Lage der Konzert-Branche : Doppelte Kosten, halb leere Konzerte
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Ihre Tour war bestens besucht: Kraftklub-Frontmann Felix Kummer im Dezember in der Frankfurter Festhalle Bild: Tom Wesse
2022 war ein schwieriges Jahr für die Konzertwelt. Während Superstars immer ziehen, tun sich auch etablierte Künstler mitunter schwer. Schnelle Besserung ist nicht in Sicht.
Ein bisschen Ruhe zum Beginn des Jahres kommt Chris Hahne nicht ungelegen. „Wir haben im Januar eine Auslastung von 50 Prozent“, sagt der Tourbus-Vermieter. Früher sei der Monat immer voller gewesen, auch weil man ein bisschen mit dem Preis runtergegangen sei. „Da hat mir die Pandemie gezeigt, dass ich das nicht mehr haben möchte, der Preis ist jetzt fix, und wer ihn nicht zahlen will, fährt eben mit jemand anderem.“ Es sei ohnehin gut, wenn die Leute mal etwas durchatmen könnten. 2022 war stressig genug. Kurzfristige Absagen hier, spontane Zusatzshows, coronabedingte Zwangspausen, gestrandete Busse oder Crew-Wechsel: „Wir haben gefühlt jede Tour fünfmal angepackt“, blickt Hahne zurück.
Das Jahr war geprägt durch ein heilloses Überangebot an Konzerten – mehrfach verschobene Touren kreuzten sich mit länger für das Jahr geplanten und den neu gebuchten. Fast jeder wollte endlich wieder live spielen. Kein Wunder, für viele Musiker sind Konzerte die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle.
Die beiden Unternehmen Rock Coaches und Coach Service , zusammengenommen kommen sie auf 105 Busse verschiedener Größe, sagt Hahne. Das Angebot reicht vom einstöckigen Bus bis zum Doppeldecker in verschiedenen Ausbauvarianten mit bis zu 22 Schlafkojen. Ab Mai sei die Flotte permanent unterwegs gewesen, sagt er. Manche Künstler mussten gar ihre Tour absagen, weil sie schlicht keinen Bus bekamen. Doch das war nur eines von vielen Problemen. Schon die Schwemme an Konzerten hätte sich wohl negativ auf die Kartenverkäufe ausgewirkt. Doch infolge der immensen Kostensteigerungen für Verbraucher wie Musiker, Veranstalter oder Spielstättenbetreiber ergab sich ein wahrer Teufelskreis. Auch von einer Entwöhnung nach der Corona-Zwangspause gerade in der älteren Zielgruppe ist immer wieder die Rede. Schwierige Voraussetzungen für die weit verzweigte Branche, und so viel steht fest: Schnelle Besserung ist nicht in Sicht.
Überangebot dürfte abflauen, viele Probleme bleiben
„Die großen Themen laufen eigentlich immer, zudem gibt es die Hype-Themen, die gerade ein Momentum haben und ebenfalls gut funktionieren, aber die breite Mittelschicht und kleinere Acts stehen teils mit halbierten Kartenverkäufen und verdoppelten Kosten da“, fasst Stephan Thanscheidt, Ko-Geschäftsführer des Tour- und Festivalveranstalters FKP Scorpio, die aktuelle Lage zusammen. Das könne logischerweise nicht funktionieren, „daher wurde zuletzt viel abgesagt, teils auch Shows, auf die man zweieinhalb Jahre gewartet hat“.
Newcomer mussten schon früher oft kämpfen und erst einmal draufzahlen. Doch auch etabliertere Künstler stehen nun mitunter vor komplizierten Entscheidungen. „Viele Acts, die bis zu 1000 oder maximal 2000 Menschen anziehen, sind die Basis unserer vielfältigen Kulturlandschaft“, sagt Thanscheidt, „und ein großer Teil davon hat es gerade sehr schwer, und es wird auch noch schwierig bleiben“.
Solche Einschätzungen hört man vielerorts in der Branche. Gleichzeitig vermeldeten CTS Eventim , Europas größter Ticketing- und Veranstaltungskonzern, und Live Nation , der noch einmal deutlich größere Weltmarktführer aus den USA, anlässlich der jüngsten Quartalsbilanz abermals Rekordzahlen. Ein Widerspruch ist das nur auf den ersten Blick. Denn die Branchenriesen führen nicht nur sehr viele Tourneen besagter immer gefragter Superstars durch. Sie betreiben auch verschiedene große Spielstätten und verdienen über ihre Ticketingplattformen auch bei zahllosen konzernfremden Veranstaltungen über Gebühren mit.