FAZ.NET exklusiv : Rewe verabschiedet sich vom Plastik-Einweggeschirr
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All das hat den Kunststoffbedarf für Obst nach Angaben des Naturschutzbundes Nabu zwischen 2000 und 2014 um 78 Prozent wachsen lassen, für Gemüse sogar um 164 Prozent. „Die derzeitige Logik unseres Versorgungssystems steht großen Veränderungen im Weg“, sagt Sattlegger. Etwa, dass alle Produkte zu jeder Jahres- und Tageszeit verfügbar sein müssen. Würde regionaler eingekauft, würden die Transportwege kürzer und der Verpackungszwang geringer.
Zielkonflikte, wohin man blickt
Doch wie viel Engagement für die Umwelt muss ein auf Umsatz angewiesener Betrieb leisten? Müssen nicht vielmehr die Verbraucher ihr Konsumverhalten ändern? Sattlegger sieht zwar auch die Kunden in der Verantwortung, doch die Macht, ein Umdenken einzulenken, liege ganz klar beim Handel, findet er. Es ist die alte Henne-Ei-Diskussion: „Die Branche argumentiert oft, dass der Kundenwunsch zuerst da war, und den gilt es zu erfüllen. Häufig sind es aber Hersteller und Handel, die den Konsumenten bestimmte Verhaltensmuster angewöhnen.“ Später gehe dann die Angst um, durch Auslistungen oder Veränderungen einen Wettbewerbsnachteil zu erleiden.
Beispiel Convenience: Hier zeigt sich ein großer Widerspruch, von dem keiner so genau weiß, wer ihn in die Welt gesetzt hat. To-Go-Produkte und kleine Portionsgrößen erfreuen sich großer Beliebtheit, schließlich entsprechen sie ganz dem Zeitgeist. Die Bevölkerung wird älter, Haushalte kleiner, die Menschen mobiler. Manch einer würde auch sagen: bequemer. Gleichzeitig wünscht sich eine überwältigende Mehrheit der Verbraucher von 94 Prozent laut einer Studie der Unternehmensberatung PwC weniger Verpackungsmüll. Dafür tiefer ins Portemonnaie greifen wollen aber nur knapp 20 Prozent. An erster Stelle sehen sie Hersteller und Handel in der Verantwortung, den Müll zu reduzieren – Zielkonflikte gibt es beim Thema Plastik viele.
Dass der Wille der Unternehmen da ist, zeigen Pilotprojekte wie der Versuch Edekas, ein Mehrwegsystem an der Fleisch- und Käsetheke einzuführen. Andere probieren es mit Unverpackt-Stationen für Trockenware. Doch in Deutschland gibt es bislang kaum Lieferanten, die im größeren Stil unverpackte Lebensmittel ausliefern. Die niederländische Supermarktkette Ekoplaza hat nach eigenen Angaben in einem Testmarkt den ersten plastikfreien Gang der Welt eingeführt: Rund 700 Produkte werden dort ganz ohne Plastikverpackungen angeboten. Auch das Mehrwegsystem wiederzubeleben sehen manche als Möglichkeit.
Den Zielkonflikt der Unternehmen zwischen Nachhaltigkeit und Qualität, zwischen betriebswirtschaftlichen Interessen und umweltschützendem Engagement lösen all diese Maßnahmen noch nicht. Sattlegger lobt die Ideen der Unternehmen, weit genug gehen sie in seinen Augen aber nicht. Vielleicht sei eine Ökosteuer der richtige Weg, sagt er, um „ganz da oben“ etwas zu bewegen und die Branchen zur Zusammenarbeit zu zwingen. An der hapere es nämlich besonders. Geht es nach Lionel Souque, muss sich die Politik nicht einmischen: „Die Unternehmen und Verbraucher sollten selbst aktiv werden – und nicht auf Entscheidungen aus der Politik warten.“

Kunststoff ist aus unserer Welt nicht mehr wegzudenken – doch der Planet erstickt darin. Müssen wir darauf verzichten? Wir suchen einen Monat nach Antworten.
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