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Warten auf Godot? Emil Kendziorra weiß, dass kein Toter falsch liegen will. Bild: Tomorrow Biostasis

Ewiges Leben : Unternehmen bietet Einfrieren nach dem Tod an

  • -Aktualisiert am

Die Kunden eines Berliner Unternehmens hoffen auf ein Erwachen in der fernen Zukunft. Zur Kryokonservierung braucht man zweierlei: tiefe Temperaturen und Konservierungsmittel.

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          Der Traum von einem endlosen Leben könnte wahr werden. Das glaubt Emil Kendziorra. „Es gibt noch keinen Beweis dafür, dass es nicht möglich sein wird, kryokonservierte Menschen irgendwann in der Zukunft wieder zum Leben zu erwecken“, sagt der Eigentümer der Berliner Tomorrow Biostasis GmbH. In einem Büro nahe der Spree betreut er mit zehn Mitarbeitern mehr als 200 Kunden, die sich für eine Kryokonservierung nach dem Tod entschieden haben. Dass es sich dabei nur um eine Chance handelt, verschweigt das Unternehmen nicht.

          Die Dienstleistung ist im europäischen Raum nahezu einzigartig. „Die ausländische Konkurrenz ist in Europa relativ klein“, sagt Kendziorra. „Es gibt ein paar Vereine und Freiwilligenzusammenschlüsse.“ Weitere Anbieter befänden sich hauptsächlich in den USA. Die zwei relevanten seien das Cryonics Institute und das Unternehmen Alcor.

          Tomorrow Biostasis hat Kunden aus ganz Europa. Der durchschnittliche Kunde sei zwischen 25 und 45 Jahre alt. Viele Kunden hätten einen technischen Hintergrund; es seien Berater, Wissenschaftler, Ärzte, Informatiker und Ingenieure darunter. 70 Prozent seien Männer. Langfristig rechnet Kendziorra mit einem Wachstum der Branche. Derzeit seien auf der Welt rund 400 Menschen kryokonserviert.

          Keine unbekannte Technologie

          „Kryokonservierung ist eine Technik, die zwei Dinge kombiniert: tiefe Temperaturen und Kryokonservierungsmittel“, erklärt Kendziorra. Die Methode soll dazu führen, die zelluläre Struktur des menschlichen Körpers nach dessen Versterben über einen Zeitraum von mehreren Hundert Jahren zu erhalten. Dann könnte man ihn bei einem eventuellen Forschungsfortschritt eines Tages wieder aus der Kryokonservierung holen. Ob sich ein Kunde im Falle seines Erwachens noch im eigenen Körper befinden werde oder Teile von ihm nur in einem fremden Körper oder gar in einem Roboter, ist nach Kendziorra schwierig zu sagen.

          Die Kryokonservierung biologischer Materialien sei keine unbekannte Technologie, sagt die Mikrobiologin Silke Pradella, die am Leibniz-Institut DSMZ – Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH in Braunschweig beschäftigt ist. Pradella betreut als Kuratorin die Sammlung der Cyanobakterien und Protisten. Die Kryokonservierung dieser Organismen gehöre zu ihren täglichen Aufgaben, berichtet sie. Das renommierte Institut beherbergt die vielfältigste Sammlung für biologische Ressourcen auf der Welt. „Die meisten unserer Mikroorganismen und Zellkulturen werden archiviert, indem sie lebendig bei ultratiefen Temperaturen von bis zu minus 196 Grad Celsius in flüssigem Stickstoff eingefroren und in großen Tanks gelagert werden“, erklärt Pradella.

          „Die Bedingungen der Kryokonservierung werden dabei so kontrolliert, dass die Mikroben nicht nur das Einfrieren, sondern auch ein Auftauen überleben und ihre normale Zellaktivität wiederherstellen können.“ Und das mit Erfolg, wenn auch mit Verlusten. „Die Erfolgsquote der Kryokonservierung bei unseren Cyanobakterien-Kulturen liegt bei rund 85 Prozent.“ Es müsse verhindert werden, dass sich beim Einfrieren oder Auftauen Eiskristalle bildeten und unkontrolliert osmotische Effekte aufträten, die dann die zelluläre Struktur zerstörten. „Deshalb gibt man beim Einfrieren Gefrierschutzmittel dazu. Das funktioniert bei den Mikroorganismen wegen ihrer geringen Größe, da die Gefrierschutzmittel schnell in die Zellen eindringen können und sie schützen.“

          Zwei Unwahrscheinlichkeiten

          Die Organismen werden zunächst auf minus 80 Grad gekühlt. Anschließend landen sie im flüssigen Stickstoff. Mit Blick auf Kendziorras Idee sieht Pradella zwei Unwahrscheinlichkeiten: erstens, einen toten Körper wieder zum Leben zu erwecken, und zweitens, die Hürden der Kryokonservierung zu meistern. Pradella hält einen Erfolg des Vorhabens für höchst unwahrscheinlich.

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