Andechser Molkerei-Chefin : „Wir müssen Lebensmittel wieder mehr wertschätzen“
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Barbara Scheitz, im Hintergrund Teil der Produktionsstätte mit Milch- und Joghurttanks Bild: Dominik Gierke
Barbara Scheitz führt die größte Bio-Molkerei Europas. Neben dem Fachkräftemangel bereiten ihr auch die Andechser Mönche Kopfzerbrechen.
Ein idyllisches Dorf mit penibel gepflegtem Kern, umgeben von satten grünen Weiden, und gleich um die Ecke der malerische Ammersee. Wer einen Abstecher nach Andechs macht, dürfte sich am Ziel seiner bayerischen Träume wähnen. Obendrein sitzt im Ortsteil Erling die Molkerei Scheitz, und auf dem „heiligen Berg“ thront das weithin bekannte Kloster Andechs. Mehr heile bayerische Welt geht nicht, möchte man meinen. Doch zwischen der größten Bio-Molkerei Europas und den geschäftstüchtigen Mönchen gab es in der Vergangenheit reichlich Zwist.

Redakteur in der Wirtschaft.
Die Molkerei-Chefin und gläubige Katholikin Barbara Scheitz will über die Zeit am liebsten gar nicht mehr sprechen. Dabei war das Verhältnis der Nachbarn bis 2009 eigentlich gut, sie arbeiteten sogar zusammen. Die Molkerei produzierte Klosterkäse für die Mönche, die neben ihrem Kerngeschäft, dem Bier, auch Speck oder Senf vermarkteten. Doch mit einem Abtwechsel im Kloster kühlte sich die Beziehung ab. Erst wurde der Käse-Vertrag gekündigt, dann folgte eine Klage.
Die Mönche störten sich am eingekreisten „R“, dem Zeichen für eine eingetragene Marke, auf den Produkten der Molkerei. Den Begriff „Andechser“ könne diese schließlich nicht für sich beanspruchen. Scheitz wiederum wollte der Abtei verbieten lassen, einen in der Klostergaststätte angebotenen Käse als „Andechser Frischkäsezubereitung“ anzupreisen. Das „R“ steht auf den Verpackungen mittlerweile weiter weg von Andechs, und die Käse-Klage hat Scheitz fallengelassen. Beide Seiten sprechen heute von einer „friedlichen Koexistenz“.
642 Bauern liefern Bio-Milch
Was das Unternehmen angeht, kann Scheitz zufriedener sein. 1908 hatte ihr Urgroßvater eine kleine Käsereiferei gegründet, die dann Vater Georg 1976 zur Molkerei ausbaute. Da der Landwirt auch Wasserreferent der Gemeinde war und sich zunehmend Sorgen um die Wasserqualität machte, fing er 1980 mit fünf anderen Bauern an, Bio-Milch zu produzieren. Die Sparte wurde sukzessive ausgebaut, weiterhin aber konventionell erzeugte Milch verarbeitet. Komplett auf Bio umgestellt hat Scheitz 2009.
Der Fokus war aber schon länger klar. Nicht zufällig sitzt man seit 2007 in der „Biomilchstraße 1“. Die Molkerei nimmt nur verbandszertifizierte Landwirte auf – das Bündel an Vorgaben der Anbauverbände Bioland, Naturland, Naturkreis und Demeter übertrifft die des EU-Biosiegels teilweise deutlich. Scheitz verlangt von ihren Landwirten zudem, nur Futter vom eigenen Hof oder von der Molkerei eigens zertifizierten Futtermühlen zu verfüttern.
Im Jahr 2018 lieferten 642 Bauern aus einem Umkreis von 180 Kilometern 130 Millionen Kilogramm Milch an die Molkerei, der deutlich kleinere Teil davon – 10 Millionen Kilogramm – war Ziegenmilch. Unter der Marke „Andechser Natur“ werden 250 Produkte vertrieben, von Milch über verschiedene Joghurts oder Lassis bis hin zu diversen Käsesorten. Der Umsatz belief sich im vergangenen Jahr auf 166 Millionen Euro, wobei 30 Prozent auf das Produzieren der Bio-Eigenmarken von etablierten Supermarktketten fiel.
Milchlastwagen kommen 365 Tage im Jahr
Während die Käse-Produkte bei einem Partnerbetrieb in Österreich gefertigt werden, dreht sich in der Zentrale alles um Joghurts, Fruchtdrinks oder eben Butter – „die weiße Linie“, wie Scheitz sagt. Die hochmoderne Produktionsanlage mit Milchannahme und diversen Silos samt automatisiertem Hochregallager wirkt wie ein eigenes kleines Dorf am Rande von Erling. 190 Mitarbeiter sind hier beschäftigt. In der Produktion wird in drei Schichten rund um die Uhr gearbeitet, Milchlastwagen kommen 365 Tage im Jahr – Kühe haben bekanntlich keinen Sinn für Weihnachten oder Ostern.