Siemens-Korruptionsaffäre : Gericht stellt Strafprozess gegen Ganswindt ein
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Thomas Ganswindt Bild: dapd
Der frühere Siemens-Vorstand ist im bislang größten Korruptionsskandal in Deutschland mit einer geringen Geldauflage glimpflich davongekommen - und zudem nicht vorbestraft. Eine schwere Schlappe für den Staatsanwalt.
Für Thomas Ganswindt ist strafrechtlich die Siemens-Korruptionsaffäre so gut wie erledigt. Das Verfahren gegen den ehemaligen Siemens-Vorstand ist vorläufig eingestellt worden. Er hat die ihm gemachte Geldauflage von 175.000 Euro akzeptiert, die er bis zum 19. August an gemeinnützige Einrichtungen zu zahlen hat. Dieser Vorgang hat nicht nur weitreichende Auswirkungen auf andere noch anstehende Ermittlungen gegen die früheren Siemens-Vorstände Heinz-Joachim Neubürger und Uriel Sharef. Es kann auch die zivilrechtliche Seite mit einer Schadensersatzklage von Siemens beeinflussen, die von Ganswindt 5 Millionen Euro Schadensersatz fordert.
Ganswindt, 50 Jahre, ist der bislang ranghöchste Manager in der Siemens-Korruptionsaffäre gewesen, der vor Gericht gestellt worden war. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vorsätzliche Verletzung der Aufsichtspflicht und Steuerhinterziehung vor. Von 2004 bis 2006 war er als Zentralvorstand verantwortlich für den Telekommunikationsbereich Com. Im November 2007 wurde die Schmiergeldaffäre im Münchener Elektro- und Industriekonzern bekannt. Untersuchungen haben ergeben, dass rund 1,3 Milliarden Euro „zweifelhafte Zahlungen“ erfolgt sein sollen. Insgesamt verursachte der Skandal bei Siemens einen Schaden von etwa 2,5 Milliarden Euro.
Das bestmögliche Ergebnis
Mit der Geldauflage ist er zudem nicht vorbestraft, womit die Münchener Staatsanwaltschaft nach Ansicht von Prozessbeobachtern eine heftige Niederlage einstecken musste. Mit der Einstellung des Verfahrens nach Paragraph 153 a Strafprozessordnung und der als relativ niedrig betrachtete Geldauflage sollen die Verteidiger zudem für ihren Mandanten sogar das bestmögliche Ergebnis herausgeholt haben. Die Schuld des Angeklagten habe sich aufgrund der bisher im Verfahren gewonnenen Erkenntnisse als geringer dargestellt als ursprünglich absehbar, teilte das Oberlandesgericht am Donnerstag mit. Damit sei die Weisung geeignet, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, heißt es. Damit ist der Prozess nach acht von insgesamt 23 anberaumten Verhandlungstagen beendet.
Eigentlich sollte er bis zum 20. September laufen. Vermutet wird, dass das Gericht den Aussagen des Hauptbelastungszeugen Reinhard Siekarczek wenig Bedeutung beigemessen hat. Er wurde als Siemens-Direktor für die schwarzen Kassen verantwortlich gemacht und zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Auch der frühere Finanzchef von Siemens Com, Michael Kutschenreuter, bekam zwei Jahre Haft auf Bewährung.
Einstellung des Verfahrens gegen Geldbuße denkbar
Beide Urteile basierten auch auf Vereinbarungen, die die Angeklagten mit der Staatsanwaltschaft getroffen hatten. Im Ganswindt-Prozess hingegen ist erstmals eine Entscheidung vom Gericht getroffen worden. Diese kann auch Auswirkungen auf weitere ausstehende Strafverfahren haben. Denn sowohl der einstige Finanzvorstand Neubürger wie auch der frühere Zentralvorstand Sharef, einst verantwortlich für das Kraftwerksgeschäft, stehen noch auf der Liste der Staatsanwaltschaft. Ihnen drohen auch noch Gerichtsprozesse.
Beobachter werteten den Ausgang des Ganswindt-Verfahrens als Signal für die anderen noch ausstehenden Prozesse. Daher wird nicht ausgeschlossen, dass sich nun die Chancen für Neubürger und Sharef deutlich erhöhen, nicht vor den Kadi gezogen zu werden. Denkbar ist die Einstellung des Verfahrens gegen Geldbuße, vermutlich in einem relativ geringen Volumen. Bislang hatten sich die beiden wie auch Ganswindt gegen eine solche Vereinbarung gewehrt.
Gleiches trifft auch auf die zivilrechtliche Schadensersatzklage zu, in der Siemens Anfang 2010 gegen Neubürger 15 Millionen Euro und Ganswindt mit 5 Millionen Euro geltend gemacht hatte. Hier hat es noch keine Verhandlungen vor Gericht gegeben. Ursprünglich forderte der Konzern in einem Vergleich 4 Millionen Euro beziehungsweise 1 Million Euro, die aber von Neubürger und Ganswindt ausgeschlagen wurden. Sie wollten es vor Gericht darauf ankommen lassen und nicht den strafrechtlichen Verfahren vorgreifen. Nun könnte sich das Bild wandeln. Ein Vergleich mit deutlich niedrigeren Summen wird wieder wahrscheinlicher.