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Neue Studie : Industrie 4.0 steigert Produktivität deutlich

Produktivitätsmotor: Die Digitalisierung der Produktionsprozesse könnte der deutschen Wirtschaft einen Schub geben. Bild: dpa

Seit 2007 hat die Arbeitsproduktivität in Deutschland nicht mehr zugelegt. Das soll sich bis 2025 drastisch ändern – sagt eine Studie der DZ-Bank. Hätten die Analysten recht, wäre das eine Wende.

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          Allein die zusätzliche Wertschöpfung durch die Digitalisierung aller Produktions-, Liefer- und Vertriebsketten im Rahmen der sogenannten „Industrie 4.0“ wird der deutschen Wirtschaft bis zum Jahr 2025 einen Produktivitätsschub von 12 Prozent bringen. Zudem wird es durch die Auswirkungen auf lange Sicht zu disinflationären Tendenzen kommen. Das geht aus einer neuen Studie der Research-Abteilung der DZ Bank hervor, die der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorab vorliegt.

          Carsten Knop
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          Durch die Umstellungsprozesse im Rahmen der Industrie 4.0 soll die Massenproduktion hin zu einer automatisierten Herstellung individueller Güter umgestaltet werden. „Im übertragenen Sinne könnte man auch von der Automation einer Manufaktur sprechen. Mit einer solchen Umgestaltung müsste Deutschland trotz seiner im internationalen Vergleich hohen Arbeitskosten auch weniger die Konkurrenz durch die billigere Massenproduktion im Ausland fürchten. Nicht nur einzelne Unternehmen, sondern die gesamte deutsche Industrie würde sich damit neu spezialisieren“, schreiben die Analysten der DZ Bank.

          Fachkräftemangel soll sich verschärfen

          Durch die Abgrenzung von einheitlichen Massenprodukten könnten analog zur Entwicklung während der dritten industriellen Revolution zunächst höhere Preise verlangt und erzielt werden. Auf sehr lange Sicht dürften der technische Fortschritt und die dann auch aus dem Ausland immer stärker werdende Konkurrenz bei dieser Art von individuellen Produkten aber auch bei der Industrie 4.0 für immer moderatere oder sogar zeitweise sinkende Preise sorgen, wird argumentiert.

          Eine derart große Umwälzung der Wirtschaft bleibe auch nicht ohne Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: „Während der voraussichtliche Verlust an Arbeitsplätzen rein zahlenmäßig aufgrund der demographischen Entwicklung relativ einfach zu verkraften wäre, dürfte sich der Fachkräftemangel tendenziell verschärfen“, heißt es in der Studie. Zudem würden insbesondere Routinetätigkeiten wegfallen, wodurch der Druck auf schlecht oder gar nicht ausgebildete Arbeitskräfte zunehmen dürfte. Die Umgestaltung zur Industrie 4.0 sollte daher von umfangreichen Umschulungsmaßnahmen begleitet werden.

          Bild: F.A.Z.

          Angesichts der derzeit zu beobachtenden Zurückhaltung der Unternehmen bei der Investitionstätigkeit bestehe durchaus die Gefahr, dass Deutschland hier den Anschluss verpassen könnte, wird argumentiert. Allerdings verläuft der Prozess einer solchen umfassenden Umgestaltung fließend. Bis zum Jahr 2025 müssten und könnten noch gar nicht alle deutschen Industrieunternehmen hin zur Industrie 4.0 umgeschwenkt haben. Kleinere Mittelständler dürften dabei länger abwarten als große Industrieunternehmen. Wenn sich aber die ersten erfolgversprechenden Ergebnisse zeigen, werden auch diese letztendlich auf den Zug zur vierten Stufe der industriellen Revolution springen.

          Fast 12 Prozent Steigerung bis 2025

          Berücksichtige man sowohl die merkliche Steigerung der Bruttowertschöpfung als auch die Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt, lasse sich eine Veränderung der Produktivität schätzen, glauben die Analysten der Bank. Nach ihren Berechnungen dürfte die Produktivität der deutschen Wirtschaft allein wegen der zusätzlichen Wertschöpfung insgesamt um immerhin fast 12 Prozent bis zum Jahr 2025 steigen. Ein eventuelles Wirtschaftswachstum bleibe bei dieser Rechnung sogar noch unberücksichtigt. Hätten die Analysten recht, wäre das eine spannende Wende: Da die Arbeitsproduktivität in Deutschland seit dem Jahr 2007 insgesamt nicht mehr zugelegt hat, käme ein derartiger Produktivitätsgewinn durch die Umstellung zur Industrie 4.0 der deutschen Wirtschaft sehr gelegen.

          In der chemischen Industrie, im Maschinenbau und bei den Herstellern von elektrischen Ausrüstungen könnten die Wertschöpfungssteigerungen nach Meinung der Bank sogar bis zu 30 Prozent betragen. In diesen Branchen sei der Anreiz für eine baldige Einführung der Industrie 4.0 somit besonders hoch.

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          Lohnniveau könnte steigen

          Beim Blick auf die Preisentwicklung wiederum lasse sich die Entwicklung aus der vorangegangenen industriellen Revolution nicht vollständig übertragen. Zum einen sei die Inflation nicht zuletzt wegen der niedrigen Ölpreise derzeit auf einem wesentlich geringeren Niveau als vor 45 Jahren. Zum anderen sei es damals darum gegangen, immer mehr Güter zu immer geringeren Kosten zu produzieren. Eine solche Massenproduktion aber sei gerade nicht das Ziel der Industrie 4.0. Außerdem dürften die höhere Arbeitsproduktivität und die Umgestaltung der Arbeitswelt weg vom Fließband sowie hin zu Nicht-Routinetätigkeiten und zu Dienstleistungen wie der Informations- und Kommunikationstechnik erst einmal zu einem tendenziell steigenden Lohnniveau führen.

          Dementsprechend werden nach der Erwartung der DZ Bank disinflationäre Tendenzen im Gegensatz zur dritten industriellen Revolution erst in späteren Phasen der Industrie-4.0-Umsetzung zu beobachten sein: also erst dann, wenn schon ein beträchtlicher Teil der Fertigung auf die neue, vollständig vernetzte Produktionstechnologie umgestellt wurde und die immer stärker automatisierte Fertigung von individuellen Gütern erste „economies of scale“, also sinkende Grenzkosten, zeige.

          „Auf sehr lange Sicht über das Jahr 2025 hinaus könnte dies lediglich moderate Preissteigerungen oder sogar sinkende Preise nach sich ziehen“, heißt es in der Studie. Der technische Fortschritt und die bis dahin zum Teil schon abgeschriebenen Investitionen dürften zusammen mit der dann auch aus anderen Industrie-4.0-Ländern zunehmenden Konkurrenz zu solchen preissenkenden Tendenzen führen.

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