Streit um den Diesel : Autoindustrie soll für bessere Luft zahlen
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Was wird aus dem Diesel? Bild: dpa
Nachrüstung statt Fahrverbot? Für Baden-Württembergs Verkehrsminister Hermann vorstellbar – wenn die Hersteller die Kosten übernehmen. Die Bundesumweltministerin sieht das anders.
Die Aussicht auf Fahrverbote in Stuttgart hat die Öffentlichkeit aufgeschreckt, und die Fachleute auch – weshalb nun an Konzepten für die Nachrüstung älterer Autos gearbeitet wird. Sollte die Schadstoff-Belastung dadurch mindestens so stark begrenzt werden können wie durch Fahrverbote, könnte man auf die Fahrverbote verzichten, stellt Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister Winfried Hermann in Aussicht. Im Februar hatte das schwarz-grüne Kabinett beschlossen, an Tagen mit besonders schlechter Luft ab dem Jahr 2018 keine Diesel-Autos mehr in den Stuttgarter Talkessel zu lassen, die nicht mindestens die neuste Schadstoff-Norm Euro 6 erreichen.

Wirtschaftskorrespondentin in Stuttgart.
Die Kosten für eine Nachrüstung der Autos müssten die Autohersteller zahlen, sagt Hermann: „Die Verantwortung liegt bei den Herstellern. Die Autoindustrie hat schlechte Produkte in den Markt gebracht.“
Fünf bis zehn Milliarden Euro
Obwohl die politische Zielsetzung der Luftreinhaltung klar gewesen sei, habe man die „Thermofenster“ ausgenutzt, was bedeutet, dass die Abgasnachbehandlung bei bestimmten Temperaturen gar nicht stattfindet. „Das mag legal sein, aber nicht legitim. Die Hersteller haben damit den Menschen und der Umwelt geschadet und übrigens auch der Branche, weil den Verbraucher etwas vorgegaukelt wurde.“
Die Kosten für die Nachrüstung werden auf 1000 bis 2500 Euro je Auto geschätzt. Bei sechs Millionen Autos der Schadstoff-Kategorie Euro 5 errechnet sich entsprechend ein Milliarden-Betrag. „Wir gehen von fünf bis zehn Milliarden Euro aus“, sagte Hermann vor Journalisten in Stuttgart.
In der kommenden Woche werde es im baden-württembergischen Verkehrsministerium zu einem Treffen mit Autoherstellern und Zulieferern kommen, bei dem vor allem die technische Machbarkeit Thema sein werde. Hermann zeigte sich in dieser Hinsicht zuversichtlich: „Wir leben im Land der Erfinder. Warum sollten wir an der Innovationskraft der Wirtschaft zweifeln.“ Letztlich aber brauche man eine einklagbare Verpflichtung der Hersteller. „Nette Erklärungen reichen nicht aus.“
Auch die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sieht die Autoindustrie in der Pflicht: Im Interesse der Verbraucher sollten die Hersteller sollten die Kosten tragen, sagte die SPD-Politikern in einem Radio-Interview.
Sie stellte aber zugleich in Aussicht, dass eine Nachrüstung von Autos auch aus der Staatskasse mitfinanziert werden könnte: „Es kann durchaus sein, dass Verkehrspolitiker der Auffassung sind, ok, wir teilen uns mal die Kosten.“ Die Entscheidung würde nicht mehr vor der Bundestagswahl gefällt, da sich ein Einvernehmen so schnell nicht herstellen lasse.
Die Sache hat bundesweite Bedeutung, weil nicht nur in Stuttgart, sondern in rund 80 deutschen Städten die EU-Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid-Emissionen nicht eingehalten werden. Es seien deswegen erhebliche Strafzahlungen zu erwarten, sagte der Stuttgarter Regierungspräsident Wolfgang Reimer, als er vor Journalisten den Entwurf des Luftreinehalteplans vorstellte. „Die Bundesregierung muss handeln. Herr Dobrindt kann das vielleicht aussitzen, aber nicht auf Dauer“, sagte Reimer, der wie der Verkehrsminister den Grünen angehört.
„Nach der Wahl bewegt sich was“
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lehnt es ab, mit einer „blauen Plakette“ ältere Dieselautos zugunsten der Luftqualität aus bestimmten Innenstadt-Bezirken auszusperren. Allerdings hofft man in Baden-Württemberg, dass die Bundestagswahl einen Richtungswechsel bringt: „Ich bin mir sicher, dass sich nach der Wahl etwas bewegt“, sagte Baden-Württembergs Verkehrsminister Hermann: „Dann gäbe es dauerhafte Fahrverbote für ältere Diesel.“
So lange kann der Minister allerdings nicht warten. Das Land Baden-Württemberg ist aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs mit Stuttgarter Bürgern gezwungen, bis 31. August einen Luftreinhalte-Plan vorzulegen, der Maßnahmen für eine deutliche Verbesserung beinhaltet. Würde das Gericht den Plan für nicht ausreichend halten, könnte es selbst Fahrverbote – zumindest punktuell – anordnen.
Der Entwurf des Luftreinhalteplans wird am Samstag den Bürgern in Stuttgart präsentiert, am Montag beginnt die förmliche öffentliche Anhörung. Für die Fahrverbote sind in dem Plan auch Ausnahmen festgelegt, vor allem für Versorgungsfahrten im öffentlichen Interesse.