F.A.Z. exklusiv : In Frankfurt entsteht ein neuer Autozulieferer
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Spritzgussprodukte: Herstellung von Kunststoffölmodulen bei Mann+Hummel Bild: dpa
Die Beteiligungsgesellschaft Mutares formt in Frankfurt einen neuen Autozulieferer mit Milliardenumsatz. In zwei Jahren soll Amaneos reif für die Börse sein.
Die Beteiligungsgesellschaft Mutares formt einen neuen Autozulieferer und Börsenkandidaten mit Milliardenumsatz. Er nimmt seinen Sitz in Frankfurt ein und wird Amaneos heißen, wie Mutares-Vorstandsmitglied Johannes Laumann im Gespräch mit der F.A.Z. ankündigt. In zwei Jahren soll er reif für die Börse sein – und dann zu passender Gelegenheit auch in Frankfurt aufs Parkett gehen.
Mutares schmiedet das Unternehmen aus drei Geschäften, die sie in den vergangenen Jahren nacheinander erworben hat. Es beliefert den Angaben zufolge alle großen Autohersteller mit Plastikteilen wie Heckschürzen und Türleisten.
Diese Woche soll sich Amaneos den Autoherstellern und der Öffentlichkeit präsentieren, mit orangefarbenem Logo: „Wir werden mit dieser Gesellschaft mit dem Hauptsitz Deutschland – Frankfurt – einen Umsatz von ungefähr 1,2 Milliarden Euro machen“, sagte Laumann. Sie unterhalte 20 Standorte, beschäftige 7500 Beschäftigte und sei „bei allen OEMs vertreten“, also bei allen Fahrzeug-Endherstellern.
Amaneos wird als SE & Co. KGaA aufgestellt. Denn das Unternehmen habe in Deutschland mehr als 2000 Mitarbeiter, weswegen eine AG einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat erforderte. „Und ich habe ungern die Arbeitnehmervertretung dabei, wenn ich über einen Börsengang entscheiden möchte“, sagte Laumann.
Das Parkett als Ziel
Denn das Parkett ist das klare erklärte Ziel: „Wir bereiten die Gesellschaft definitiv so vor, dass dies der nächste große Börsengang der Mutares wird.“ Zum Zeitpunkt sagte Laumann: „Ich denke, wir brauchen zwei Jahre, um die Gesellschaft börsenreif zu machen. Dann muss man schauen, wann ein gutes Fenster ist.“ Auf die Frage, ob Frankfurt dann der Schauplatz ist, sagte er: „So die Welt nicht komplett sich verändert: ja.“
Als wichtige Konkurrenten nannte der Manager Magna, Röchling, Adler Pelzer, Polytech, Faurecia und Plastic Omnium. Zentrale Produktgruppe sind Plastikspritzgussteile außerhalb des Fahrgastraums. Sie werden sowohl in Personenautos als auch in Lastwagen verbaut.
Aus Sicht der Münchner Beteiligungsgesellschaft erreicht das Unternehmen Rekorddimension, übertrifft alle anderen Vermögenswerte (Asset). „Es ist das mit Abstand größte Asset der Mutares und das erste Asset, das über eine Milliarde Umsatz macht.“
Die Vorbereitungen für die Verschmelzung – Projektname „Elisabeth“ – laufen seit zwei Jahren. Im Jahr 2020 kaufte Mutares Geschäfte des amerikanischen Zulieferers Cooper Standard in Polen, Italien, Spanien und Indien und holte sich damit etwa 180 Millionen Euro ins Portfolio, mit Dichtungsprodukten sowie Gummi- und Thermoplastkomponenten. Die Gesellschaft firmiert seitdem unter dem neuen Namen SFC Solutions.
„Plattform mit Ambition“
Im Jahr darauf übernahm Mutares das Außenteilegeschäft des kanadisch-österreichischen Unternehmens Magna mit damals bezifferten 360 Millionen Euro Jahresumsatz: Es liefert Fahrzeug-Endherstellern Außenteile wie Kühlergrills, Stoßfänger, Seitenverkleidungen und Spoiler und heißt inzwischen LMS (Light Mobility Solutions). Standorte sind Obertshausen, Sulzbach, Idar-Oberstein und Esslingen.
Mutares sah das Geschäft von vornherein als „Plattform mit der Ambition, es im Plastikspritzgussbereich weiter auszubauen, weg von dem Exterieur zu mehr Diversifikation, was die Produkte und die Kundenbasis angeht“, wie Laumann damals im F.A.Z.-Gespräch sagte.
Genau das folgte mit der dritten Akquisition im vergangenen Jahr: Das Ludwigsburger Unternehmen Mann+Hummel beschloss, sich ganz auf das Filtergeschäft zu konzentrieren, und gab sein Geschäft mit technischen Kunststoffteilen rund um den Antriebsstrang (Powertrain) ab. Es trennte sich damit von gut einem Zehntel seines Umsatzes, nämlich knapp 500 Millionen Euro. 1500 Beschäftigte gingen auf Mutares über.
Beispiele für die Produkte sind Motoransaugrohre, Ladeluftrohre, Kunststoffbehälter und Ölwannen – auch hier alles Teile außerhalb des Fahrgastinnenraums. Auch diese Sparte mit Produktionsstätten in Bad Harzburg, Sonneberg und Laval bekam einen neuen Namen, heißt nun MoldTecs .
Laumann sieht Amaneos als gerüstet für die Transformation weg vom Verbrenner. „80 bis 85 Prozent“ des Umsatzes entfielen auf Produkte, die sich in E-Autos wiederfinden. „Wir reden hier von Frontschürzen, Heckschürzen, Seitenverkleidungen, Unterboden – das gibt es ja auch in jedem E-Auto.“ Vornehmlich kämen die Aufträge aus jener Richtung. „Der Großteil der Neuvergaben, die wir aktuell sehen, ist in der E-Mobilität.“ Laumann verwies darauf, „dass der größte Neuauftrag, den wir in den letzten sechs Monaten erhalten haben, komplett in E-Mobilität geht, mit Volvo“.
Aus Sicht der Stadt Frankfurt ist es eine neuerliche Gelegenheit, mithilfe von Private Equity den Sitz eines Großunternehmens zu bekommen. Vor Jahren war das auf ähnliche Weise schon einmal im Chemiesektor geschehen: Der Finanzinvestor Advent verschmolz den Kunstharz-Hersteller Allnex, der zu einem großen Teil aus früherer Hoechst-Chemie bestand, mit einem Zukauf und verlagerte anschließend den Unternehmenssitz von Brüssel nach Frankfurt.
Allerdings brachte Advent ihn nicht – wie es auch denkbar war – an die Börse, sondern verkaufte ihn nach Thailand. Advent wollte mit dem neuen Zentralen-Standort einen Neustart signalisieren, „damit nicht der eine sich übernommen fühlt“, wie der damalige Advent-Partner Ronald Ayles der F.A.Z. sagte.
Ähnlich die Überlegung für den Amaneos-Sitz: Als Zentrale wäre hier zwar beispielsweise das große Werk in Obertshausen denkbar, von wo man heute viel steuere. Doch nach seiner Erfahrung fühle sich ein Werk, das in einer neu geschaffenen Gruppe den Hauptsitz bekomme, als Schwerpunkt. „Dann fühlen die sich nicht mehr im Wettbewerb mit den anderen Werken. Deshalb ist eine gewisse Neutralität, glaube ich, ganz sinnvoll.“ Die Zentrale liegt in der Frankfurter Innenstadt in der Nähe zur Alten Oper – in Büros der früheren Mutares-Beteiligung Donges. Sollte es zum Börsengang kommen, würde sie wahrscheinlich aber zu klein.