Schlechte Bedingungen am Markt : Die Fusionsflaute
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Erfolg ungewiss: Cinven liebäugelt mit der Übernahme der Laborkette Synlab. Bild: Weisflog
Die Bedingungen für Übernahmen sind denkbar ungünstig, Finanzinvestoren bleiben in „Lauerstellung“. In diesem schwierigen Umfeld müssen sie zunehmend Kompromisse eingehen.
Inflation, steigende Zinsen und weltpolitische Verwerfungen haben den Fusionsmarkt in Deutschland zum Jahresauftakt weiter geschwächt. Unsicherheit über Geschäftsaussichten und sinkende Bewertungen im Technologiesektor und anderswo erschweren die Preisfindung. Der Kreditanteil an der Finanzierung ist deutlich teurer geworden. Einige wenige große Transaktionen retten das Bild – das wird daraus ersichtlich, dass das Gesamtvolumen der Transaktionen im bisherigen Jahresverlauf viel weniger geschrumpft ist als ihre Zahl. Ein herausragendes Projekt ist der Plan des Softwareanbieters SAP , sein verbliebenes Paket von gut 70 Prozent an der amerikanischen Tochtergesellschaft Qualtrics für 7,7 Milliarden Dollar abzugeben – an den Finanzinvestor Silver Lake und den kanadischen Pensionsfonds CPP.
Der Finanzdatendienstleister Refinitiv rechnet die angekündigten Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions, M&A) mit deutscher Beteiligung zusammen – also solche, in denen der Käufer oder das Übernahmeziel deutsch ist oder beide es sind. Im ersten Quartal summierte sich der Wert bis kurz vor Schluss (Stichtag 23. März) auf 21,5 Milliarden Dollar: minus 12 Prozent im Vergleich mit dem schon mäßigen Vorjahresquartal und der niedrigste Wert eines Auftaktquartals seit 2016. Die Zahl der Deals ging um 42 Prozent zurück. Damit setzt sich der rückläufige Trend des vergangenen Jahres fort. Im Gesamtjahr 2022 war das addierte Volumen um ein Drittel gesunken, allerdings gegenüber einem Ausnahmejahr 2021, das von Nachholeffekten nach der schwersten Corona-Zeit profitiert hatte.
Vor allem als Käufer fallen heimische Unternehmen aus, wie aus der Statistik hervorgeht: Innerdeutsche Deals sanken im Volumen um beinahe zwei Drittel und die Zukäufe deutscher Unternehmen im Ausland um drei Fünftel. Getragen wird das Geschehen also momentan vom Appetit ausländischer Gesellschaften auf hiesige Unternehmen. Dabei enthält die Statistik auch Transaktionspläne, deren Erfolg unsicher ist – so das zweitgrößte Projekt: Cinven erwägt als Großaktionär bei Synlab , die Laborkette zu übernehmen, nachdem er sie erst 2021 an die Börse gebracht hat. Nicht aufgeführt ist dagegen das auffälligste Vorhaben im Markt für Immobiliendienstleistungen. Apleona will den Konkurrenten Gegenbauer übernehmen; Geld fließt offenbar nicht, stattdessen erhalten die Gegenbauer-Gesellschafter Anteile am fusionierten Unternehmen. Die Bewertungen blieben offen.
„Fremdkapitalkosten steigen seit geraumer Zeit“
Mit ihren größten Transaktionen stützen Finanzinvestoren die Statistik – während sie generell durch die stark gestiegenen Finanzierungskosten gebremst werden. Das gilt selbst für das Segment der kleinen bis mittelgroßen Übernahmen. „Wir sind im Moment eher in der Lauerstellung“, sagte DBAG-Vorstandssprecher Tom Alzin diesen Monat im Gespräch mit der F.A.Z. Der Frankfurter Finanzinvestor hält sich mit neuen Beteiligungen daher vorerst bedeckt und rückt Zukäufe für Portfoliounternehmen im Bestand in den Vordergrund – im Branchenjargon „Add-on“-Akquisitionen genannt.
Eine „Lauerstellung“ von Private Equity konstatiert auch die M&A-Kanzlei Cleary Gottlieb. Sie verweist auf zwei Faktoren, die dem Markt andererseits Perspektive geben: zunehmende staatliche Industriepolitik und aktivistische Aktionäre. Erstere zeigt sich etwa darin, dass Deutschland prüft, die hiesige Tochtergesellschaft des niederländischen Netzbetreibers Tennet zu erwerben. Zweitere bringen Großkonzerne in Bedrängnis: Brenntag, Fresenius, Bayer, Deutsche Pfandbriefbank. Mal obstruieren die Aktivisten eine Übernahme, in vielen Fällen fordern sie Ab- oder Aufspaltungen.