Gegen das Coronavirus : Sanofi: Die Amerikaner bekommen den Impfstoff von uns zuerst
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Will zuerst die Amerikaner mit einem Impfstoff beliefern: Der größte europäische Pharmakonzern Sanofi. Bild: Reuters
Der größte europäische Pharmakonzern hat einen entsprechenden Vorvertrag mit einer amerikanischen Behörde vereinbart, berichtet der Sanofi-Vorstandsvorsitzende Paul Hudson. Greift der „Impfstoff-Nationalismus“ um sich?
Es sei „gut vorstellbar”, dass die Amerikaner den ersehnten Impfstoff gegen das Coronavirus zuerst bekämen. So sagte es der Vorstandsvorsitzende des französischen Pharmakonzerns Sanofi, Paul Hudson, am 24. April in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Jetzt geht er einen Schritt weiter und enthüllt, dass Sanofi – der größte Pharmahersteller in der Europäischen Union – mit den Vereinigten Staaten einen Vorvertrag abgeschlossen habe, durch den dieses Szenario Wirklichkeit werde: „Die Regierung der Vereinigten Staaten hat das Recht auf die größte Vorbestellung, denn sie hat investiert, um die Risiken zu teilen“, sagte der britische Manager in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg. Er habe in Europa verstärkt darauf hingewiesen, dass die Vereinigten Staaten den Impfstoff als erste bekommen könnten. „So wird es jetzt kommen, denn sie haben investiert, um ihre Bevölkerung zu schützen und die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen“, sagte Hudson.
Hintergrund sind die Subventionen der Pharmaindustrie durch die amerikanische Behörde Biomedical Advanced Research and Development Authority (Barda). Sie bezuschusst Pharmaunternehmen und verlangt dann, dass die Entwicklung, Produktion und zumindest Teile des Verkaufs in den Vereinigten Staaten stattfinden. Die Pharmaindustrie verweist auf risikoreiche Investitionen für die Produktion von Impfstoffen in großen Mengen, für die sie staatliche Unterstützung brauche. Hudson hat vermehrt gefordert, dass Europa eine ähnliche Strategie wie die von Barda einschlage. Der Manager schätzt den zeitlichen Vorsprung der Amerikaner bei der Belieferung auf „Tage oder Wochen“. Allerdings ist diese Aussage mit großer Unsicherheit behaftet. Rund hundert Forschungsprojekte sind derzeit in der Welt aktiv, um einen Impfstoff zu finden. Voraussichtlich werden Impfstoffe mehrerer Hersteller auf den Markt kommen.
Der Sanofi-Konzern hatte bereits zuvor berichtet, dass er mit Barda in den Vereinigten Staaten einen Vertrag unterzeichnet habe, ließ die Frage der ersten Impfstoff-Empfänger jedoch offen. Sanofi habe im Rahmen der jüngsten Vereinbarung von Barda 30 Millionen Dollar erhalten, teilte Hudson jetzt mit. China würde auch große Anstrengungen für einen Impfstoff unternehmen. „Also werden diese beiden ökonomischen Kraftzentren zuerst geimpft werden; daher ist es so wichtig, in Europa eine Debatte zu starten unter dem Motto: „Lasst Europa nicht zurückfallen!“, sagte Hudson.
Europäische Regierungen wie die von Deutschland und Frankreich sowie die EU-Kommission haben kürzlich in einer Konferenz gefordert, dass Impfstoffe, Medikamente und Virustests gegen Covid-19 möglichst grenzüberschreitend und fair verteilt werden sollen. Auch die Entwicklungsländer dürfen dabei nicht vergessen werden. Die Stiftung von Bill und Melinda Gates weist darauf ebenso immer wieder hin. Viele Experten warnen vor einem „Impfstoff-Nationalismus“. Auch die Universität Oxford, die mit dem britischen Pharmahersteller Astra Zeneca zusammenarbeitet, werde Großbritannien Vorrang geben, berichtete der Astra Zeneca-Vorstandsvorsitzende Pascal Soriot. In Deutschland arbeitet das Biotech-Unternehmen Biontech aus Mainz mit dem amerikanischen Pfizer-Konzern zusammen. Beide haben keine Vereinbarung mit Barda unterzeichnet, wie Sprecher der beiden Unternehmen am Mittwochabend mitteilten. „Pfizer finanziert seine klinischen Versuche selbst. Wir kooperieren eng mit Regulierungs- und Gesundheitsbehörden auf der ganzen Welt, um potentiell mit einem Impfstoff jene Gegenden zu versorgen, die ihn am dringendsten benötigen“, berichtete eine Pfizer-Sprecherin.
Nach Erscheinen des Bloomberg-Interviews schob die Sanofi-Pressestelle noch eine beschwichtigende Erklärung nach: Der Konzern habe auch Produktionsstätten in Europa und anderen Regionen, daher würden Kapazitäten auch für Kontinente außerhalb der Vereinigten Staaten zur Verfügung stehen. Die EU-Kommission habe sich in den vergangenen Wochen deutlich bewegt. Das sei ermutigend. „Wir haben sehr konstruktive Diskussion mit den EU-Institutionen und mit der französischen und deutschen Regierung“, teilte Sanofi mit.