Solarenergie : Die Sonne schickt doch eine Rechnung
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Klimaschonend - aber in Deutschland alles andere als kostenlos Bild: Pein, Andreas
Großkonzerne wie Siemens und Bosch kehren der Solarbranche den Rücken. Ihre Strategien mündeten im Debakel - die Engagements in Sonnenstrom-Unternehmen kosteten Milliarden.
Der Buchautor und einstige Fernsehjournalist Franz Alt ist ein kämpferischer Solarlobbyist. Auf seiner Internetseite sonnenseite.com schwärmt der 74 Jahre alte Badener, der über Konrad Adenauer promoviert hat: „Die Sonne schickt täglich 15.000 Mal mehr Energie als zur Zeit alle sechs Milliarden Menschen verbrauchen. Dieses Angebot empfinden wir als Geschenk des Himmels. Wir benutzen die Energie vom Chef selbst sehr gerne. Sie ist umweltfreundlich, klimaverträglich, kostenlos und reicht noch 4,5 Milliarden Jahre. Wir versichern: Die Sonne hat uns noch nie eine Rechnung geschickt.“
Könnte es sein, dass Alt zwar Solarmodule auf dem Dach hat (und damit jahrelang von der üppigen Einspeisevergütung für Sonnenstrom profitiert), aber keine Solaraktien im Depot? Dann würde er die Sache mit dem „kostenlos“ etwas differenzierter sehen. Denn die Sonne schickt doch eine Rechnung. Zwar nicht ihm, aber zum Beispiel der breiten Schar von Kleinaktionären, die in guten Zeiten an das Wachstum der Branche glaubte und eifrig Anteilsscheine kaufte. Oder manchem Großkonzern, der ebenfalls auf Sonnenstrom und Sonnenwärme setzte, und sich jetzt desillusioniert zurückzieht.
Strategie mündete im Debakel
Zuletzt hat Siemens diese teure Erfahrung machen müssen. Am Montag gab der Konzern bekannt, dass die Solarsparte ab sofort abgewickelt werde. Bis Frühjahr kommenden Jahres soll das verlustreiche Segment restlos geschlossen sein. Ein sieben Monate währender Verkaufsprozess blieb damit letztlich ohne Erfolg. Betroffen sind 280 Mitarbeiter, die meisten davon in Israel. Mit dem Kauf der israelischen Solel war Vorstandschef Peter Löscher in den Markt für thermische Solaranlagen eingestiegen, von dem er sich rasante Zuwächse erwartet hatte. Die Strategie mündete im Debakel: Insgesamt versenkte Siemens rund eine Milliarde Euro damit. Allein die Schließung kostet den Konzern nach eigenen Angaben einen zweistelligen Millionenbetrag.
Auch für Bosch kam die Sonnenfinsternis schneller als erwartet. Im März gab der Automobilzulieferer bekannt, sich aus dem Geschäft mit Solarzellen und Solarmodulen zurückziehen zu wollen. Die Fertigung werde Anfang 2014 eingestellt, ebenso Vertrieb und Entwicklung. Durch den Ausstieg der Stuttgarter sind 3000 Mitarbeiter an ostdeutschen Standorten, vor allem in Thüringen, von Arbeitslosigkeit bedroht. Bosch-Aufsichtsratschef Franz Fehrenbach hatte den Solareinstieg von 2008 an als Hauptverantwortlicher vorangetrieben. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung beantwortete er die Frage „Ist die Branche dem Tod geweiht?“ mit einem deprimierten: „Für Deutschland sieht es zunächst einmal so aus, leider“.
Die Begründung für den Rückzug lautete ähnlich wie die der anderen Hersteller von Modulen und Zellen, die seit Ende 2011 einer nach dem anderen in die roten Zahlen rutschten oder gar Insolvenz anmelden mussten: Bosch sei es nicht gelungen, die Wettbewerbsfähigkeit des Bereichs Solar Energy herzustellen - wegen des starken Preisverfalls von bis zu 40 Prozent. Den Elektronikkonzern hat das Engagement in der Photovoltaikbranche noch mehr Geld gekostet als Siemens: rund 2,4 Milliarden Euro. Weitere Kosten werden durch den Sozialplan entstehen. Investitionen von insgesamt 1,56 Milliarden Euro hat das Unternehmen bis Ende 2012 komplett abgeschrieben. Dazu kamen operative Verluste von 750 Millionen Euro.
Kapitalverlust von mehr als 21 Milliarden Euro
Im Vergleich zu dem, was Anleger mit Investments in Solaraktien in den Sand setzten, sind das freilich fast vernachlässigbare Beträge. Die einstigen Börsenstars Solarworld und Q-Cells haben teilweise zweistellige Milliardenbeträge an Kapital vernichtet. Im Dezember 2007 galt der im ostdeutschen Solar Valley ansässige Zell- und Modulhersteller Q-Cells mit einem Börsenwert von mehr als 11 Milliarden Euro noch als Anwärter für einen Aufstieg in die erste Börsenliga. Daraus wurde bekanntlich nichts.
Stattdessen musste das Unternehmen 2012 Insolvenz anmelden und wurde von einem koreanischen Konzern gekauft; die Privatanleger gingen praktisch leer aus. Auch die Solarworld AG des in guten Zeiten gerne als Sonnenkönig titulierten Gründers Frank Asbeck hängt inzwischen am Tropf der Geldgeber: