Roland Koch verlässt Bilfinger : Spektakulär gescheitert
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Roland Koch im Mai bei der Bilfinger-Hauptversammlung in Mannheim Bild: dpa
Es war ein aufsehenerregender Seitenwechsel, als Roland Koch 2011 in die Wirtschaft ging. Nun scheidet der frühere Ministerpräsident ebenso spektakulär beim Baukonzern Bilfinger aus - ein Experiment ist gescheitert.
Der spektakulärste Wechsel eines Politikers in ein Unternehmen ist ebenso spektakulär gescheitert. Der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) gibt überraschend den Vorstandsvorsitz des Mannheimer Bau- und Industriedienstleisters Bilfinger SE auf. Nachdem Koch zum zweiten Mal binnen Wochen die Gewinnprognose für das laufende Jahr senken musste, schlug er nach Angaben des Unternehmens am Montag dem Aufsichtsrat eine einvernehmliche Trennung vor.
Im Wortlaut sagte er: „Für ein unverändert erfolgreiches Unternehmen wie Bilfinger ist Berechenbarkeit am Kapitalmarkt ein wichtiges Gut. Durch zwei kurz aufeinanderfolgende Gewinnwarnungen, für die ich als Vorstandsvorsitzender einstehe, ist dieses Vertrauen erschüttert. Ich hoffe, mit meinem Angebot eine schnelle Normalisierung herbeiführen zu können. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil ich feststellen musste, dass wesentliche Teile des Aufsichtsrats und ich bei der Beurteilung der unmittelbaren nächsten notwendigen Maßnahmen nicht ausreichend übereinstimmen.“
Koch hat offensichtlich auch den Rückhalt des Großinvestors Cevian verloren: die britisch-schweizerische Investmentgesellschaft ist für ihre rigide Politik bekannt. Schon der vor kurzem von Koch angekündigte, fast vollständige Verkauf des ehemaligen Tiefbaugeschäftes soll vor allem auf Druck von Cevian zustande gekommen sein. Der Disput eskalierte offensichtlich auf einem Treffen der Anteilseigner am Montag. Dass „nur“ die Senkung der Gewinnprognose um weitere 40 Millionen auf bis zu 360 Millionen Euro Gewinn der Grund sein könnte, ist unwahrscheinlich.
Warum Koch das Handtuch schmeißt, der doch schon ganz andere Stürme aushalten musste, dazu will sich der Aufsichtsratsvorsitzende, der ehemalige Dresdner Bank-Chef Bernhard Walter am Dienstag selbst äußern – auch dies ein außergewöhnlicher Vorgang. Walter hatte den in Unternehmensführung unerfahrenen Berufspolitiker 2011 in einem aufsehenerregenden Fall zu Bilfinger gelotst. Koch hatte damals sein vorheriges Gehalt als Ministerpräsident auf 2,3 Millionen Euro (2013) vervielfacht. Sollte der Aufsichtsrat den Vertrag im gegenseitigen Einvernehmen auflösen, bekommt der 56 Jahre alte Koch seine Bezüge noch zwei Jahre lang bis Ende des regulären Vertragslaufzeit 2016 ausgezahlt.
In Unternehmenskreisen hieß es, Cevian sei nicht der alleinige Treiber gewesen. „Dass hier Bereinigungsbedarf bestand, war nicht nur die Überzeugung eines Aktionärs.“ Kritiker monierten, Koch habe viel versprochen, wenig gehalten und nicht die Fähigkeiten mitgebracht, ein operatives Industriegeschäft zu leiten. Kurz nach einem derart überraschenden Rücktritt sind indes oft unterschiedliche Deutungen über das Geschehen zu hören.
Tatsächlich führte Koch vor allem die Strategie seines Vorgängers Herbert Bodner fort. Bodner hatte nach etlichen Rückschlägen im Baugeschäft angekündigt, das ehemals dominierende Kerngeschäft zurückzufahren und stattdessen erheblich in Dienstleistungen für Industrieanlagen, Kraftwerke und Gebäude zu investieren. Im Laufe der Zeit entstand durch die vielen Übernahmen ein Sammelsurium an Firmen, zudem fühlten sich die „Bauleute“ an den Rand gedrängt. Um Doppelstellen in der Verwaltung abzubauen, veranlasste Koch ein Sparprogramm, dem 1250 von 72.000 Stellen zum Opfer fallen; auch zwei Vorstände, die den Umbau nicht mittragen wollten, mussten gehen.
Vorgänger wird neuer Interims-Chef
Dazu kommt das schwach laufende Geschäft mit Kraftwerksservice – nach Kochs Worten eine Folge fehlender Investitionen im Zuge der Energiewende. Um auch diese Auftragsverluste auszugleichen, hatte er vor wenigen Wochen parallel zu einer Prognosesenkung weitere Stellen zur Disposition gestellt. Wegen eines erst jetzt bekannt gewordenen Projektverlusts in Südafrika – ebenfalls im Kraftwerksgeschäft – reduzierte Koch am Montag abermals die Prognose.
Am 7. August will das Kontrollgremium offiziell über die Personalie entscheiden. Übergangsweise soll der alte Vorstandsvorsitzende und heutige Aufsichtsrat Herbert Bodner das Unternehmen führen. Der Aufsichtsratsvorsitzende Walter bezeichnete das Rücktrittsangebot als „fair“, es verdiene großen Respekt. Alle wesentlichen strategischen Entscheidungen, auch die großen organisatorischen Veränderungen, seien auf die geschlossene Zustimmung des Aufsichtsrates gestoßen. An diesen Entscheidungen werde festgehalten. Warum Koch dann zurückgetreten ist und ob Walter als amtierender Aufsichtsratschef unter diesen Umständen sein Amt behalten kann, soll er am heutigen Dienstag erklären.