Interne Untersuchung endet : VW schließt den Dieselskandal ab
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VW-Konzernchef Herbert Diess ging in seiner Rede auf die Diesel-Vergangenheit nicht ein. (Archivfoto) Bild: Reuters
Mit dem Vergleich mit Winterkorn und Co. endet bei Volkswagen die interne Untersuchung zur Abgasaffäre. Auf der virtuellen Hauptversammlung spricht Konzernchef Herbert Diess stattdessen über die Zukunft – und setzt ambitionierte Ziele.
Volkswagen betrachtet die interne Aufklärung des Dieselskandals mit dem Schadenersatz-Vergleich mit dem früheren Konzernchef Martin Winterkorn und weiteren früheren Topmanagern als abgeschlossen. Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Jörg Hofmann wies am Donnerstag auf der virtuellen Hauptversammlung von VW darauf hin, dass die nach Aufdeckung des Skandals 2015 zur Abgasaffäre vom Aufsichtsrat beauftragte Untersuchung der Ursachen und Verantwortlichen für den Betrug „die mit Abstand umfangreichste und aufwendigste Untersuchung in einem Unternehmen in der deutschen Wirtschaftsgeschichte“ war. Nach mehr als fünf Jahren „ist diese Untersuchung nun abgeschlossen.“
Auf der Grundlage dieser Ermittlungen, die von der Rechtsanwaltssozietät Gleiss Lutz vorgenommen wurden, beruht der Vergleich. Als Ergebnis der Untersuchung stehe für den Aufsichtsrat fest, dass Winterkorn und der frühere Audi-Chef Rupert Stadler „ihre aktienrechtlichen Sorgfaltspflichten verletzt haben.“ Grundlage sind von Gleiss Lutz festgestellte fahrlässige Pflichtverletzungen.
Schon im Vorfeld der Hauptversammlung hatten mehrere Aktionäre angekündigt, ihre Zustimmung zu dem Entschädigungspaket zu verweigern, weil sie etwa den Umfang der Zahlungen und die Art der Einigung kritisieren. Die Höhe des Schadenersatzes erscheine „auch im Hinblick auf den eingetretenen Schaden und die gezahlten Vergütungen zweifelhaft“, sagte zum Beispiel Ingo Speich von Deka Investment. „Der Dieselskandal wurde aus unserer Sicht bis heute nicht ausreichend aufgeklärt. Der Aufsichtsrat hat zu wenig für Aufklärung und Transparenz getan.“
Die bislang höchsten Schadenersatzzahlungen
Auch Janne Werning von Union Investment kritisierte, Volkswagen habe seine Lektion aus dem Dieselskandal nur halb gelernt. „Bei grüner Elektromobilität nimmt VW eine globale Vorreiterrolle ein“, heißt es in ihrer Erklärung. „Aber die schlechte Corporate Governance ist nach wie vor die Achillesferse des Konzerns.“ Immer wieder wurde in den Fragen von Aktionären auch auf die noch laufenden Verfahren gegen VW und auf den im September beginnenden Strafprozess gegen Winterkorn und andere frühere VW-Manager vor dem Landgericht Braunschweig verwiesen. Zustimmung zum Vergleich galt trotz der Kritik früh als sicher, weil die Haupteigner ihn im Aufsichtsrat bereits abgesegnet haben.
Hofmann sagte auf die Frage eines Aktionärs, dass es nicht im Interesse des Unternehmens liege, den Vergleich jetzt noch nicht einzugehen. „Angesichts der umfassenden Untersuchung der Dieselthematik ist nicht damit zu rechnen, dass sich aus laufenden Verfahren neue Erkenntnisse ergeben“, sagte Hofmann. „Daher sind Aufsichtsrat und Vorstand überzeugt, dass es im Interesse von Volkswagen ist, die Vergleichsvereinbarungen zum jetzigen Zeitpunkt abzuschließen.“ VW hatte sich Anfang Juni mit Winterkorn, Stadler und anderen früheren Managern auf den Haftungsvergleich geeinigt. Die aus Beiträgen von Haftpflichtversicherern und persönlichen Beiträgen der ehemaligen Manager bestehende Gesamtsumme beläuft sich auf gut 288 Millionen Euro. Winterkorn selbst zahlt 11,2 Millionen Euro, Ex-Audi-Chef und -Konzernvorstand Rupert Stadler 4,1 Millionen Euro. Das sind die bislang höchsten Schadenersatzzahlungen in der Wirtschaftsgeschichte.
„Weltmarktführer für E-Autos werden“
„Zwar übersteigt der durch die Dieselthematik entstandene Gesamtschaden von über 32 Milliarden Euro die Beiträge deutlich“, sagte Hofmann. Dieser Schaden sei aber nur zu einem vergleichsweise geringen Teil Winterkorn und Stadler zuzurechnen. Der stellvertretende Aufsichtsratschef, der auch Vorsitzender der IG Metall ist, verteidigte den Vergleich auch mit dem Hinweis, dass das Unternehmen so die Freiheit bekomme, sich mit ganzer Kraft auf die Herausforderungen der Transformation zuzuwenden.
Konzernchef Herbert Diess ging in seiner Rede auf die Diesel-Vergangenheit nicht ein. Er bekräftigte sein Ziel: „Weltmarktführer für E-Fahrzeuge werden.“ 2020 habe „auch einen Wendepunkt in der Bevölkerung“ bei der Elektromobilität markiert. Damals hatte die Bundesregierung mit dem Corona-Konjunkturpaket die Kaufprämie für Elektroautos verdoppelt. „Seitdem sehen wir einen deutlichen Schub in der Elektromobilität“, sagte Diess. Im ersten Halbjahr verkaufte der Konzern 171.000 vollelektrische Autos, doppelt so viele wie im Vorjahr.
Als größte Herausforderung nannte er mit Blick auf den Weg zum autonomen Fahren den Wettbewerb mit den globalen amerikanischen Tech-Größen wie Tesla und Google. Hier will VW mit seiner Software-Sparte Cariad angreifen. „Mit der Cariad wollen wir bis 2030 die führende Software-Alternative zu Tesla und Google entwickeln“, sagte Diess. Den Umbruch hin zu datengetriebenen Geschäftsmodellen sieht Diess als entscheidend an, damit klassische Autohersteller im Wettbewerb mit Tech-Konzernen insbesondere aus den Vereinigten Staaten und Asien künftig mithalten können. „Vor uns steht die größte Transformation seit der Umstellung von Pferdekutschen auf Automobile Anfang des 20. Jahrhunderts.“