Künstliche Intelligenz : Er ist Deutschlands Mister Deep Learning
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Damion Borth ist Abteilungsleiter „Deep Learning“ am Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz (DFKI). Bild: Ullstein
Damian Borth begeistert sich und andere für künstliche Intelligenz. Sein Rat ist gefragt. Ein Porträt.
Heller Flur, mittendrin eine kleine Küchenzeile mit Kaffeemaschine, studentische Mitarbeiter tippen auf ihren Laptop-Tastaturen. Die Türen zu den angrenzenden Büros sind offen, in einem sitzt Damian Borth. Bart, Bluejeans, Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln, freundlich fasziniert – so gibt sich Deutschlands wohl führender Fachmann auf jenem Forschungsfeld der künstlichen Intelligenz, das derzeit besonders angesagt ist: Er ist Abteilungsleiter „Deep Learning“ am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern. Deep Learning umschreibt jene Methode, mit Hilfe derer Computer-Wissenschaftler schlaue Programme erdenken, die in ihrer Funktion ähnlich wie zum Beispiel das menschlichen Gehirn lernen können und entsprechend vielfältige Aufgaben übernehmen sollen.
Wenn deutsche Fondsgesellschaften Mitarbeiter und Kunden über die Chancen künstlicher Intelligenz informieren wollen, laden sie regelmäßig Damian Borth ein. Die deutsche Botschaft in Washington fragte ihn schon um Rat, dem Lenkungsausschuss der Volkswagen-Stiftung gehört er an, und er ist wissenschaftlicher Leiter eines Finanzdaten-Programms der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA). Der Technologiekonzern Alphabet (Google) und die Unternehmensberatung McKinsey haben ihn schon mit Forschungspreisen ausgezeichnet.
„Faszinierender Unternehmergeist“
Und Borth ist ein echtes Eigengewächs. Einer, der zeigt, dass nicht nur amerikanische Spitzenuniversitäten Spitzenleute hervorbringen in diesem Bereich. Borth floh im Alter von sechs Jahren mit seinen Eltern aus dem damals kommunistischen Polen in den Westen, wuchs in Mannheim und Heidelberg auf und studierte Informatik in Kaiserslautern. An der TU dort und am DFKI promovierte er auch. Zwischendrin und danach ging er dann aber doch vorübergehend in die Vereinigten Staaten, zunächst an die Columbia-Universität in New York, dann nach Berkeley, wo er mit Trevor Darrell forschte, einem der beiden Direktoren des Forschungslabors für künstliche Intelligenz dort. Gerade der Aufenthalt im amerikanischen Technologie-Wunderland prägte ihn sehr.
„Es ist dieser Unternehmergeist, der so fasziniert“, erzählt er. Auf dem Bild hinter seinem Schreibtisch sind die Gründer des Halbleiterherstellers Fairchild Semiconductor zu sehen, echte Silicon-Valley-Pioniere in den fünfziger Jahren, denen ihr Wagemut später die Bezeichnung „Verräterische Acht“ (Traitorous Eight) einbrachte. Einer von ihnen war übrigens Gordon Moore gewesen, nach dem das wohl berühmteste Computergesetz benannt ist. „Sie sehen aus wie eine Rockband, oder?“, sagt Borth, wenn er begeistert auf das Bild blickt. In Amerika arbeitet mittlerweile übrigens auch Borths Doktorvater Thomas Breuel. Der wechselte von seiner Professur in Kaiserslautern zunächst zu Google und danach zum Technologieunternehmen Nvidia.
Borth, Jahrgang 1981, ist hingegen in Deutschland geblieben, in der Pfalz, wo er schnell auch im Grünen ist. Überdies könnte er hierzulande kaum einen renommierteren Arbeitgeber finden. Das DFKI ist die größte nicht-gewinnorientierte Forschungseinrichtung auf diesem Feld. Zu seinen Gesellschaftern zählen namhafte Konzerne wie die Autohersteller BMW und Volkswagen, der Zulieferer Bosch oder die Technologieunternehmen Google, Intel, Microsoft, die Deutsche Telekom und SAP.
„Den Rechner müssen Sie sehen“
Besonders stolz ist Borth darauf, dass das DFKI außerdem mittlerweile eine besondere Partnerschaft mit Nvidia eingegangen ist. Das Unternehmen stellt leistungsfähige Rechner her. Jen-Hsun Huang, der Vorstandsvorsitzende, ist einer der großen Helden der Branche momentan, während der jüngsten Consumer Electronic Show in Las Vegas hielt er die Schlüsselrede – ein Auftritt, der früher zum Beispiel dem verstorbenen Apple-Chef Steve Jobs vorbehalten war. Borth kennt Huang. „Der ist wirklich inspirierend.“
Besonders freuen sich Borth und seine Kollegen in Kaiserslautern darüber, dass Nvidia ihnen ein Exemplar seines neuesten Super-Computers zur Verfügung gestellt hat, der DGX-1. Große Rechenleistung ist besonders wichtig für die KI-Forschung, denn es geht darum, gewaltige Datenmengen in überschaubarer Zeit zu verarbeiten, schlaue Programme zu „trainieren“, wie die Fachleute sagen. „Den Rechner müssen Sie unbedingt sehen.“
Borth sagt über seine Forschung und die Rolle des DFKI im Bereich von Deep Learning aber auch: „Wir müssen spannende Nischen besetzen.“ Mit den Milliarden-Dollar-Ressourcen großer amerikanischer Konzerne insgesamt mitzuhalten ist nahezu aussichtslos. Konkret bedeutet das zum Beispiel zweierlei: Borth forscht in einem Projekt darüber, wie Stimmungen erkannt werden können auf Bildern. Sind die Menschen auf einer Straßenszene etwa fröhlich, hektisch oder ängstlich unterwegs oder sieht die Straßenszene verlassen und gefährlich oder gepflegt und bürgerlich aus? Kann ein Computer das ordentlich und schnell erkennen, könnte er Touristen beispielsweise dabei helfen, Sicherheit und Wohlbefinden auf den Stationen ihrer Reise einzuschätzen.
Ein zweites Thema dreht sich um Finanzdaten. Hier ist Borth nicht nur Forscher, sondern auch Unternehmer. Ein Start-up mit dem Namen Sociovestix Labs hat er im Jahr 2012 auf den Weg gebracht, das Büro liegt im DFKI in Kaiserslautern nicht weit von seinem Büro, nur den Flur hinunter.
Borth sieht wegen der jüngsten Fortschritte in der künstlichen Intelligenz eine Schlüsseltechnologie dieses Jahrhunderts. Wie die Elektrizität werde sie ganze Industrien umwälzen. Was in Deutschland fehle, seien ausreichend Fachleute. Die Kapazitäten etwa an den Universitäten seien zu gering und überdies gingen viele Absolventen lieber direkt ins Silicon Valley. „Wir müssen uns in Deutschland noch ein bisschen anstrengen, um nicht überholt zu werden in diesem Bereich“, sagt er.