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CSRD-Richtlinie : Nachhaltigkeit wird große Aufgabe für den Mittelstand

  • -Aktualisiert am

Windpark in Sachsen-Anhalt: Auch mittelständische Unternehmen müssen bald über die Nachhaltigkeit ihrer Geschäfte berichten. Bild: dpa

Fast 15.000 kleinere und mittlere Firmen sowie über 18.000 kommunale Unternehmen müssen erstmals über Nachhaltigkeit informieren und die Berichte prüfen lassen. Das wird aufwendig und teuer.

          3 Min.

          Viele kleinere und mittelständische Firmen stehen bald vor der großen Aufgabe, über die Nachhaltigkeit ihrer Geschäfte und Unternehmensführung zu informieren und diese Berichte prüfen zu lassen. Auf die dadurch entstehenden Herausforderungen hat die Wirtschaftsprüferkammer (WPK) im Rahmen ihres jährlichen Pressegesprächs am Donnerstag aufmerksam gemacht. Noch nicht alle der von den neuen Regeln betroffenen Unternehmen sind sich nach Einschätzung von WPK-Präsident An­dreas Dörschell über ihre Berichts- und Prüfpflichten im Klaren.

          Mark Fehr
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Hintergrund ist der von der EU-Kommission ausgerufene „Green Deal“, der darauf abzielt, Umweltschutz, soziale Standards und gewissenhafte Unternehmensführung in der Wirtschaft zu verankern. Investoren sollen ihr Geld vorzugsweise in Firmen stecken, die sich um Um­welt, Gesellschaft und gute Unternehmensführung, kurz ESG, kümmern. Ein Baustein dieses Mammutprojekts ist die international als CSRD bezeichnete Nachhaltigkeitsrichtlinie der EU.

          Die Richtlinie ist im Januar 2023 in Kraft getreten und zielt darauf ab, der Berichterstattung über Nachhaltigkeit die gleiche Priorität zu verleihen wie den klassischen Jahresbilanzen. Die Zahl der Unternehmen, die Nachhaltigkeitsberichte aufstellen und prüfen lassen müssen, wird sich laut WPK in mehreren Stufen von bisher 500 auf künftig 15.000 Firmen in Deutschland erweitern. Hinzu kämen noch einmal 18.500 Unternehmen der öffentlichen Hand, davon 16.000 kommunale Unternehmen. In der EU werden insgesamt 45.000 Unternehmen den neuen Berichtspflichten unterliegen.

          Immer mehr Unternehmen betroffen

          Große kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen mit mehr als 500 Mitarbeitern besitzen schon länger Erfahrung mit nachhaltigkeitsorientierter Berichterstattung, denn sie müssen seit dem Geschäftsjahr 2016 eine Erklärung über Umwelt, Ar­beitnehmer, Soziales, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung abgeben und können diese in ihren Lagebericht eingebaute Erklärung freiwillig prüfen lassen. Der Lagebericht ist neben Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung ein Teil des Jahresabschlusses. Für das Berichtswesen kleinerer und mittlerer Unternehmen dagegen sind Nachhaltigkeitsbelange weitgehend Neuland.

          Die EU-Richtlinie CSRD weitet die Berichts- und Prüfungspflicht in Sachen Nachhaltigkeit stufenweise von großen auf mittlere und kleinere Unternehmen aus. So gilt die Berichts- und Prüfpflicht ab dem Geschäftsjahr 2024 zunächst für börsennotierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen ab 500 Mitarbeitern. Ab dem Geschäftsjahr 2025 gelten die Re­geln dann auch für alle weiteren größeren Unternehmen ab 500 Mitarbeitern, also unabhängig davon, ob sie börsennotiert sind oder zur Finanzbranche gehören. Und ab dem Geschäftsjahr 2026 schließlich werden die kleinen und mittleren Unternehmen aus der Kategorie der börsennotierten Firmen sowie Banken und Versicherungen erfasst. Diese kleinen und mittleren Unternehmen dürfen sich aussuchen, ob sie mit der Anwendung der neuen Regeln zwei Jahre später starten wollen, also erst ab dem Geschäftsjahr 2028. Die größte Ausweitung des Kreises der Betroffenen dürfte laut WPK im Geschäftsjahr 2025 stattfinden.

          Wer soll das prüfen und bezahlen?

          Gemäß der EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie soll der bisher für die Bilanzprüfung zuständige Wirtschaftsprüfer eines Un­ternehmens grundsätzlich auch für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte seines Mandanten zuständig sein. Doch räumt die CSRD den EU-Mitgliedstaaten ein Wahlrecht ein, mit dem sie Unternehmen ermöglichen können, auch einen anderen Wirtschaftsprüfer oder einen alternativen Prüfungsdienstleister mit der Nachhaltigkeitsprüfung zu beauftragen. Die Prüferkammer WPK hält wenig von diesem Wahlrecht. Kammerpräsident Dörschell begründet das nicht nur mit der Qualifikation der Wirtschaftsprüfer, sondern auch mit inhaltlichen Zu­sammenhängen zwischen der klassischen Bilanzprüfung und der Nachhaltigkeitsprüfung. Die hiesige Prüferbranche sei trotz hoher Auslastung und Fachkräftemangels gut gerüstet für diese Aufgabe.

          Wie viel Aufwand und welche zusätzlichen Kosten kommen mit der Berichts- und Prüfpflicht auf kleine und mittlere Unternehmen zu? Nach Einschätzung der Prüferkammer kommt es dabei stark auf das Geschäft des betroffenen Unternehmens an. So müsse sich auch die WPK selbst auf die neuen Berichts- und Prüfungsanforderungen vorbereiten, was im Fall der Kammer aber nicht so aufwendig sei wie im Fall eines produzierenden Unternehmens. „Unternehmen müssen sehr viel Aufwand in ihre Kontroll- und Berichtssysteme stecken“, erwartet Dörschell. Wie viel die zusätzliche Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte die Kunden kosten werde, lasse sich nicht allgemein beziffern. „Sicher ist aber, dass es nicht umsonst sein wird“, sagte der WPK-Präsident.

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