Im Gespräch: Rüdiger Grube : „Ein Ausstieg aus Stuttgart 21 ist keine Option“
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Rüdiger Grube Bild: Gyarmaty, Jens
Der neue Stuttgarter Bahnhof wird teurer als geplant. Das Projekt wachse der Bahn trotzdem nicht über den Kopf, versichert der Vorstandsvorsitzende der Deutsch Bahn AG im F.A.Z.-Interview. Für die Mehrkosten sei zum Teil die Bürgerbeteiligung verantwortlich, zum Teil habe die Bahn sie selbst verursacht.
Herr Grube, der Bahnhof „Stuttgart 21“ wird offenbar viel teurer als gedacht. Statt von 4,2 ist nun von rund 6 Milliarden Euro die Rede. Wächst der Deutschen Bahn das Projekt über den Kopf?
Nein, „Stuttgart 21“ wächst uns nicht über den Kopf. Allerdings müssen wir die Kosten auf den aktuellen Stand bringen und werden dies am Mittwoch dem Aufsichtsrat darlegen. Die letzte Kalkulation stammte von 2009. Seitdem hat sich einiges getan - Proteste, Schlichtung, Stresstest, Volksabstimmung.
Sie sagen, die Mehrkosten resultieren aus der verstärkten Bürgerbeteiligung?
Zum Teil. Die Mehrkosten haben auch mit den Verzögerungen zu tun, die sich aus den Protesten gegen das Vorhaben ergeben. Die sind erheblich, wenn man das mit sonst üblichen Bauverzögerungen vergleicht - und das können wir, denn wir sind zurzeit an gut 2800 Infrastrukturprojekten beteiligt. Die Mehrkosten haben auch mit zusätzlichen Wünschen der Projektpartner zu tun. Und auch wir als Bauherr haben Fehler gemacht.
Wie groß sind die Fehler der Bahn?
Die Details unserer neuen Kalkulationen werden wir - wie gesagt - am Mittwoch dem Aufsichtsrat präsentieren.
Ist der Ausstieg eine Option?
Nein. Wir stehen zu „Stuttgart 21“, wir werden diesen Bahnhof bauen. Ein Ausstieg ist schon rechtlich nicht möglich, wir haben eine Ausführungsverpflichtung.
Übernimmt die Bahn die Mehrkosten?
Die Antwort auf diese Frage diskutieren wir mit dem Aufsichtsrat und nicht über die Medien.
Wird Ihnen „Stuttgart 21“ die Bilanzen der nächsten Jahre verderben?
So würde ich das nicht sagen. Die zusätzlichen Belastungen verteilen sich ja über viele Jahre.
Der Vorstand arbeitet jetzt seit dreieinhalb Jahren skandalfrei zusammen. Bringt „Stuttgart 21“ zum ersten Mal ernsthaft Unruhe in Ihre Mannschaft?
Es ist ja nicht so, dass wir nicht schon früher gemeinsam schwierige Situationen aushalten mussten. Das hat uns zusammengeschweißt, und wir stehen auch jetzt beim Thema „Stuttgart 21“ zusammen.
Worüber streiten Sie im Vorstand?
Selbstverständlich diskutieren wir über „Stuttgart 21“ auch. Aber das haben wir schon bei Preiserhöhungen und vielen anderen Themen getan. Wir sind doch kein Gremium von Jasagern.
Lassen sich nach den Erfahrungen in Stuttgart und dem Berliner Hauptstadtflughafen in Deutschland überhaupt noch Großprojekte realisieren?
„Stuttgart 21“ und der Flughafen BER lassen sich gar nicht vergleichen. BER ist quasi fertig. Da kommen jetzt die Probleme hoch. In Stuttgart sind wir in einem anderen Stadium, fast 10 Jahre vor der Inbetriebnahme. Wir wollen hier von Anfang an Kostentransparenz. Das ist auch meinem Kollegen Volker Kefer, der für Infrastruktur verantwortlich ist, ein sehr wichtiges Anliegen. Im Übrigen denke ich schon, dass wir in Deutschland weiter Großprojekte bauen werden. Wir müssen es nur anders machen als früher. Ohne eine sehr frühe, umfassende Beteiligung der Bürger wird es nicht mehr gehen.
Sie haben die Auswirkungen der Stuttgarter Mehrkosten auf die Bilanz heruntergespielt. Geht es der Bahn so gut?
2012 war ein sehr gutes Jahr für uns, was Umsatz und Ergebnis angeht. Das Geschäft ist bisher noch besser gelaufen als 2011. Wir erwarten, dass es nächstes Jahr weiter aufwärtsgeht. Aber: Die Unsicherheiten in der Welt sind groß. Keiner kann sagen, wie es in der Euro-Krise und mit der Weltkonjunktur weitergeht. Ich empfinde das als Zeitenwende: Früher haben wir in den Unternehmen längerfristig planen können. Heute wissen wir nicht, was im nächsten Vierteljahr passiert. Die Deutsche Bahn ist aber nach wie vor gut aufgestellt. Wir sind die einzige Bahn in Europa, die über ein AA-Rating verfügt, deshalb können wir uns am Kapitalmarkt günstig finanzieren. Immerhin nehmen wir rund 2 bis 2,5 Milliarden Euro jährlich an Anleihen auf. Würden wir heruntergestuft, kostete uns das einen dreistelligen Millionenbetrag.
Aus den Höhen des Kapitalmarktes wieder herunter auf den Bahnsteig: Seit dem vergangenen Wochenende herrscht Winter. Wie läuft Ihr Betrieb?
Wir sind deutlich besser vorbereitet als früher, mit mehr beheizten Weichen, mehr Abtauanlagen und mehr Mitarbeitern, die Schnee räumen. Insgesamt bin ich ganz zufrieden mit dem Wochenende, aber der Winter fängt ja erst an. Kein Grund also zur Selbstzufriedenheit.