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„Gutes Ergebnis“ : Thyssen trennt sich von Aufzügen

Will seine Aufzugsparte an Konsortium um Advent verkaufen: Thyssenkrupp Bild: dpa

Der kriselnde Thyssen-Krupp-Konzern braucht dringend Geld und hat sich nun entschieden: Der Verkauf der lukrativen Aufzugssparte ist besiegelt. Das vom Aufsichtsrat akzeptierte Angebot ist eine Überraschung.

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          Zwischen Schwäbischer Alb und Schwarzwald findet sich ein Teil der Antwort darauf, warum Thyssen-Krupp mit so vielen Milliarden für sein Aufzugsgeschäft rechnen kann. In einem bald 250 Meter hohen Testturm im baden-württembergischen Rottweil zeigt der Essener Industriekonzern, dass er technologisch die Nase ziemlich weit vorn hat. Besonders stolz sind sie dort auf den Multi, das erste Aufzugssystem, das ohne Seile auskommt und eine „neue Ära der Aufzugstechnik“ einleiten soll. Für den Konzern allerdings werden Aufzüge, Rolltreppen und Fahrsteige bald Geschichte sein. Die Geldnot ist so groß, dass Thyssen-Krupp ausgerechnet das Geschäft mit den besten Zukunftsaussichten verkaufen muss. Bernd Tönjes hat sich in Rottweil selbst ein Bild gemacht. „Das ist sehr beeindruckend, was da an Technologie entwickelt worden ist“, lobt der Vorstandsvorsitzende der RAG-Stiftung, die mit einer Minderheitsbeteiligung in das lukrative Geschäft einsteigen wird. Dafür hat sich die RAG-Stiftung, welche aus ihrem Anlagevermögen die Altlasten des Steinkohlebergbaus finanziert, einem von den Finanzinvestoren Advent und Cinven geführten Konsortium angeschlossen. Am Donnerstagabend hat die Gruppe, hinter der noch andere, namentlich nicht bekannte Geldgeber stehen, den Zuschlag bekommen.

          Helmut Bünder
          Wirtschaftskorrespondent in Düsseldorf.

          Das vom Aufsichtsrat akzeptierte Angebot ist eine Überraschung: Rund 17,2 Milliarden Euro wollen die Investoren auf den Tisch legen, deutlich mehr als anfangs erwartet. Zum Vergleich: Die Börse bewertet den gesamten, hoch verschuldeten Thyssen-Krupp-Konzern aktuell mit weniger als 6 Milliarden Euro. Der jetzt erzielte Preis liegt angeblich sogar einen Tick höher als das, was der finnische Konkurrent Kone geboten haben soll. „Wir haben nicht nur einen sehr guten Preis erzielt, sondern werden die Transaktion auch zügig abschließen können“, sagte Vorstandschefin Martina Merz. Bis Ende September soll der Deal vollzogen sein. Anders als bei einem Deal mit Kone erwartet der Konzern nun keine Einwände der Kartellbehörden.

          Von den Einnahmen sollen 1,25 Milliarden Euro in eine Minderheitsbeteiligung an den Aufzügen investiert werden. Mit den verbleibenden Mitteln will Thyssen-Krupp einen Teil der Pensionsverpflichtungen von rund 9 Milliarden Euro finanzieren und den Schuldenberg von zuletzt 7,1 Milliarden Euro verringern. Darüber hinaus würden die Erlöse „in sinnvollem Umfang“ in die Weiterentwicklung der übrigen Geschäfte investiert. Die Aufzüge sind aktuell der einzige nennenswerte Gewinnbringer des gesamten Konzerns, sodass dringend ein Ausgleich her muss. Bis Mai soll das Gesamtkonzept für die neue Ära stehen. Einen Schwerpunkt soll das Geschäft rund um Stahl und Werkstoffe bilden, das derzeit tief in den roten Zahlen steckt. Auch über Zukäufe und Partnerschaften wird nachgedacht. Gleichzeitig stehen harte Sanierungsschritte an. Unrentable Einheiten sollen geschlossen werden. Insgesamt stehen beinahe 7000 Stellen auf der Kippe.

          Der Verkauf schaffe „echte Zukunftsperspektiven: für das Aufzugsgeschäft in eigenständiger Aufstellung und auch für alle anderen Bereiche von Thyssen-Krupp“, sagte Merz. Ein Hauptziel ist es, die zuletzt bedrohlich geschrumpfte Eigenkapitalbasis wieder zu stärken und zu einem besseren Rating zurückzufinden. Im Tagesgeschäft soll das Unternehmen binnen zwei Jahren so weit sein, dass wieder Geld übrig bleibt. Die Krupp-Stiftung, mit 21 Prozent größte Aktionärin, sprach von einem „guten Ergebnis“. Jetzt habe der Vorstand die Aufgabe, „die Erlöse rasch und gezielt so einzusetzen“, dass der Konzern wieder „wettbewerbs- und dividendenfähig“ werde. In der Aufzugssparte arbeiten rund 53.000 Menschen, fast ein Drittel der Gesamtbelegschaft.

          Die IG Metall hat weitreichende Schutzvereinbarungen ausgehandelt. In Deutschland, wo Thyssen-Krupp Elevators (TKE) rund 5000 Beschäftigte zählt, sind betriebsbedingte Kündigungen bis zum Frühjahr 2027 ausgeschlossen. „Alle bestehenden Standorte in Deutschland bleiben mit ihren wesentlichen Funktionen erhalten und sollen gestärkt werden“, teilte die Gewerkschaft mit. Die größten deutschen Standorte sind ein Fahrtreppenwerk in Hamburg und das Aufzugswerk in Neuhausen bei Stuttgart. Im vorigen Jahr hat die Aufzugssparte einen Umsatz von knapp 8 Milliarden Euro erwirtschaftet und eine Rendite von gut 10 Prozent. Gemessen am Umsatz, ist Thyssen-Krupp Elevatoss die Nummer vier in der Welt – hinter der amerikanischen Otis-Gruppe, dem Schweizer Hersteller Schindler und dem finnischen Konkurrenten Kone. Das Geschäft ist global. Gut 40 Prozent des Umsatzes stammten im vorigen Geschäftsjahr aus Amerika, knapp 30 Prozent aus Asien. Allein in China, wo TKE 11.000 Menschen beschäftigt, stehen vier Fabriken, außerdem 200 Service-Standorte.

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