Werbung für Ankara : Anbiedern an Erdogans Türkei
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Staatspräsident Erdogan wirbt am Wochenende für das Referendum. Bild: AP
Zahlreiche internationale Konzerne werben für den Wirtschaftsstandort Türkei. Mit ihrem Reklamefeldzug wollen sie vor allem eigene Investitionen retten. Das könnte in Zeiten höchster politischer Anspannung jedoch nach hinten losgehen.
Große Unternehmen aus demokratischen Industrieländern machen in einer Imagekampagne des türkischen Staates gut Wetter für den Wirtschaftsstandort am Bosporus. Die Landeschefs europäischer, amerikanischer und asiatischer Gesellschaften in der Türkei loben das Land in Zeitungsannoncen und Fernsehspots als sicheren, verlässlichen und erfolgversprechenden Investitionsstandort, dem sie auch in Zukunft die Treue halten wollen. Das Vorgehen stößt auf Kritik, weil die türkische Führung seit dem gescheiterten Putschversuch Mitte Juli zunehmend autoritäre Züge erkennen lässt. Zigtausende Personen sind festgenommen, entlassen, enteignet worden. Teile des Parlaments, der Justiz und der Medien wurden kaltgestellt. An diesem Sonntag findet ein Referendum über den Aufbau eines Präsidialsystems statt, das Kritikern zufolge die Gewaltenteilung einschränken und die Macht in der Hand von Staatschef Recep Tayyip Erdogan konzentrieren würde.
Nach Informationen der F.A.Z. beteiligen sich folgende 16 Unternehmen an dem Versuch, das Bild der Türkei in einer Zeit solcher Rückschläge zu verbessern: Nestlé und Novartis aus der Schweiz; Sanofi, Axa, Danone und BNP Paribas aus Frankreich; Glaxo Smith Kline, Vodafone und Unilever aus Großbritannien und den Niederlanden; Ford, General Electric und Fiat Chrysler aus Amerika und Italien; die Sberbank aus Russland; Toyota, Samsung und Hyundai aus Japan und Südkorea.
Ganzseitige Anzeige
In Deutschland lief die Kampagne in der vergangenen Woche an. In einer ganzseitigen Anzeige in der „Zeit“ wirbt der Türkei-Chef von Nestlé, Felix Allemann, auf Englisch: „Die Türkei ist ein phantastischer Ort, um dort zu arbeiten. Mit seiner sauberen Leistungsbilanz („clean Track Record“) hat sie uns noch nie im Stich gelassen.“ In den kommenden Wochen sollen ähnliche Annoncen auch in der F.A.Z., im „Focus“ und im „Stern“ erscheinen. Auf N24 und NTV sind 30 bis 60 Sekunden lange TV-Spots geplant.
International wird es Werbung in der „New York Times“, dem „Wall Street Journal“, in der „Financial Times“, im „Economist“ und anderen renommierten europäischen Medien geben. In einem der Videos preist der Landeschef von Hyundai die Türkei für ihre „Harmonie und ihr Potential“. Sein Kollege von Unilever verspricht: „Wir sind hier seit 100 Jahren und werden sicher noch 100 Jahre bleiben.“ Für Glaxo Smith Kline ist Erdogans Staat „ein Land der Vielseitigkeit, Gastfreundschaft, voll von Möglichkeiten“. Und Mark Fields, der Vorstandsvorsitzende des Autokonzerns Ford, frohlockt, man sei „extrem stolz, Teil der Türkei und seiner Wirtschaftsentwicklung zu sein“.
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Der auf Reputationsmanagement spezialisierte Zürcher Kommunikationsberater Andreas Bantel hält das Vorgehen der Konzerne für einen wilden Ritt: „Wenn man in einer derart heiklen politischen Phase solche Unterstützungsbotschaften publiziert, muss man damit rechnen, in Westeuropa kritisch beäugt zu werden. Insofern setzen diese Unternehmen ihre eigene Reputation aufs Spiel.“ Obgleich die meiste Werbung erst nach der Volksabstimmung in der Türkei erscheine, sehe es „auch dann noch nach einer Anbiederung an einen Autokraten aus“, sagte Bantel. Das möge kurzfristig von Vorteil sein für die weiteren Geschäfte in der Türkei, vor allem wenn es um Staatsaufträge gehe. Aber global betrachtet, könne dieser Schuss letztlich nach hinten losgehen.
„Wahrheit über die Türkei“
Auftraggeber des Reklamefeldzugs sind das türkische Wirtschaftsministerium sowie der Exportverband TIM und der Kammerverband TOBB. Eine TIM-Sprecherin sagte, man wolle damit die „Wahrheit über die Türkei“ und über die „wirkliche Lage des Geschäftslebens“ verbreiten. Leider herrschten im Westen falsche Bilder vor. TIM habe mehr als vierzig Konzerne angesprochen, darunter auch deutsche wie Mercedes und Siemens. Aber kein deutsches Unternehmen sei zur Teilnahme bereit gewesen. Ein Siemens-Sprecher sagte, man sehe keine Notwendigkeit, sich einer Imagekampagne anzuschließen.
Der Schweizer Strafrechtsprofessor und Korruptionsjäger Mark Pieth lobt die deutschen Konzerne dafür, dass sie sich von den Türken nicht haben einspannen lassen: „Damit haben sie Haltung bewiesen.“ Das opportunistische und kurzfristige Kalkül der Unternehmen, die an der Kampagne teilnehmen, werde nicht aufgehen. „Man ist sich bewusst, dass Erdogans autokratische Rezepte zum wirtschaftlichen Absturz des Landes führen“, sagte Pieth. Mit ihrem Einsatz für die Regierung versuchten die Wirtschaftskapitäne verzweifelt, Boden gutzumachen und ihre Investitionen zu retten. Dabei sei klar: „Es wird auf die Dauer nicht attraktiv sein, in der Türkei zu investieren.“ Sich bei Autokraten anzubiedern könne spätestens dann zum Problem werden, wenn diese eines Tages weg seien. „Dann wird man sich an die fragwürdige Haltung der Unternehmen erinnern.“
Auf einer Pressekonferenz zum Start der Werbekampagne Ende März in Istanbul waren die Landesfürsten der Schweizer Konzerne Nestlé und Novartis mit dabei. Nestlé werde in der Zukunft noch mehr in der Türkei investieren, sagte Felix Allemann nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu auf dieser Veranstaltung. Wenn die Türkei ausländischen Investoren weiterhin Anreize gewähre, werde das Land eine noch rosigere Zukunft haben. Auch Peter Catalina (Novartis) versprach, noch mehr zu investieren, „um gemeinsam mit der Türkei zu wachsen“. Die Frage, ob die Teilnahme an der Kampagne für die Konzerne nicht imageschädigend sei, ließen Nestlé und Novartis am Montag unbeantwortet.