
Kommentar : Martin statt Professor
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Der VW-Abgasskandal hat gezeigt, welch Unheil ein allzu autoritäres Klima in Unternehmen anrichten kann. Aber wie soll heute ein guter Chef führen?
Es ist kompliziert geworden, ein guter Chef zu sein. Vor allem die jüngeren Mitarbeiter verlangen nach einer ganz anderen Form der Zusammenarbeit. Den Beteiligungsgrad, den sie aus sozialen Medien kennen, wünschen sie sich auch an ihrem eigenen Arbeitsplatz. Die internen Kommunikationsschwierigkeiten, die es rund um den Abgasskandal im Volkswagen-Konzern unter seinem Chef Martin Winterkorn gab, zeigen, wie sehr die Wirklichkeit von diesem Wunsch allzu häufig abweicht. Konkurrenzdruck sorgt in alten Strukturen für Fehlentwicklungen, die teuer werden können, nicht nur finanziell. Doch die Antwort darauf kann nur eine intelligentere Zusammenarbeit in Teams sein, die ihre Kreativität nutzen, um flexiblere, pfiffigere und damit auch wirtschaftlich nachhaltigere Antworten zu geben als der Wettbewerb.
Zu viele Chefs müssen das noch lernen - und sollten sich anschauen, wie es in dem einen oder anderen erfolgreichen Start-up- Unternehmen zugeht. Dafür braucht man gar nicht, wie es derzeit Mode ist, ins Silicon Valley zu reisen. Auch in Deutschland etabliert sich in vielen Regionen inzwischen eine Gründerkultur, die sich durchaus sehen lassen kann. Und ein Schlüssel zum Erfolg sind eben die sozialen Netzwerke, die bürokratischen Strukturen überlegen sind.
Die Netzwerke erstrecken sich über Unternehmen und Branchen hinweg. Sie erleichtern auch den Wechsel der so begehrten „Smart Creatives“, die nicht nur Computerfachleute sein müssen. Von Mauern zwischen Hochschulen, Unternehmen und Verbrauchern halten sie nichts. Gerade diese Mitarbeiter sind wichtig, um das Überleben von Unternehmen in der Welt zu sichern, die politisch unsicherer, strenger reguliert und wettbewerbsintensiver wird.
Die Gewerkschaften haben das Thema längst entdeckt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert deshalb neue Formen der Mitbestimmung, Mechanismen für die soziale Sicherung von freien Mitarbeitern und ein modernes Datenschutzgesetz für Beschäftigte. Auch diese Entwicklungen sind eine neue Herausforderung für die Manager an der Spitze von Unternehmen. Dabei erwartet niemand von Managern, fehlerfrei zu sein. Wer viele Entscheidungen treffen muss, macht dabei Fehler. Zu viele Manager aber haben vergessen, dass diese Feststellung auch auf sie zutrifft. Ein offenes Netzwerk im eigenen Unternehmen wäre ein erster Schritt, um daran etwas zu ändern. Chefs, deren Vorname nicht mehr „Martin“, sondern „Professor“ heißt, wie einst beim VW-Chef, sollten der Vergangenheit angehören.