Kontroverse Debatte : Was steckt hinter der Übergewinnsteuer?
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Shell verdient derzeit gut – und muss in Großbritannien bald mehr Steuern zahlen. Bild: Imago
Rüstungskonzerne und Energieunternehmen profitieren von den stark gestiegenen Preisen für ihre Produkte – und machen derzeit mehr Gewinn als sonst. Jetzt ist eine Debatte entbrannt, ob sie dafür eine Sondersteuer zahlen sollen.
Krisen oder Kriege bringen viele Verlierer mit sich. Aber auch Gewinner. In der aktuellen Sprit- und Energiepreisdebatte wird kontrovers über eine mögliche Steuer auf Unternehmensgewinne debattiert, die in Nicht-Krisen-Zeiten vermutlich geringer ausgefallen wären. Fragen und Antworten zu einer solchen Übergewinnsteuer:
Was ist eine Übergewinnsteuer?
Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages beschreibt eine solche Abgabe als eine Steuer, die den über einen „Normalgewinn“ hinausgehenden Gewinn belastet. Was als „Normal“- und was als "Über“-Gewinn gelten soll, kann dabei verschieden berechnet werden, wie der wissenschaftliche Dienst im März 2021 anlässlich der Auswirkungen der Corona-Pandemie erklärte. Meist werden Vergleichszeiträume aus Vorkrisen- oder Friedenszeiten herangezogen und dann Renditen definiert, die in diesen Zeiten üblich waren.
Historische Beispiele für eine „Excess Profits Tax“ gibt es einige: Beispielsweise wurde während der beiden Weltkriege in den USA eine solche Steuer erhoben, aber auch in Großbritannien und Frankreich. Verfolgt wurde damit meist das Ziel, den außergewöhnlich hohen Finanzbedarf des Staates zu decken, aber auch, Gewinne bestimmter Branchen abzuschöpfen, „die entweder aufgrund oder während der Kriege erwirtschaftet wurden und daher als ungerecht empfunden wurden“, wie es beim wissenschaftliche Dienst weiter heißt.
Aktuell wird eine Übergewinnsteuer vor allem in Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine diskutiert, dessen wirtschaftliche Folgen zwar viele Unternehmen vor Probleme stellen, im Rüstungs- oder Energiebereich aber auch deutlich höhere Profite ermöglichen.
In welchen Ländern gibt es derzeit solche Steuermaßnahmen?
In Großbritannien will Finanzminister Rishi Sunak mit einer Ende Mai vorgestellten „Windfall Tax“ rund fünf Milliarden Pfund (rund 5,9 Milliarden Euro) in die Staatskasse spülen und damit Teile eines Entlastungspakets für inflationsgeplagte britische Haushalte stemmen. Öl- und Gaskonzerne wie BP und Shell sollen dafür vorübergehend auf ihre Zusatzgewinne, die auf den starken Anstieg der Öl- und Gaspreise zurückzuführen sind, 25 Prozent Steuern zahlen. Dabei soll es aber für die Unternehmen auch die Möglichkeit geben, ihre Steuerlast zu senken, wenn sie gleichzeitig Investitionen tätigen.
Als „Windfall Tax“ werden Steuern auf Gewinne bezeichnet, die Unternehmen quasi zufällig, also unerwartet zufallen. Auch in Ungarn soll es in diesem und im nächsten Jahr eine Sondersteuer auf Zusatzgewinne durch vom Ukraine-Krieg verursachte Preiserhöhungen geben. Einbringen soll dies zwei Milliarden Euro.
Italien hatte schon im März eine Steuer auf Zusatzgewinne von Energieunternehmen angekündigt. Hier soll die Abgabe bei zehn Prozent auf zusätzlich eingefahrene Gewinne liegen.
Wie ist die Diskussion in Deutschland?
Schon seit längerem gefordert wird eine Übergewinnsteuer von der Linkspartei. Offen dafür zeigen sich aber auch die Grünen. Angesichts der Spritpreisdebatte erklärte Parteichefin Ricarda Lang, dass eine Übergewinnsteuer ein „logischer Schritt“ sei, „wenn die Mineralölkonzerne die derzeitige Krise offensichtlich ausnutzen, um riesige Gewinne zu machen“. Am Samstag nannte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil den Vorschlag „sehr überlegenswert“.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte sich schon Mitte Mai im „Spiegel“ hingegen kritisch geäußert: Eine Übergewinnsteuer „würde auch die Hersteller von Impfstoffen, Wind- und Solarkraftanlagen oder Halbleitern treffen“, argumentierte er. „Die machen Profite, weil sie dank ihres Könnens Knappheiten beseitigen. All denen möchte ich keine Impulse nehmen, mehr zu produzieren.“
Auf die Frage, ob sich die Steuer nicht auf bestimmte Branchen beschränken lasse, warnte Lindner, dass dann „Beliebigkeit“ nach dem Motto drohe: „Dieser Marktteilnehmer ist mir sympathisch und dieser nicht.“ Dafür sei das Steuersystem nicht gedacht.
Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages verweist in seiner Untersuchung auf eine Reihe verfassungsrechtliche Fragen rund um eine Übergewinnsteuer, aber auch darauf, dass der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum habe, der lediglich am Willkürverbot zu messen sei.
Die EU-Kommission gab im März grundsätzlich grünes Licht dafür, dass die Mitgliedstaaten „befristete steuerliche Maßnahmen zu Zufallsgewinnen in Betracht ziehen und ausnahmsweise beschließen können, einen Teil dieser Gewinne für die Umverteilung an die Verbraucherinnen und Verbraucher vorzusehen“. Dabei müssten aber „übermäßige Marktverzerrungen“ vermieden werden.