Tierhaltung : So schlecht geht es den Hühnern im Stall
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Das nackte Leben: ein Huhn im Elend der Massentierhaltung Bild: dapd
Wissenschaftler wollten zeigen, wie gesund Hühner vom „Wiesenhof“ sind. Aus der Studie lässt sich aber das Gegenteil ablesen. Ein Großteil der Hühner ist krank.
Weiß gefiedert und gesund zeigt sich „Ross 308“ den Besuchern im Internet. Ross ist eine in der konventionellen Tierhaltung verbreitete Hühnerrasse. Der Zuchtkonzern Aviagen, hinter dem die deutsche EW-Gruppe steckt, wirbt dafür mit den Worten, Ross habe „eine breite Palette an Produkteigenschaften“. Es werde „weltweit für (...) schnelles Wachstum, effiziente Futterverwertung und robuste Performance“ geschätzt.
Wie schlecht es den vielen Millionen „Ross 308“ als Masthühnern in den Tierställen geht, belegt eine Studie der LMU München. Rund 70 Prozent der Tiere hätten eine Ganganomalie, gut 30 Prozent krankhafte Veränderungen der Fersenhöcker - weil die Tiere so schnell an Gewicht zulegen, dass ihre Füße sie kaum tragen können.
Beifall für Wiesenhof
Die neue Studie des Lehrstuhls für Tierschutz der LMU hat eigentlich eine andere Absicht. Die Tierärzte untersuchten - ohne Drittmittel von der Industrie, mit Ausnahme von Fahrtkosten -, wie sich Hühner entwickeln, die unter besseren Bedingungen aufwachsen. Und zwar diejenigen, die das Unternehmen PHW (Wiesenhof) seit rund zwei Jahren in einem Modellprojekt mästen lässt, das sogar Beifall von Tierschützern bekam. Es heißt „Privathof“. Die Hühner haben hier deutlich mehr Platz im Stall, Sitzstangen, Strohballen zum Ausruhen und Wintergärten mit Tageslicht.
In diesen Ställen, so das Ergebnis der Münchner Studie, die bald in Form von zwei Doktorarbeiten publiziert werden soll und deren Ergebnis in Auszügen vorliegt, geht es den Hühnern viel besser. Die „Privathof“-Ställe machten „sowohl eine tierschutzgerechte als auch wirtschaftliche und verbraucherfreundliche Masthühnerhaltung möglich“, resümiert Elke Rauch, Tierärztin an der LMU.
Kurzes Leben, kranke Füße
Im Umkehrschluss wirft die Erhebung aber kein gutes Licht auf die Realität in den übrigen, konventionellen Hühnerställen. In diesen aber wachsen, was allein „Wiesenhof“ angeht, immer noch 97 Prozent der Hähnchen auf. Die Forscher untersuchten mehrere Mastdurchgänge mehrfach auf Gesundheits- und Verhaltensmerkmale hin. Während rund 30 Prozent der konventionell gemästeten Tiere leichte Fersenhöckerveränderungen hatten, waren dies in der Privathof-Kohorte 14,2 Prozent.
Schwere Fersenverletzungen hatten rund 1 Prozent der Hühner (gegenüber 0,1 Prozent unter den besseren Bedingungen), schwere Fußballenerkrankung 3,4 (0,1) Prozent, leichte Ganganomalien 69 (12) Prozent. Schwere Gehstörungen hatten 3,2 (0,1) Prozent. Tiere vom „Privathof“ sind solche einer langsamer wachsenden Rasse namens Cobb Sasso.
Sie picken gern
Eine Sprecherin der für Wiesenhof zuständigen Agentur hob das gute Ergebnis für die neue Haltungsform hervor. Andererseits werfen die Ergebnisse Fragen auf bezüglich der gängigen Tierhaltungspraxis, die alle großen Hähnchenerzeuger betrifft - wie etwa die Unternehmen Rothkötter, Sprehe oder Heidemark, die bislang nicht durch vergleichbare Projekte wie dem „Privathof“ zur Verbesserung der Geflügelhaltung aufgefallen sind.
Picksteine, Auslauf oder Strohballen - die es in konventioneller Haltung nicht gibt - wurden laut der Studie von den Tieren intensiv angenommen. Strohballen würden zum Ruhen und Liegen genutzt, die Wintergärten oft besucht. „So haben die Tiere die Möglichkeit, ihre natürlichen Verhaltensweisen besser auszuleben“, heißt es in der Zusammenfassung der Studie. Im Umkehrschluss: Gibt es diese Angebote nicht, so haben die Tiere nicht die Möglichkeit, ihre natürlichen Verhaltensweisen auszuleben.
Der Deutsche Tierschutzbund hatte für „Privathof“ sein Tierschutz-Siegel gegeben. Weil das Fleisch aus dieser Haltung im Supermarkt - vor allem Edeka-Märkte bieten es an - etwa ein Drittel bis 70 Prozent teurer ist, bleibt die Nachfrage gering, auch wenn sie steigt: Im Oktober 2011 hatten in Deutschland 12 Landwirte nach dem neuen Standard gewirtschaftet, haute sind es 44, das Gros in Bayern. Sie mästen in jeder Woche rund 145 000 Hähnchen. Für Wiesenhof sind insgesamt rund 800 Mastbetriebe tätig.