ÖPNV auf dem Land : Bahn plant Busverkehr auf Zuruf
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Bei Anruf, Bus: Die Deutsche Bahn will mehr Rufdienste in ländliche Regionen bringen. Bild: dpa
Der ÖPNV soll auch auf dem Land so attraktiv werden wie das Auto. Dafür will die Deutsche Bahn flexible Angebote schaffen - mit autonom fahrenden Shuttles.
Wenige Menschen, weite Entfernungen: Der ländliche Raum lässt sich nur schwer mit einem verlässlichen öffentlichen Nahverkehr versorgen. Deshalb will die Deutsche Bahn nun mit Rufbussen und Shuttleangeboten ihr Angebot ausweiten. „Wir wollen den Regionalverkehr mindestens so flexibel und so attraktiv machen wie das Auto“, sagte die für den Regionalverkehr verantwortliche Konzernvorständin Evelyn Palla in Berlin. „Der Plan ist, dass wir bis 2030 rund 200 Millionen Fahrgäste im On-Demand-Verkehr transportieren.“ Jeder zweite Kilometer auf dem Land würde dann über einen solchen flexiblen Dienst abgewickelt. Damit solle der schon bestehende öffentliche Verkehr ergänzt werden – und nicht etwa ersetzt, wie die Bahnmanagerin betonte.
Erste Erfahrungen hat DB Regio mit diesem flexiblen Service schon gesammelt. Im ganzen Bundesgebiet gibt es derzeit 18 Angebote unter dem Namen Clevershuttle, zum Beispiel im Chiemgau. Die Zahl der Fahrgäste ist noch überschaubar, doch das soll sich ändern, wenn die Kommunen diese Art der Rufbereitschaft erst standardmäßig in ihr Nahverkehrsangebot aufnehmen und neben Bussen und Bahnen als reguläre Alternative anbieten. Darauf setzt jedenfalls DB Regio. Für die Kommunen dürfte das ein weiterer großer Kostenblock im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) werden: Solche Dienste sind teuer und lassen sich bisher kaum rentabel betreiben. Das ist bei Bahn- und Buslinien jedoch kaum anders. Der ÖPNV ist für Bund, Länder und Kommunen ohnehin ein milliardenschweres Zuschussgeschäft.
Es könnte ein attraktives Angebot sein
Für die Nutzer könnte das ein attraktives Angebot sein: Nach den Vorstellungen von DB Regio soll sich der Preis für diese Dienste an den üblichen ÖPNV-Tarifen orientieren. Sie sollen über die Onlineplattform ioki buchbar sein. Die Shuttlebusse, die bei Bedarf virtuelle Haltestellen auf einer Route anfahren, dürften damit wesentlich billiger sein als Taxis. Allerdings ist damit auch kein direkter Tür-zu-Tür-Service verbunden.
Die Kosten für diesen Bedarfsbetrieb könnten sich drastisch senken, wenn wie geplant irgendwann autonom fahrende Kleinbusse eingesetzt werden können. „Das wird ein echter Gamechanger“, betonte Palla. DB Regio will in Kürze solche Fahrzeuge im Rahmen eines Pilotprojekts in Darmstadt und im Kreis Offenbach testen. In der Testphase wird noch ein Fahrer an Bord sein. Irgendwann sollen die Autos dann aber auch allein im Straßenverkehr unterwegs sein.
Schon im vergangenen Jahr rief die DB-Regio-Chefin im Gespräch mit der F.A.Z. 2023 als „ein Jahr des Umbruchs für den öffentlichen Nahverkehr“ aus. Die aus Südtirol stammende Bahnmanagerin, die seit dem vergangenen Juli im Konzernvorstand für den Regionalverkehr zuständig ist, sieht Deutschland vorn: „Während beim Thema autonomes Fahren viele in die USA schauen, sind wir in Deutschland schon einen Schritt weiter.“ Ihre Vision: „Menschen werden auch auf dem Land so unterwegs sein können, dass sie ihr eigenes Auto gar nicht mehr vermissen.“ Auf dem Land leben 55 Millionen Menschen, der Konzern sieht darin jede Menge Potential. Palla sollte es wissen – die 51-Jährige ist kein Neuling in der Branche. Sie kennt das Geschäft aus Österreich. Rund acht Jahre arbeitete sie für die Österreichischen Bundesbahnen. Im Februar 2019 wechselte sie zur DB, zunächst als Finanzvorstand im Fernverkehr.
Jeder Dritte ist unzufrieden
Mit den neuen On-Demand-Angeboten will die Bahn ein Problem angehen, das bisher ein großes Hindernis beim Erreichen der Klimaziele darstellt: Gerade auf dem Land nutzen viele Menschen das eigene Auto, weil die Anbindung nicht gut genug ist. Jede dritte Person in Deutschland ist unzufrieden mit der Erreichbarkeit von Bus und Bahn am eigenen Wohnort, wie eine repräsentative Studie des Forschungsinstituts Kantar im Auftrag von Allianz pro Schiene, BUND und Deutschem Verkehrssicherheitsrat Ende vergangenen Jahres ergab. Die Befragten wünschen sich dabei mehrheitlich eine deutlich bessere Taktung von Bus und Bahn. Bisher ist in diesem Bereich wenig geschehen: Mehr als drei Viertel der Befragten kritisieren, dass sich die Zahl der Abfahrten innerhalb der vergangenen fünf Jahre nicht verbessert oder sogar verschlechtert hat.