Nachhaltigkeitsprogramm : Nestlé will sich um seine Quellen kümmern
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Pressetermin im Quellgebiet um Vittel: Nestle Nestle-Manager Cedric Eggers. Bild: Jan Grossarth
Im französischen Vittel versiegt die erste Wasserquelle. Nestlé reagiert mit einem Nachhaltigkeitsprogramm und sagt: „Die Landwirtschaft ist das größte Problem.“
Die traditionsreichen Wasserquellen von Vittel in den französischen Vogesen sind für den Lebensmittelkonzern Nestlé zum Problem geworden – ohne Zweifel auch für das ohnehin ramponierte Image. Während vor Ort Bauern und die lokale Bevölkerung zur Wassersparsamkeit aufgerufen werden, zapft Nestlé hier rund 2,5 Milliarden Liter im Jahr ab, unter anderem für den Export in deutsche Discountmärkte. So ereignet sich derzeit inmitten von Europa, wofür der Schweizer Konzern wegen Fällen in Entwicklungsländern wie Pakistan seit vielen Jahren einen nicht makellosen Ruf hat: ein Konflikt um Wasser – hier die kommerzielle Ausbeutung der Reserven, dort fallende Wasserpegel und schwindende Reserven.
Der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern Nestlé will nach eigenem Bekunden daran grundsätzlich etwas ändern. Nicht nur in Vittel, sondern an allen globalen Wasserproduktionsstandorten. Wie das gehen sollte, demonstrierten Manager und Kommunikationsprofis des Konzerns vor wenigen Tagen in Vittel selbst: Denn dort unternehme Nestlé durchaus schon viel für sauberes Wasser, seit mehr als 25 Jahren, lautet die Botschaft.
„Agrivair“ heißt das Modellprojekt in Vittel; ein anderes läuft in der Schweiz. In französischer Sprache berichteten Bauern, Wasserbeauftragte für die Region und ein konzerneigener Geologe gegenüber internationalen Journalisten über den Wasserschutz vor Ort: 32 Bauern in dem 5000-Seelen-Städtchen verwenden keine chemischen Pestizide mehr, keine oder nur wenige Mineraldünger. Der Konzern unterstützt die extensive Landwirtschaft mit Zuschüssen an die Betriebe, etwa für Heulager und Maschinen, und mit Land. 3000 Hektar Land gehören hier Nestlé, der Konzern stellt es den umstellungswilligen Bauern als Kompensation für Ernteverluste zu Verfügung.
Große Worte
Man tue schon eine Menge für das Wasser, lautet die Botschaft. So bleibt das Wasser sauber: „Bodenschutz ist Trinkwasserschutz“, sagt Agronom Christophe Klotz, der für das von Nestlé initiierte Modellprojekt in Vittel das landwirtschaftliche Extensivierungsprogramm koordiniert. Dabei seien Pestizidrückstände das größte Problem. Cédric Egger, Wasserqualitätsmanager bei Nestlé, bestätigt: „Die globalen Landwirtschaftspraktiken machen uns größte Kopfschmerzen.“
In Vittel gebe es seit dem Verzicht auf Pestizide wieder eine zunehmende und große Biodiversität: Dutzende seltene Schmetterlingsarten und Insekten. Und es gebe auch Ökotouristen aus Schweden und der Schweiz. Doch Nestlé geht über Pestizid-Ausstiegs-Prämien hinaus. Der Quellstandort Vittel wird infolge der Maßnahmen mit einem unabhängigen Nachhaltigkeitssiegel zertifiziert, das AWS („Alliance for Water Stewartship“) heißt und unter anderem von der Umweltorganisation WWF beraten wird. Auch andere Getränkekonzerne sollten dies zum Standard machen, regte Nestlé an.
Auf AWS-Standard wird Nestlé nach eigenen Angaben in den kommenden sieben Jahren nicht nur Vittel, sondern sämtliche seiner globalen Quellen bringen. Nestlé Waters unterhält 92 Fabriken in 34 Ländern. Eine ausgeglichene Balance von Entnahme und Erneuerung der Quellen soll das garantieren – zudem eine gute Wasserqualität, chemiefreie Landwirtschaft in den Quellgebieten sowie eine überwachte, zunehmend professionelle kommunale Wasserpolitik.
Nicht nur in Vittel also dürfte das Unternehmen auch Geld in die Hand nehmen, um Pestizide und Nitratdünger zu verbannen, die als chemische Moleküle oder giftiges Nitrit im Trinkwasser feststellbar sein können. Acht seiner Wasserwerke seien bereits AWS-zertifiziert, neben Vittel auch solche in Kanada, Pakistan und den Vereinigten Staaten.
Eine Pipeline soll helfen
Große Worte fielen. Wasser sei die Grundlage allen Lebens, von hoher symbolischer Kraft und „die kritischste Nachhaltigkeits-Herausforderung für unser Geschäft und die Gesellschaft“, sagte in Vittel der Vorstandsvorsitzende von Nestlé Waters, der Italiener Maurizio Patarnello. Schließlich sei es auch gesund, im Gegensatz zu Limonaden, wie Paternello dieser Zeitung sagte, wobei auch Nestlé einige Limonaden herstellt.