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Aktionärstreffen : Gegenwind für Lufthansa

In Urlaubslaune: Konzernchef Spohr erwartet einen Rekordsommer. Bild: Lufthansa

Auf der Hauptversammlung geraten die Geschäftszahlen zur Nebensache. Aktionäre warnen vor einem wachsenden Markendschungel und kritisieren den Konzern für zu wenig Dialog.

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          So könnten Lobreden beginnen. „Ein erfolgreiches Jahr 2022“, in dem der Vorstand „an seinem gut gewählten Kurs festgehalten“ habe – das bescheinigt Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka der Deutschen Lufthansa auf der Hauptversammlung am Dienstag. Auch Henrik Pontzen von Union Investment sagt, Lufthansa habe von der Erholung des Reisemarkts „stark profitiert“. Doch danach folgt kein Lob mehr, sondern jede Menge Kritik: Es geht um eine aus Sicht von Aktionären unklare Zukunftsstrategie, um Mängel im Kundenservice, eine laut Anlegern zu langsame Veräußerung von Konzernteilen. So will Lufthansa in diesem Jahr einen Minderheitsanteil ihrer Wartungssparte abgeben, um mehr Geld für die Stärkung und Erweiterung des Fluggeschäfts zu erhalten.

          Timo Kotowski
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Der Vorstandschef Carsten Spohr versucht, den Plan zum baldigen Einstieg bei der italienischen Gesellschaft ITA als nächsten Meilenstein darzustellen. Schon heute sei Italien „unser größter Auslandsmarkt nach den USA“. Lufthansa werde noch internationaler. „Das ist aus unserer Sicht im globalen Wettbewerb notwendig.“ ITA soll die zehnte Marke im Konzern werden – neben Lufthansa, Eurowings, Swiss und weiteren. Kritiker sprechen von einem „Gemischtwarenladen“ und einem „Marken-Dschungel“. Spohr sagt, Vielfalt sei keine Schwäche. „Sie wird immer mehr zu unserem zentralen strategischen Erfolgsfaktor.“

          Aktionärstreffen liefert ein skurriles Bild

          Pontzen sieht es anders: „Wir glauben nicht, dass sich die Übernahme der defizitären italienischen ITA für die Aktionäre auszahlen wird.“ Speich sagt, die Bilanz früherer Übernahmen sei „durchwachsen“. Zwar glänze die Schweizer Tochtergesellschaft Swiss, mit der einst übernommenen British Midland wurde Lufthansa aber nie glücklich. Nun geht es um ITA, bis Freitag läuft eine verlängerte Verhandlungsfrist. Doch für das mögliche nächste Kaufobjekt, TAP aus Portugal, kommt die Warnung von Union Investment gleich mit: Man könne sich nicht vorstellen, wie sich noch ein weiterer Übernahmekandidat erfolgreich integrieren lasse.

          Lufthansa

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          Das Lufthansa-Aktionärstreffen liefert ein skurriles Bild. Über die Geschäftszahlen beklagt sich niemand, schließlich hatte Lufthansa 2022 nach der Corona-Krise wieder Gewinn gemacht, fast 800 Millionen Euro. Und für 2023 hat Spohr den umsatzstärksten Sommer in der Konzerngeschichte prognostiziert. Kritik gibt es dennoch viel. Dazu kommt Unmut über Veränderungen an den Vorstandsvergütungen, die Spohr ein Maximaleinkommen von künftig 11 Millionen Euro im Jahr ermöglichen. Und dem Management wird fehlende Bereitschaft zum Dialog bescheinigt – sowohl von Anlegern als auch von Beschäftigten.

          Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit und die Flugbegleitergewerkschaft Ufo beklagen eine „interne Kulturkrise“. Nach der Pandemiekrise ist ihr Eindruck: „In Zeiten, in denen die Mitarbeitenden zusammenrücken wollten, hat sich der Arbeitgeber dazu entschieden, diese auf Distanz zu halten.“ Spohr sagt in seiner Rede, die Beschäftigten hätten den Konzern wieder auf Erfolgskurs gebracht. UFO-Vizechefin Anja Bronstert ist damit nicht zufrieden: „Mit Minimum-Crew maximalen Service zu bieten, funktioniert nur auf dem Rücken der Mitarbeitenden.“

          Kley erhält 90,3 Prozent

          Aktionäre beklagen mehr, dass Lufthansa auch künftig Hauptversammlungen virtuell abhalten will, sehen das als Indiz für wenig Dialogbereitschaft. Ein Anleger fordert gar, den Aufsichtsratvorsitzenden Karl-Ludwig Kley als Versammlungsleiter abzulösen, da der während des virtuellen Aktionärstreffens manche nicht vorab eingereichte Fragen nicht zulasse. Die Sitzung wird unterbrochen, der Aufsichtsrat votiert für die Fortsetzung, zumal das Frageprozedere keine Entscheidung Kleys, sondern eine des Vorstands gewesen sei. Am Ende ist jede siebte abgegebene Aktionärsstimme gegen weitere virtuelle Versammlungen, alle anderen Tagesordnungspunkte finden mehr Zustimmung.

          Als kritisches Thema erweisen sich auch die Aufsichtsratswahlen. Der Lufthansa-Großaktionär und Logistiker Klaus-Michael Kühne erhält für seinen Vertrauten Karl Gernandt einen Posten. Im Vorfeld waren Misstöne bekannt geworden, da Kley Vorbehalte gegen ein zu starkes Vorpreschen nachgesagt wurden. Gernandt stellt sich als künftiger „aktiver Aufsichtsrat“ vor, er wird mit 96,3 Prozent gewählt. Der zur Wiederwahl stehende Kley erhält mit 90,3 Prozent weniger Stimmen. Zuvor hat Deka-Mann Speich die beiden zur Zusammenarbeit gemahnt: „Jegliche Konfrontation schadet nicht nur der Arbeit Ihrer Aufsichtsräte, sondern vielmehr dem gesamten Unternehmen.“

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