Renesas-Chef Hidetoshi Shibata : „Die Halbleiterindustrie braucht keine Hilfe durch den Staat“
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Eine der Hauptsäulen der japanischen Wirtschaft: Chipherstellung im Renesas-Werk in Naka. Bild: FUMINORI SATO/The New York Times
Der Chef des japanischen Chipherstellers Renesas, Hidetoshi Shibata, spricht über den internationalen Subventionswettlauf und die Chancen für Deutschland und Japan. Gerade ein breite räumliche Aufstellung wird immer wichtiger.
Acht Jahre lang stand die Halbleiterfabrik in Kofu in der ländlichen Präfektur Yamanashi westlich von Tokio leer. Renesas Electronics benötigte das Gebäude nicht mehr und wurde nach eigenen Angaben mit keinem potentiellen Käufer oder Mieter handelseinig. Jetzt aber investiert Renesas 90 Milliarden Yen (rund 635 Millionen Euro), um die Fabrik neu zu eröffnen. Von 2024 an sollen in einem Reinraum auf 18.000 Quadratmetern mit 300-Millimeter-Wafern Leistungshalbleiter produziert werden. Diese Computerchips regulieren Stromflüsse und gewinnen mit dem Schwenk zu Elektroautos an Bedeutung. Renesas vermarktet die Entscheidung als Beitrag zur Abkehr von der Kohlenstoffwirtschaft. Im Endausbau der neuen alten Fabrik wird das Unternehmen seine Produktionskapazität an Leistungshalbleitern verdoppeln.
Die Investition in Yamanashi spiegelt die andauernden Engpässe in der Halbleiterindustrie, aber auch die große Weltpolitik wider. „Wer es mit Leistungshalbleitern ernst meint, braucht seine eigenen Produktionskapazitäten“, sagt Renesas-Chef Hidetoshi Shibata im Gespräch mit der F.A.Z. Die Investitionsentscheidung gründe aber auch im größeren Bewusstsein für geopolitische Risiken. „Mit der Lage in der Ukraine, die zu Jahren der Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und China hinzukommt, wird überall auf der Welt das Verhältnis zwischen Effizienz und Resilienz des Geschäfts hinterfragt“, sagt Shibata. Es wird nach seiner Meinung bedeutender, Forschung und Entwicklung, aber auch die Produktion auf unterschiedliche Regionen aufzuteilen.
Das hat Folgen für die Verteilung der Standorte der Halbleiterwirtschaft in der Welt. „Regionen wie Europa oder Japan werden viel wichtiger werden, wenn es nicht mehr wie früher vor allem um Effizienz geht“, sagt Shibata, Chef eines der wichtigsten Zulieferer für die Automobilbranche gerade in Japan.
Räumliche Streuung wird immer wichtiger
Renesas erwirtschaftet mit seinen 21 000 Mitarbeitern fast 30 Prozent seines Umsatzes in Japan und weitere 47 Prozent in China und im restlichen Asien. Europäische Kunden tragen rund 15 Prozent zum Umsatz bei. Shibata betont ein besonderes Interesse an weiteren Investitionen in Deutschland, weil das Land mit seinem Fokus auf Elektroautos und Industrie wichtige Kunden versammele. „Zumindest bislang“ aber habe Renesas keine konkreten Pläne für neue Produktionsstätten in Deutschland. Ständig aber suche Renesas nach „neuen Talenten“, um die Forschung und Entwicklung in Deutschland und Europa zu stärken, unterstreicht Shibata. Mit der Übernahme der britischen Dialog Semiconductor im vergangenen Jahr hatte Renesas seine Aktivitäten auch in Deutschland gestärkt. Rund 1000 Mitarbeiter an acht Standorten arbeiten für Renesas in Deutschland.
Zur räumlichen Diversifizierung gehört, dass Renesas etwa 200 Mitarbeiter in Lemberg im Westen der Ukraine forschen und entwickeln lässt. Das Team arbeite hart, um die Arbeit aus dem Büro oder von zu Hause in Gang zu halten, sagt Shibata. Bislang gebe es dort keine signifikanten Störungen.
Nicht nur Halbleiterunternehmen, auch Regierungen folgen zunehmend der Theorie der notwendigen räumlichen Streuung, unter anderem in Deutschland und in Japan. Der Subventionswettlauf um die Ansiedlung neuer Halbleiterfabriken ist eröffnet. Bis zu 476 Milliarden Yen (3,4 Milliarden Euro) gibt das japanische Industrieministerium an Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) für den Bau einer Halbleiterfabrik im südwestjapanischen Kumamoto, an der sich als Juniorpartner und als wichtige inländische Kunden auch das Elektronikunternehmen Sony und der Autozulieferer Denso beteiligen.