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Middelhoff-Prozess : Vermögensverwalter Esch schweigt

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Josef Esch im Landgericht in Essen - ausgesagt hat er nicht. Bild: dpa

Keine Aussage: Im Middelhoff-Prozess hätte heute Josef Esch aussagen sollen. Er schwieg aber - weil gegen ihn selbst ermittelt wird.

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          Der Vermögensverwalter und Immobilienunternehmer Josef Esch hat im Untreue-Prozess gegen den ehemaligen Arcandor-Chef Thomas Middelhoff die Aussage verweigert. Hintergrund seien Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und ein Untreue-Prozess vor dem Landgericht Köln, in dem Esch auf der Anklagebank sitzt, sagte sein Anwalt Eberhard Kempf am Dienstag vor dem Essener Landgericht.

          Richter Jörg Schmitt bescheinigte Esch, Teil eines „sehr weit reichenden Beziehungsgeflechts“ zwischen Middelhoff, Esch, der Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz und dem Bankhaus Sal. Oppenheim gewesen zu sein. Das Gericht habe „großes Interesse daran, etwas von Herrn Esch zu hören“, aber es gebe keine Verpflichtung zur Aussage.

          Die Ankläger werfen Middelhoff vor, den früheren Karstadt-Mutterkonzern Arcandor mit Privatflügen auf Firmenkosten einen Schaden von rund 945.000 Euro zugefügt zu haben. Unter anderem sei er immer wieder mit dem Hubschrauber von seinem Wohnort Bielefeld zur Arcandor-Zentrale in Essen geschwebt. Genutzt hatte Middelhoff auch die Esch-Chartefluggesellschaft Challenge Air.

          Was Middelhoff alles vorgeworfen wird


            Worum geht es eigentlich bei den Prozessen, in die Thomas Middelhoff verwickelt ist?

            Die Zahl der Zivil- und Strafprozesse, in die der frühere Arcandor-Chef Thomas Middelhoff verwickelt ist, ist kaum noch überschaubar. Im Zentrum steht der Prozess, bei dem Middelhoff in Essen als Angeklagter wegen des Verdachts der Untreue vor dem Landgericht steht. Er soll den Kaufhauskonzern (vor allem) mit Privatreisen geschädigt haben. Daneben war Middelhoff als Zeuge im Strafprozess gegen die frühere Führungsriege der Kölner Bank Sal. Oppenheim am Landgericht Köln vorgeladen, verweigerte aber weitgehend die Aussage. Zu groß war wohl die Gefahr, dass er Munition gegen sich selbst für den Prozess in Essen geliefert hätte.

            Welche finanziellen Forderungen gibt es gegen ihn?

            Gerichtsvollzieher nutzten mehrfach die Anwesenheitspflicht des Managers, um ihn mit Millionenforderungen ehemaliger Geschäftspartner oder des Arcandor-Insolvenzverwalters zu konfrontieren. Die größte Summe verlangt dabei der Karstadt-Insolvenzverwalter: insgesamt knapp 180 Millionen Euro.

            Warum will der Arcandor-Insolvenzverwalter Geld von Middelhoff?

            In einem Fall geht es um Boni, die Middelhoff bei dem Kaufhaus zu Unrecht kassiert haben soll. Das Urteil des Essener Landgerichts, das dem Verwalter 3,4 Millionen Euro zugesprochen hat, liegt derzeit beim Oberlandesgericht Hamm in Berufung. Am Landgericht Hagen hat der ehemalige Manager im Gegenzug einen Mahnbescheid gegen die Insolvenzverwaltung über 120 Millionen Euro beantragt, weil er sich von deren Vorwürfen und Klagen geschädigt sieht. In dem weitaus größeren der beiden Ex-Karstadt/Quelle-Verfahren dreht es sich um 175 Millionen Euro, die der Insolvenzverwalter geltend macht. Hierbei geht es um Sonderboni und Privatflüge. Das Landgericht Essen gab ihm im Juni 2012 allerdings nur in einem kleinen Teil der Vorwürfe recht, bezifferte dessen Ansprüche aber noch nicht. Das Oberlandesgericht Hamm prüft die Berufung dagegen und hat einen Sachverständigen eingeschaltet.

            Wer macht noch Ansprüche gegen Middelhoff geltend?

            Der Unternehmensberater Roland Berger fordert einschließlich Zinsen rund 7,5 Millionen aus einem früheren Gemeinschaftsprojekt mit Middelhoff und dem Investor Florian Manfred Lahnstein (Sohn des früheren SPD-Politikers). Middelhoff hat die Forderungen erst vor einem Notar anerkannt – nun macht er aber Gegenforderungen geltend. Der Immobilienentwickler Josef Esch verlangt Pacht für eine Luxusjacht in Höhe von 2,5 Millionen Euro. In beiden Fällen sind bereits Gerichtsvollzieher eingeschaltet. Und die Bank Sal. Oppenheim, die seine Guthaben von rund 25 Millionen Euro eingefroren hat, will weitere 50 Millionen Euro für Kredite, mit denen Middelhoff wiederum Esch-Fonds gekauft hat. Er kontert mit Forderungen von 200 Millionen Euro. Darüber soll im November in erster Instanz vor Gericht verhandelt werden.

            Und was hat Middelhoff mit den Kirch-Erben zu tun?

            Zu allem Überfluss ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft gegen Middelhoff wegen Verdachts der Falschaussage im Milliardenstreit der Kirch-Erben gegen die Deutsche Bank. Wie fast die gesamte frühere Spitze der Deutschen Bank bis hin zum jetzigen Ko-Vorstandschef Jürgen Fitschen soll er falsch ausgesagt haben.

          Der ehemalige Spitzen-Manager Middelhoff - dieser stand unter anderem bei Bertelsmann und Arcandor am Ruder - sowie Esch teilen aber auch darüber hinaus eine gemeinsame Vergangenheit. Middelhoff hatte Esch Millionen aus seinem privaten Vermögen anvertraut, dieser sollte diese mehren. Jetzt sieht sich Middelhoff falsch beraten durch Esch und fordert Geld zurück. Esch weist die Vorwürfe zurück und stellt seinerseits Forderungen gegen Middelhoff.

          Neben Middelhoff hatte Esch auch die Quelle-Erbin Schickedanz beraten. Schickedanz hatte durch die Arcandor-Pleite weite Teile ihres Vermögens verloren. Der Niedergang Arcandors hatte auch das Bankhaus Sal. Oppenheim in den Abgrund gerissen, das dann von der Deutschen Bank aufgefangen wurde. In Köln sitzen im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen neben Esch auch ehemalige Spitzenmanager des Bankhauses Sal. Oppenheim auf der Anklagebank.

          Die Staatsanwaltschaft Bochum hatte Anwalt Kempf zufolge unter anderem im Jahr 2009 Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Verkauf von Karstadt-Immobilien gegen Esch eingeleitet, auch wurde ein Anwesen des 57jährigen in Troisdorf durchsucht. Die Staatsanwaltschaft sehe ein Geflecht zwischen Esch, Middelhoff, Schickedanz und Sal. Oppenheim. Es sei mit Blick auf das Vorgehen der Staatsanwaltschaft „unklar, wo die Reise hingeht“, sagte Kempf.

          Esch mache deshalb Gebrauch von seinem Recht, die Aussage zu verweigern. Auch vom Angebot des Richters, mit einer Zeugenaussage „Dinge gerade zu rücken“, machte Esch keinen Gebrauch. Zu einem Handschlag der ehemaligen Geschäftspartner Esch und Middelhoff im Gerichtssaal in Essen kam es ebenfalls nicht.

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