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Einstieg vereinbart : Lufthansa kauft sich bei ITA Airways ein

Fast so blau wie der Himmel: eine ITA-Maschine auf dem Flughafen in Rom Bild: Reuters

Die Einigung ist historisch. Nach dem Scheitern von Alitalia beginnt nun der schrittweise Verkauf der Nachfolgegesellschaft ITA. Die Lufthansa erweitert ihre Gruppe, muss ITA aber noch zu Gewinnen führen.

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          Die Deutsche Lufthansa holt die italienische Fluggesellschaft ITA in ihre Markenfamilie. Nach langen Verhandlungen über einen Einstieg bei ITA wurde am Donnerstag eine Vereinbarung geschlossen. Das bestätigten die italienische Regierung und das Unternehmen nach einem Treffen des Lufthansa-Vorstandschefs Carsten Spohr mit dem italienischen Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti in Rom.

          Timo Kotowski
          Redakteur in der Wirtschaft.
          Christian Schubert
          Wirtschaftskorrespondent für Italien und Griechenland.

          Vorgesehen ist, dass die Lufthansa in einem ersten Schritt 41 Prozent der ITA-Anteile über eine Kapitalerhöhung von 325 Millionen Euro erwerben wird und eine Option auf Übernahme aller verbleibenden Anteile zu einem späteren Zeitpunkt erhält. Die italienische Regierung verpflichtet sich ihrerseits zu einer Kapitalerhöhung von 250 Millionen Euro. 

          Spohr sprach in einer Erklärung von einer „Win-win-Situation“ für Italien, ITA und Lufthansa. Eine gestärkte ITA werde den Wettbewerb auf dem italienischen Markt beleben. Giorgetti sagte, ein Knoten sei durchschlagen, die Vereinbarung markiere das Ende eines Weges der nationalen italienischen Gesellschaft mit der Aussicht auf die Integration in einen führenden europäischen Anbieter.

          Beide Seiten betonten Wachstumschancen für die Zukunft. So besteht Einigkeit über einen Entwicklungsplan, der ein Umsatzwachstum von knapp 1,6 Milliarden Euro auf 2,5 Milliarden Euro in diesem Jahr und auf 4,1 Milliarden Euro im Jahr 2027 vorsieht. Die Flotte solle von 71 auf 94 Flugzeuge wachsen, rund 1200 neue Stellen sollten entstehen, sodass die Belegschaft am Ende des Entwicklungsplanes rund 5500 Beschäftigte haben wird. 

          Über den Kaufpreis hatte es bis zuletzt erhebliche Spekulationen gegeben. Allerdings hieß es bei Lufthansa intern stets, der Kaufpreis werde nicht das entscheidende Kriterium sein – zumal der Konzern nach eigenen Angaben am Ende des ersten Quartals Zugriff auf flüssige Mittel von 10,5 Milliarden Euro hatte.

          Gewinne in zwei Jahren angestrebt

          Lufthansa setzt sich das Ziel, binnen zwei Jahren nach Vollzug des Einstiegs die defizitäre ITA zu Gewinnen zu führen. Dieser Zeitraum deckt sich mit dem Zeitplan für den weiteren Anteilszukauf. Der Weg in die Profitabilität soll unter anderem gelingen, indem das Drehkreuz am Flughafen Rom ausgebaut wird. Dort will Lufthansa wie in Frankfurt, München oder Zürich ein Konzept umsetzen, in dem Zubringerflüge Passagiere zu Fernstrecken bringen. In der Lufthansa-Zentrale war man aber nach der Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass das aktuelle ITA-Langstreckenangebot zu klein für ein erfolgreiches Drehkreuzkonzept ist.

          Die Profitabilität soll also über Wachstum erreicht werden. Italien könnte auch zu einem Sprungbrett für Langstreckenflüge auf die Südhalbkugel werden, wo Lufthansa für sich Nachholbedarf sieht. Auf der Hauptversammlung zu Monatsbeginn hatten Aktionäre indes Bedenken geäußert, Lufthansa könne sich mit dem Zukauf der zehnten Marke und einem weiteren Drehkreuz verzetteln. Spohr hielt dagegen: „Die Vielfalt unserer Airline-Gruppe ist keine Schwäche. Im Gegenteil. Sie wird immer mehr zu unserem zentralen strategischen Erfolgsfaktor.“

          Lufthansa setzt darauf, dass Italien schon heute ihr zweitwichtigster Auslandsmarkt nach den USA ist. Herausfordernd wird es indes, im reinen Kurzstreckengeschäft Zuwächse zu schaffen. Billigflieger wie Ryanair und Easyjet hatten über Jahre die Schwäche der einstigen Gesellschaft Alitalia ausgenutzt und sich Führungspositionen in Italien gesichert. Ganz am Ziel ist Lufthansa in Italien ohnehin noch nicht. Auf die Verhandlungen folgt eine weitere zähe kartellrechtliche Phase. Denn der Einstieg in Italien muss noch von Wettbewerbsbehörden freigegeben werden.

          Die EU-Kommission dürfte auf eine genaue Prüfung bestehen, zumal das zuständige EU-Gericht jüngst die Genehmigung der Kommission für das Corona-Rettungspaket für Lufthansa für nichtig erklärt hatte. Der Rivale Ryanair hatte mit seiner Klage Erfolg, in der er vorgebracht hatte, die inzwischen getilgten Hilfen hätten den Wettbewerb verzerrt. Daher richtet man sich bei Lufthansa auf eine mehrmonatige Prüfphase ein. Dass am Ende der Einstieg untersagt wird, gilt als unwahrscheinlich, anders sieht es mit Auflagen aus. So könnte die Abgabe von Startzeitfenstern, Slots genannt, gefordert werden, unter anderem in Rom und am innenstadtnahen Mailänder Flughafen Linate. Dort hätten Lufthansa und ITA mit ihren bisherigen Slots zusammen ein immenses Gewicht.

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