Kampagnen : Der Flirt der Werbung mit dem Rechtsbruch
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Bundeskanzlerin Angela Merkel wusste diese Werbung aus dem Jahr 2001 für sich zu nutzen Bild: Jung von Matt
Dürfen die das denn? Manch eine Kampagne fällt schon dadurch auf, dass sie die Persönlichkeitsrechte Prominenter berührt. Das ist juristisch riskant - aber enorm wirkungsvoll. Das weiß auch eine Hamburger Werbeagentur.
Die beste Werbung ist eine, die sich von selbst verbreitet. Wenn sich Internetnutzer gegenseitig Spots zusenden und in Blogs oder im Fernsehen auf bestimmte Kampagnen hingewiesen wird, frohlocken Unternehmen und Agenturen: Sie haben es geschafft, mit minimalen Kosten maximale Aufmerksamkeit zu erzeugen. „Die besten Kampagnen waren schon immer solche, die zum Stammtischgespräch wurden. Durch die große Verbreitung der sozialen Netzwerke ist der Stammtisch heute überall und jederzeit“, sagt Jean-Remy von Matt, Gründer der renommierten Hamburger Werbeagentur Jung von Matt. Da die Digitalisierung des Marketings zunehme, würde auch Schockwerbung immer mehr an Bedeutung gewinnen, hat von Matt beobachtet.

Redakteurin in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Besonders hoch sind die Chancen, online und offline eine hohe Aufmerksamkeit zu erzeugen, wenn die Werbung mit dem Rechtsbruch flirtet. Dafür werden häufig tagesaktuelle Themen spontan in Anzeigenmotive verwandelt - nicht selten auf Kosten derer, die gerade im Zentrum der Berichterstattung stehen. Als etwa der gestohlene Dienstwagen von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zum Aufreger in nachrichtenarmer Zeit wurde, reagierte der Autoverleih Sixt prompt: „Versprochen: Nächstes Mal miete ich bei Sixt“, wurde Schmidt auf großflächigen Anzeigen in den Mund gelegt. Schnell fanden sich Anwälte, die die Grenzen der satirischen Werbung überschritten sahen.
Und so scheiterte Lafontaine mit seiner Klage
Hinter der Wahl eines Politikers als prominentem Werbeträger steckt von Seiten der Agenturen und werbenden Unternehmen durchaus Kalkül. „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine Ministerin kurz vor der Bundestagswahl gegen einen Autovermieter klagt“, sagte von Matt, dessen Agentur für die Sixt-Kampagne verantwortlich ist. Mitten im Wahlkampf werde sich die Politikerin davor hüten, noch mehr negative Schlagzeilen zu produzieren. Er sollte recht behalten: Frau Schmidt gehe nicht gegen die Kampagne vor, heißt es im Ministerium. Doch obwohl Jung von Matt provokative Werbung vom hauseigenen Juristen auf die Gefahr einer Klage prüfen lässt, mussten sie auch schon Streitigkeiten vor Gericht in Kauf nehmen.
Zum Beispiel mit Oskar Lafontaine. „Sixt verleast auch Autos an Mitarbeiter in der Probezeit“, hieß der Spruch, der zusammen mit einem durchgestrichenen Foto des damals gerade zurückgetretenen Finanzministers abgedruckt wurde. Doch der Bundesgerichtshof in Karlsruhe als letzte Instanz in Sachen grenzwertiger Werbung zeigte sich in letzter Zeit recht satirekundig - und so scheiterte Lafontaine mit seiner Klage.
Auch in der Wirtschaftswerbung gilt die freie Meinungsäußerung
Einen Image- und Werbewert gestanden die Richter Lafontaine zwar zu. Doch die Werbung erweckte nicht den Eindruck, Lafontaine empfehle das Produkt. Und auch in der Wirtschaftswerbung gilt die freie Meinungsäußerung - wegen des aktuellen Bezugs überwog sie in diesem Fall (Az.: I ZR 182/04), urteilte der erste Senat. Die Richter in diesem Senat entscheiden über die kommerzielle Verwertung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts - es schützt grundsätzlich dagegen, in der Werbung abgebildet, genannt oder zitiert zu werden.
Auch Dieter Bohlen und Ernst August Prinz von Hannover scheiterten in Karlsruhe mit Klagen auf „fiktive Lizenzen“, also Gebühren dafür, dass sie ungefragt als Werbegag herhalten mussten: Die Zigarettenmarke Lucky Strike spielte auf ein mit geschwärzten Passagen verkauftes Buch Bohlens sowie dem Prinzen angelastete tätliche Auseinandersetzungen an. Die „satirisch-spöttischen Werbesprüche“ hätten auch hier nur dazu gedient, die Aufmerksamkeit auf die Werbung zu lenken. An den tatsächlichen Ereignissen, auf die angespielt wurde, habe die Öffentlichkeit ein legitimes Interesse - auch hier überwog daher der Schutz der Meinungsfreiheit (Az.: I ZR 223/05 und I ZR 96/07).