Teurer Abzug aus Niederlande : Ein kühner Plan gegen Unilever
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Die Unilever-Zentrale in Rotterdam Bild: AFP
Unilever will seine Ko-Zentrale in Rotterdam schließen – und würde damit die niederländische Unternehmenswelt auf den Kopf stellen. Doch der Umzug könnte für den Konzern teuer werden.
Am 21. September sollen Unilever-Aktionäre zu einem unpatriotischen Akt schreiten. Nicht in persona, denn der Konsumgüterhersteller hat die anstehende außerordentliche Hauptversammlung des niederländischen Konzernteils gerade zu einer virtuellen herabgestuft, unter Berufung auf Corona. Aktionäre der Unilever N.V. in Rotterdam können nicht mehr live abstimmen, nur noch elektronisch vorab. Dabei gäbe es Historisches zu besprechen: Das Management will den niederländischen Teil des Doppelkonzerns und damit die Ko-Zentrale in Rotterdam aufgeben – es will künftig nur noch von London aus regieren. Maßgeblich dürfte das steuerlich motiviert sein.
Stimmen die Anteilseigner mehrheitlich zu, wäre das ein Schlag für die heimische Konzernwelt. Der Hersteller von Rexona-Deos, Omo-Waschmitteln und Knorr-Suppen formt mit Shell das Duo der niederländisch-britischen Großkonzerne, das bis vor kurzem die heimische Unternehmenswelt dominierte. Erst kürzlich wurde es im Börsenwert überflügelt durch den Chipmaschinenhersteller ASML, dessen Aktienkurs und damit Marktkapitalisierung durch die Decke schießen. Am 12. Oktober sollen Aktionäre der britischen Unilever plc der Vereinigung beider Konzernteile zustimmen, eine einheitliche plc-Aktie soll am 23. November das Doppelkonstrukt ersetzen.
Auch Shell zündelt
Nachdem Unilever im Juni den Plan inklusive Wegzug aus Rotterdam bekanntgegeben hatte, begann auch Shell zu zündeln. Vorstandschef Ben van Beurden sprach in einem Interview von einer „Option“, den niederländischen Teil aufzugeben. Konkrete Pläne gebe es nicht, aber: „Nichts ist dauerhaft, und natürlich schauen wir auf das Standortklima.“
Die Reaktionen in den Niederlanden waren zunächst überraschend gelassen – dabei gab es im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts noch eine muntere Debatte über den Ausverkauf niederländischer Unternehmen. Die Besatzung in der Unilever-Verwaltung in Rotterdam ist nicht allzu groß, aber in Zentralen fallen Entscheidungen, und der Einfluss der Niederlande sänke.
Grüner will Rechnung ausstellen
Ein Parlamentarier will den Wegzug Unilevers aber doch noch verhindern. Per Gesetz, und er erhält dabei wohlwollende Reaktionen aus verschiedenen politischen Richtungen. Der Abgeordnete Bart Snels von den oppositionellen Grünen will Konzernen, die in steuergünstigere Länder abwandern, eine Schlussrechnung präsentieren. Das sieht er im vorliegenden Fall gegeben, denn auf die N.V.-Aktien in den Niederlanden fällt eine Dividendensteuer an, auf plc-Aktien in England nicht – ein entscheidender Unterschied aus Investorensicht, auch wenn manche einen Ausnahmestatus genießen oder sich die Steuer erstatten lassen können.
Die Gesetzesinitiative sieht vor, dass Unternehmen abhängig von ihrer Größe einen Teil einbehaltener Gewinne zahlen sollen. Das Vorhaben ist zur Prüfung an ein Beratungsorgan der Regierung gegangen, den Staatsrat. Der hat Snels inzwischen mit seiner Expertise geantwortet, wie eine Sprecherin des Abgeordneten der F.A.Z. sagte. Wie diese Antwort ausfiel, dürfe sie wegen börsenrelevanter Informationen nicht sagen. Üblicherweise passen Abgeordnete in so einem Fall ihren Vorschlag mindestens in Details an.