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Megaupload : Gemietete Server auf der ganzen Welt

Büro von Megaupload in Hongkong

Büro von Megaupload in Hongkong Bild: dapd

Wie funktionierte die Technik von Megaupload? Das Portal hatte nicht nur ein paar Rechner in einer Hotelsuite in Hongkong stehen, sondern ein großes Netzwerk von Dienstleistern. Ein Server in Virginia wurde zum Verhängnis.

          3 Min.

          Natürlich hat es nach der Verhaftung der Verantwortlichen hinter dem Downloadportal Megaupload im Internet sogleich Verschwörungstheorien gegeben. Wer aber den Eingangsstempel des Gerichts in Alexandria (Virginia) auf der Klageschrift des amerikanischen Staates sieht (schon der 5. Januar) und auf den folgenden Seiten die Dauer der ihr zugrundeliegenden Ermittlungen beachtet, merkt schnell: Mit der aktuellen Diskussion um die amerikanische Gesetzgebung zum Schutz von Urheberrechten im Internet hat der Zeitpunkt der Schließung von Megaupload nichts zu tun.

          Carsten Knop
          Herausgeber.

          Auch im Vorgehen der Behörden gegen Megaupload wurde wenig dem Zufall überlassen. Die Anklageschrift, die im Internet frei zugänglich ist, beschreibt Geschäftsbetrieb und -modell von Megaupload sehr genau. Auch die Frage, warum die amerikanischen Behörden überhaupt für ein Unternehmen mit Sitz in Hongkong zuständig sind, dessen führende Köpfe zum Teil in Neuseeland verhaftet wurden, lässt sich nach der Lektüre des Schriftstücks beantworten. Klar wird danach auch, warum gegen Megaupload nicht schon früher vorgegangen worden ist. Denn die Ermittlungen zogen sich offensichtlich eine Weile hin.

          Vier Prozent des gesamten Internetverkehrs

          Worum geht es? Den in der Anklageschrift als „Mega Conspiracy“ bezeichneten Betreibern von Megaupload um Kim Schmitz (der von den Behörden tatsächlich Kim Dotcom genannt wird) wird vorgeworfen, eine weltumspannende kriminelle Organisation betrieben zu haben, deren Mitglieder Urheberrechtsverstöße und Geldwäsche in großem Stil begangen haben. „Megaupload.com“ zählte nach eigenen Angaben, die in der Klageschrift zitiert werden, mehr als 180 Millionen registrierte Nutzer und im Durchschnitt 50 Millionen Besuche am Tag. Damit war Megaupload für rund 4 Prozent des gesamten Internetverkehrs verantwortlich. Die Nutzer, die entweder für ein Premiumangebot zahlten oder auf eine rein werbefinanzierte Dienstleistung zurückgegriffen haben, konnten beliebige Dateien hochladen, die dann unter einer eindeutigen Adresse (Uniform Resource Locator, URL) für jeden abrufbar waren.

          Ein Verzeichnis mit den verfügbaren Dateien hat die Seite selbst nicht angeboten, entsprechende Listen fanden sich aber - von Megaupload durch ein entsprechendes Anreizprogramm befördert - an zahlreichen anderen Stellen im Internet. Explizit wird in der Klageschrift auch erläutert, dass das von Megaupload angebotene sogenannte „Abuse-Tool“ seinen Zweck nicht erfüllt hat: Darüber konnten Rechteinhaber URLs sperren lassen.

          Netzwerkrechner in verschiedenen Rechenzentren

          Doch gab es bei Megaupload offenbar mehr als eine Internetadresse, die auf eine Datei zeigte, weshalb die Sperrung einzelner dieser Adressen den Rechteinhabern nichts brachte. Die Datei blieb abrufbar, solange es wenigstens eine Adresse gab, die der Rechteinhaber nicht kannte. Die Anklage vermutet dahinter Absicht: Über eine Zeitspanne von mehr als einem Jahr seien in einem bestimmten Fall 36 von 39 Kinofilmen, deren Speicherung zuvor bemängelt worden war, weiterhin verfügbar gewesen.

          Wie hat die Technik funktioniert? Megaupload hatte nicht nur ein paar Rechner in einer Hotelsuite in Hongkong stehen, sondern diverse Netzwerkrechner in verschiedenen Rechenzentren gemietet oder geleast. Das Unternehmen hat der Klageschrift zufolge allein beim amerikanischen Internetprovider Carpathia Hosting rund 25 Petabyte an Speicherplatz genutzt. Der Anbieter soll mehr als 1000 Server für Megaupload in Nordamerika betrieben haben, darunter allein 525 in Ashburn im Bundesstaat Virginia. Zudem betrieb Megaupload nach den Recherchen der Kläger rund 36 Server bei Cogent Communications, einem der fünf größten Internetprovider der Welt mit Rechenzentren in 43 Ländern.

          In Europa hatte Megaupload laut Klageschrift mehr als 630 Server von Leaseweb in Rechenzentren in den Niederlanden, Belgien und Deutschland gemietet. Hinzu kamen 36 im Oktober 2011 gekaufte Server, die ebenfalls bei Leaseweb zu finden waren.

          Warum waren die amerikanischen Behörden überhaupt zuständig? Es waren die gemieteten Server in Virginia, auf denen die Ermittler urheberrechtlich geschützte Inhalte fanden. Damit war die Zuständigkeit klar. Es gab danach 20 Durchsuchungsbefehle in den Vereinigten Staaten und acht in anderen Staaten.

          Und was sagt Megaupload zu den Vorwürfen? Der Anwalt des Unternehmens in den Vereinigten Staaten will sich gegen die Anschuldigungen „energisch“ zur Wehr setzen und versuchen, Zugriff auf die unternehmenseigenen Server zu erlangen, um wieder online gehen zu können.

          Wird von den Behörden tatsächlich Kim Dotcom genannt: Kim Schmitz Bilderstrecke
          Wird von den Behörden tatsächlich Kim Dotcom genannt: Kim Schmitz :

          Kim Schmitz wehrt sich gegen Auslieferung

          Die Luft für die Gründer der Internetseite Megaupload wird dünner: In Europa seien inzwischen zwei weitere der Gesuchten festgenommen worden, erklärte die Staatsanwältin in Neuseeland. Dort steht Gründer Kim Schmitz alias Dotcom vor Gericht. Neben Schmitz kämpfen in Auckland drei weitere Manager der Internetseite - die beiden Deutschen Finn Batato, der Marketingchef, und Mathias Ortmann, der Technikchef, sowie der Niederländer Bram van der Kolk - gegen die von den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden, die ihnen organisiertes Verbrechen, Internetpiraterie und Geldwäsche vorwerfen, geforderte Auslieferung.

          Richter David McNaughton bezeichnete den Fall als zu kompliziert, um die Entscheidung über eine Freilassung gegen Kaution, wie sie die Anwälte der Festgenommenen beantragt haben, sofort fällen zu können. Die Staatsanwältin wies darauf hin, dass bei einer Freilassung extreme Fluchtgefahr bestehe: Schmitz habe dafür nicht nur die nötigen finanziellen Mittel, sondern besitze auch mehrere Identitäten und Pässe und sei zudem schon in der Vergangenheit vor Strafverfolgern geflüchtet.

          Allein bei der Durchsuchung seines Anwesens bei Auckland stellte die Polizei 8 Millionen Dollar in bar sicher. „Das FBI vermutet, dass die eingefrorenen Konten und das sichergestellte Geld wahrscheinlich nicht alle Konten im Ausland von Dotcom sind“, sagte die Staatsanwältin. Bei der Festnahme am Freitag fanden sich in Schmitz Privaträumen drei Brieftaschen mit 45 Kreditkarten und drei Pässe. „Mein Klient sammelt Kreditkarten, die meisten waren abgelaufen“, erwiderte Schmitz’ Verteidiger.

          Schmitz, der am Freitag festgenommen worden ist, fühlt sich fälschlich verfolgt. Sein Verteidiger beschreibt Megaupload als eine Internetseite, die Raum zum Lagern von Daten wie Musik oder Filmen gewähre. Die Besitzer der Rechte an Beiträgen seien stets in der Lage gewesen, alle Sendungen auf der Seite einzusehen. Er verglich Megaupload mit der populären Seite Youtube. Das FBI schätzt hingegen, Schmitz habe mit dem Handel mit Raubkopien allein 2010 täglich rund 115.000 Dollar über sein Unternehmen eingenommen. Die amerikanischen Behörden werfen der Gruppe um Schmitz vor, insgesamt mehr als 175 Millionen Dollar mit dem illegalen Herunterladen vor allem von Musik verdient zu haben.

          Der Wettbewerber Filesonic mit Sitz in Großbritannien und - wie Megaupload - in Hongkong beendete am Montag seinen Dienst zum Tauschen solcher Dateien. Seitdem kann die Internetseite nur noch „zum Herauf- und Herunterladen von Daten genutzt werden, die Sie selbst eingestellt haben“, hieß es auf der Seite. (che.)

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