Tabakindustrie : Zigaretten bleiben ein tolles Geschäft
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Die Tabakindustrie strotzt vor Kraft Bild: ddp
Die Tabakindustrie lebt mit Lokalverboten, Werbebeschränkungen und hohen Steuern. 50 Prozent Gewinn vom Umsatz sind trotzdem immer noch drin. Nur die Jugendlichen machen der Branche Sorgen. Sie rauchen weniger.
Wenige Tage vor dem Volksbegehren in Bayern, bei dem 61 Prozent der Abstimmenden den aktiven Rauchern Lokalverbot erteilt haben, schaltete die Hamburger Zigarettenfirma Reemtsma eine iPhone-App frei, die die Website Smoke-spots mobil verfügbar macht: Sie weist den Weg zur nächsten Raucherkneipe.
Die Branche lässt sich nicht so schnell entmutigen, weder durch Lokalverbote noch durch Werbebeschränkungen. Und auch nicht durch die Tatsache, dass die mehreren hunderttausend Euro, mit der sie die bayrischen Raucherfreunde im Volksbegehren stützte, quasi in Rauch aufgegangen sind. "Uns schadet das Rauchverbot weniger als den Gastwirten", verkündet Reemtsma lässig. Der Verlust ist zu verschmerzen.
Die Industrie wankt nicht. Im Gegenteil, sie strotzt sogar vor Kraft. Die hundert Jahre alte Firma Reemtsma hat mit John Player Special und anderen Marken Marktanteile erobert, zuletzt 27 Prozent in Deutschland. Der Umsatz stieg im letzten Halbjahr - Reemtsma rechnet von Anfang Oktober 2009 bis Ende März 2010 - um 18 Prozent. Das ist eindrucksvoll in Wirtschaftskrisenzeiten. Das Plus geht nicht nur auf Preiserhöhungen zurück, es wird mehr Tabak verkauft.
„Man produziert Zigaretten für einen Penny, man verkauft sie für einen Dollar“
Der Markt für klassische Zigaretten blieb zwar zuletzt konstant, doch die Firmen brachten in Deutschland mehr Tabak zum Selberdrehen und Stopfen unters Volk: plus 11 Prozent. Die Selbermach-Zigaretten à la Ikea sind billiger und beflügeln so den Absatz. Noch eindrucksvoller als Erfolge bei verkauften Stückzahlen in einem schwierigen regulatorischen Umfeld ist aber eine andere Kennziffer: der Gewinn.
Die Industrie ist eine wahre Geldmaschine. Reemtsma meldet für das letzte Geschäftshalbjahr einen Umsatz von 470 Millionen Euro und einen Gewinn von 234 Millionen Euro. Das entspricht einer Umsatzrendite von mehr als 50 Prozent. "Ich sage dir, warum ich die Zigarettenindustrie so mag", teilte der legendäre Investor Warren Buffet einem Investmentbanker mit: "Man produziert Zigaretten für einen Penny, man verkauft sie für einen Dollar. Sie machen abhängig, und die Käufer bleiben ihren Marken treu." Der Satz ist mehr als 20 Jahre alt. Später hat Buffet seine Einstellung zu Zigaretten geändert, nachdem Tabakkonzerne vor allem in Amerika vor Gerichte gezerrt wurden und Regierungen überall strengere Gesetze erließen. Doch die Kernaussage bleibt gültig. Die Kombination aus süchtigen Kunden und winzigen Produktionskosten bleibt hoch attraktiv.
Reemtsmas Verkaufsstrategie der letzten Jahre läuft in Deutschland vor allem darauf hinaus, die einzelne Zigarette billiger zu machen. Sie werden in größeren Packungen angeboten und in den Billigmarktketten von Aldi und Co. an Mann und Frau gebracht. Gerade John-Player-Zigaretten liegen im Preis zwischen den Markenklassikern Marlboro und West und den No-Names an der Supermarktkasse. Es läuft gut.
Die treuen Raucher haben früh angefangen
Ein strategisches Problem hat die Branche allerdings. Der Wirtschaftsjurist Michael Adams umschreibt es so: "Zigaretten sind ein Geschäft mit Kindern." Die Branche widerspricht und behauptet, nicht mehr auf das junge Publikum als Absatzgruppe zu zielen.
Doch an einem kommt sie nicht vorbei: Tatsächlich ist es für die Industrie am lukrativsten, wenn Jugendliche früh mit dem Rauchen beginnen. Die treuen Raucher, die bis ins mittlere und hohe Alter Tabak konsumieren, haben früh angefangen - mit 12 bis 15 Jahren. Sie machen die Tabakfirmen durch tägliche Zuwendungen reich.
Wer dagegen erst im Alter von 18 und darüber mit Zigaretten in Berührung kommt, ist deutlich weniger gefährdet, Raucher zu werden und zu bleiben. "Die Entscheidung eines Minderjährigen, mit dem Rauchen zu beginnen, ist die kostspieligste Fehlentscheidung seines Lebens", sagt Adams, zumal, wie er ergänzt, 80 Prozent den Konsum bereuen.
Er glaubt der Industrie ihre Zurückhaltung beim jungen Publikum nicht. Zu lukrativ ist die Kundengruppe. "Solange diese Gewinnmöglichkeit besteht, haben Tabakunternehmen den Anreiz, Kinder als Raucher zu gewinnen. Die Zigarettenindustrie kontert alle Schutzmaßnahmen der Politik durch Gegenmaßnahmen."
Anzeigen in Magazinen sind inzwischen verboten
Die Tabakbranche hat sich Selbstbeschränkungen in der Werbung auferlegt. Sie wirbt nicht mehr mit Prominenten, sie beschäftigt nach eigenen Angaben keine Models unter 30 Jahren und macht keine Reklame in der Nähe von Schulen. Anzeigen in Magazinen sind ohnehin inzwischen verboten. Doch dafür plakatiert die Industrie weiter eifrig. Und auch sonst lässt sie das junge Publikum nicht aus den Augen. Imperial Tobacco, die Muttergesellschaft von Reemtsma, experimentiert zur Zeit mit Zigarettenautomaten, an denen man auch sein Handy aufladen und Musik herunterladen kann.
Lokalverbote und die Begrenzung der Reklame schaden den Zigarettenunternehmen nur unwesentlich. Was ihnen weh tut, sind Tabaksteuererhöhungen. Sie haben die Zigarettennachfrage vermindert, vor allem die von Kindern und Jugendlichen. Für Industrieländer wie die Vereinigten Staaten und Deutschland führen Zigarettenpreiserhöhungen um 30 Prozent aufgrund höherer Steuern zu einem Rückgang der Verkaufsmenge von 12 Prozent, referiert der Wissenschaftler Adams. Noch empfindlicher aber reagieren Jugendliche auf die Verteuerung von Zigaretten. Sie kaufen um 36 Prozent weniger, wenn der Preis um 30 Prozent steigt. Die Branche kontert mit dem Argument, dass die Raucher dafür auf die Schmuggelware ausweichen würden. Ipsos kommt im Auftrag der Industrie zu dem Ergebnis, dass in Deutschland 16 Milliarden illegale Zigaretten geraucht würden. Adams hält die Studie für grotesk unseriös: "Wenn die Zahlen stimmen, müsste jeder deutsche Raucher pro Jahr mehr als drei Stangen illegaler Zigaretten kaufen. Oder 4,4 Millionen Menschen rauchen ausschließlich illegal."