglieder einsetzen. Das führt zu Konflikten“, sagt Adams. Er fordert eine umfassende Neuregelung des Vereinsrechts. In den Vereinigten Staaten würden Non-Profit-Unternehmen unter Strafandrohung zu einer detaillierten öffentlichen Auskunft der Geschäftszahlen gezwungen. Auch der ADAC musste sich nach einer Skandalserie verändern und versucht jetzt mit mehr Transparenz und schärferen Kontrollmechanismen einen Neustart als Großorganisation.
Die aktuelle Krise beim DFB hat ihren Ursprung zwar auf einem anderen Gebiet. Dennoch müsste der Verband seine Strukturen im Geflecht der Gemeinnützigkeit überdenken, um auch mit mehr Offenheit wieder an Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Zumal der Verband mit einem Großprojekt demnächst noch mehr Angriffsfläche bietet. Bis 2018 soll in Frankfurt auf dem Gelände der Galopprennbahn die DFB-Akademie zur Eliteförderung mit einer neuen Verbandszentrale entstehen - für jetzt mehr als 100 Millionen Euro. Auf Anfrage heißt es, dass bei der Finanzierung genau getrennt werde, woher das Geld komme. Eine Vermischung der Geldströme aus dem Wirtschaftsbereich unter dem Schirm der Gemeinnützigkeit wäre prekär, wissen Experten. Diese Problematik werde ernst genommen, heißt es beim DFB. Eine mit externen Experten besetzte Revisionsstelle überprüfe die Mittelflüsse. Eine umfassende Publizität der Rechnungslegung für Millionen Mitglieder und die Öffentlichkeit ist beim Fußball-Monopolisten allerdings weiterhin nicht vorgesehen.
Währenddessen hat diese Intransparenz auch eine andere Seite. Es wäre zu einfach, wenn der Schwarze Peter jetzt an die Vereine weitergegeben würde, sagt Büttner. „Der Staat müsste auch selbst offenlegen, welche öffentlichen Mittel als Subventionen aufgewendet werden - auch für den Sport. Hier hat der Staat die erste Informationsbringschuld.“ Was da unter dem Strich wohl für ein ernüchterndes Ergebnis herauskäme, ahnt man schon.