Nicolas Berggruen : Der Spekulant mit dem Herzen für Kunst
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Nicolas Berggruen, 1961 in Paris geboren, ist ohne festen Wohnsitz und lebt in Hotels Bild: dpa
Nicolas Berggruen, Sohn des großen Kunstsammlers, kauft Firmen wie der Vater Picassos. Karstadt ist seine jüngste Trophäe. Doch das Unternhemen ist noch nicht gerettet. An diesem Montag wird es ernst.
An diesem Montag geht es ums Ganze. Wieder einmal. Wieder einmal könnte sich an diesem Tag das Schicksal von Karstadt entscheiden. In London trifft sich Nicolas Berggruen, der voreilig zum Retter ausgerufene Investor ohne festen Wohnsitz, mit den Eignern der Immobilien, dem Highstreet-Konsortium unter Führung von Goldman Sachs.

Verantwortlicher Redakteur für Wirtschaft und „Geld & Mehr“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Der neue Kaufhaus-Betreiber und seine potentiellen Vermieter streiten sich seit Tagen so verbiestert, dass man ihnen am liebsten raten würde, sofort getrennte Wege zu gehen. Um jeden Cent wird mit fiesesten Tricks gepokert. „Die treiben es auf die Spitze“, wirft die eine Seite der jeweils anderen vor. Und so kann es durchaus passieren, dass der schöne Deal noch platzt. Den Schaden hätten die 25 000 Mitarbeiter des insolventen Karstadt-Konzerns. Anfang der Woche haben die Gläubiger dem aus dem Nichts gestarteten Nicolas Berggruen, Sohn des vor den Nazis geflohenen Kunstsammlers Heinz Berggruen, den Zuschlag für die Kaufhäuser gegeben. Seither lernt das Publikum den feinsinnigen Unterschied zwischen „signing“ und „closing“ eines Kaufvertrages kennen: Rechtskräftig wird der unterschriebene Vertrag erst, wenn der Käufer sich mit den Vermietern einigt. Im Grunde hat Berggruen nur gesagt: „Ja, den Laden nehme ich. Über die Miete werden wir uns schon einigen.“ Was im Fall einer Dönerbude schwierig ist, wird mit 120 Kaufhäusern erst recht kompliziert: Schließlich trieben die überzogenen Mieten Karstadt in den Ruin, zumindest waren sie ein maßgeblicher Faktor neben anderen Beispielen für Managerversagen.
Mit Immobilien kennt sich Berggruen aus
230 Millionen Euro Mietnachlass für die nächsten fünf Jahre hat Highstreet für seine 86 Häuser versprochen. Und keinen Cent mehr, sagen die Unterhändler kategorisch. Diese Mieten seien immer noch viel zu hoch, kontert Berggruen, weit weg von dem, was der Markt hergibt - und mit Immobilien kennt der Mann sich aus, schließlich hat er 140 Millionen Euro in Bauten, vorzugsweise in Berlin, investiert. Sollte der Deutsch-Amerikaner die Konditionen nicht akzeptieren, warnen die Highstreet-Manager im Gegenzug vor der Liquidation von Karstadt. Aus Angst vor dem Tod drohen sie mit dem Selbstmord, höhnt die Gegenpartei. Denn scheidet Berggruen aus, steht kein anderer Mieter bereit. Und der Wunsch, Karstadt doch noch selbst zu übernehmen, nachdem Highstreet den Bieterwettstreit verloren hat, sei eine Illusion, betont der Sprecher von Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg: „Der Insolvenzplan schließt nach seiner Mechanik die Ersetzung des Berggruen-Vertrags durch einen anderen aus.“
Eines will Goldman Sachs in jedem Fall verhindern: Schlagzeilen als „Karstadt-Killer“. Der Imageschaden wäre fast noch schlimmer als der monetäre Verlust, und er wäre von besonderer Schädlichkeit, weil die Investmentbanker schon auf vielen anderen Anklagebänken sitzen. Natürlich weiß Berggruen, als kunstsinniger Philanthrop mit bestem Leumund, um diese Angst der Gegenpartei und nutzt sie in dieser Schlacht. Für ihn wäre es jedenfalls leichter verkraftbar, falls der Deal noch scheitert: Sein finanzieller Einsatz war bisher begrenzt, der Lohn dafür einige Tage überaus angenehme Presse („Der Wohltäter“).
Die Höhe seines Vermögens bleibt im Dunkeln
Berggruen könnte frohen Mutes weiterziehen zum nächsten Investitionsobjekt, vielleicht sogar zu einem, von dem er mehr versteht als von Kaufhäusern, zu denen er „aus einem Bauchgefühl“ kam, wie er bekennt. Unermüdlich verkündet er, jeden Karstadt-Standort, jeden Arbeitsplatz erhalten zu wollen. Wie er das anstellen will, bleibt aber nebulös. „Glamouröser und hochwertiger“ will er die Kaufhäuser machen - das haben auch andere versucht. Wäre Berggruen ein Private-Equity-Investor wie jeder andere auch, würde ihm das wahrscheinlich um die Ohren gehauen, er aber zehrt vom sagenhaften Ruf des 2007 verstorbenen Vaters. Zudem ist das Gelände historisch vermint: Vater Jude, Sohn Spekulant, heikle Sache. Da will jeder Ton wohl gesetzt sein.
Der Fall Karstadt wirft ein bizarres Licht auf die deutsche Geschichte: Da taucht der zu Wohlstand gekommene Sohn eines Exilanten auf, um die Trümmer aufzurichten einer Familie Schickedanz, welche die Nazi-Zeit für den Kauf von Industriebetrieben nutzte und nun alles verspielt hat. Wie reich der angebliche Milliardär Nicolas Berggruen wirklich ist und wie genau er seine erste Million verdient hat, bleibt im Dunkeln. Nur eines steht fest: Viel Zeit bleibt Karstadt nicht. Am 16. Juli entscheidet das Gericht über den Insolvenzplan: Rettung oder Untergang.