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Müll : Die gelbe Tonne wird teurer

Auf dem Recyclinghof: Müll aus der gelben Tonne Bild: dapd

Das Grüne-Punkt-Unternehmen Duales System Deutschland will seine Preise erhöhen. Es sieht Trittbrettfahrer und Gebührentrickser am Werk, die angeblich die Finanzierung des Konzerns aushöhlen.

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          Handel und Hersteller sollen für das Recycling von Verpackungsmüll tiefer in die Tasche greifen. Das Grüne-Punkt-Unternehmen Duales System Deutschland (DSD) will seine Entgelte von 2014 an um bis zu 8 Prozent erhöhen. Das Unternehmen begründete den Schritt nicht nur mit gestiegenen Personalkosten und Energiepreisen. Ein wichtiger Grund seien zweifelhafte Methoden mancher Konkurrenten, die ihre Mengen falsch abrechneten, um Kosten zu drücken. Für immer mehr Verpackungen würden keine Gebühren bezahlt; letztlich landeten sie aber trotzdem im gelben Sack oder im Glascontainer, sagte Michael Wiemer, in der DSD-Geschäftsführung für den Vertrieb verantwortlich: „Das bedeutet, dass die anfallenden Kosten auf immer weniger angemeldete Verpackungen verteilt werden müssen.“

          Helmut Bünder
          Wirtschaftskorrespondent in Düsseldorf.

          Neben dem früheren Monopolisten DSD, der 50 Prozent des Marktes beherrscht, gibt es in Deutschland neun weitere duale Systeme, welche die Abholung und Verwertung der Verpackungen organisieren. Sie finanzieren sich über Lizenzgebühren von Handels- und Industrieunternehmen, die verpackte Ware auf den Markt bringen und gesetzlich verpflichtet sind, für eine ordnungsgemäße Entsorgung und Verwertung zu sorgen. Die Branche klagt allerdings darüber, dass sich viele Unternehmen immer noch um ihre Zahlungspflicht herumdrücken und dem System allein dadurch jedes Jahr mehrere hundert Millionen Euro entgehen. Nach Angaben des Bundeskartellamtes haben Handel und Industrie zuletzt knapp eine Milliarde Euro im Jahr für die Verpackungslizenzierung an die dualen Systeme bezahlt, nur noch halb so viel wie zu Zeiten des DSD-Monopols.

          Eine unklare Rechtslage

          Der Handelsverband Deutschland (HDE) forderte die Politik auf, die Schlupflöcher im System zu schließen und den Trittbrettfahrern das Handwerk zu legen. Eine Schwächung der privaten dualen Systeme bedeute am Ende höhere Kosten für Verbraucher und Wirtschaft. „Wir sind besorgt, dass weitere Gebührenanhebungen folgen könnten“, sagte HDE-Geschäftsführer Kai Falk dieser Zeitung. Auf den Kosten bleibe der Handel zumindest teilweise sitzen, im harten Wettbewerb sei es kaum möglich, die Ladenpreise entsprechend zu erhöhen. Der HDE setzt auf das seit langem angekündigte neue Wertstoffgesetz, das der „dramatischen Unterfinanzierung des Systems“ entgegensteuern müsse. Mit der Neuregelung ist aber vor der Bundestagswahl nicht mehr zu rechnen. Auch der Markenverband bemängelte die unklare Rechtslage. Es sei nicht länger hinnehmbar, dass einzelne Unternehmen ihre Lizenzkosten durch Falschangaben drückten. „Die Zeche zahlen ordnungsgemäß lizenzierende Unternehmen über steigende Gebühren“, sagte Dominik Klepper, Leiter Wirtschaftspolitik und Umwelt.

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          Der Zwist zwischen den dualen Systemen dreht sich unter anderem um die sogenannte Eigenrücknahme: Verpackungen, die Großverbraucher oder Handelsunternehmen selbst zurücknehmen und entsorgen lassen, werden nicht auf die üblichen Lizenzgebühren für die haushaltsnahe Entsorgung über die gelbe Tonne angerechnet. Nach den Meldungen der dualen Systeme waren dies im vorigen Jahr allein etwa 94.000 Tonnen Leichtverpackungen wie Joghurtbecher und Zahnpastatuben. „Das würde bedeuten, dass der Verbraucher fast 10 Prozent aller Verkaufsverpackungen zurück in den Laden bringt. Das ist völlig absurd“, sagte Wiener.

          Brandbrief an die Bundesländer

          Die Branche hat mehrfach versucht, alle dualen Systeme auf gemeinsame Standards zu verpflichten, die der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) ausgearbeitet hat. Die dem BDE-Zertifikat angeschlossenen Unternehmen haben sich einer Prüfung durch einen gemeinsamen unabhängigen Wirtschaftsprüfer unterworfen. Von den zehn dualen Systemen sind aber nur noch vier dabei: der Grüne Punkt, das duale System der Alba Group, Ekopunkt (betrieben von Remondis) und Veolia Dual. BellandVision, das von Sita Deutschland betriebene zweitgrößte duale System, hatte sich schon im Mai verabschiedet.

          Anfang dieser Woche erklärte auch die Kölner Zentek ihren Austritt aus dem Zertifikat. Die übrigen Anbieter hatten sich den gemeinsamen Regeln erst gar nicht angeschlossen. Sie sehen darin eine zu restriktive Auslegung der Verordnung. Das Angebot werde zu Lasten der nachfragenden Hersteller und Händler unnötig stark eingeschränkt, hieß es. Für neuen Aufruhr sorgen die gerade vorgelegten Mengenmeldungen: In einem Brandbrief an die für die Kontrolle zuständigen Bundesländer weisen die Mitglieder des BDE-Zertifikats darauf hin, dass in der Abrechnung mehr als 30.000 Tonnen Leichtverpackungen fehlten. Der finanzielle Schaden belaufe sich auf bis zu 17 Millionen Euro.

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