Hochtief-Chef Lütkestratkötter : Lü, der Baumeister
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„Schade, dass ich nicht auf Spanisch fluchen kann”: Herbert Lütkestratkötter Bild: Helmut Fricke
Herbert Lütkestratkötter, der Chef von Hochtief, kämpft für die Unabhängigkeit des Konzerns. Er kann stur sein, wenn es sein muss. Und schlachterprobt ist er auch.
Es ist kalt in Essen, nachts fröstelt es schon. Nichts für Spanier. Haut ab, sagen auch die Plakate in den Fenstern der Hochtief-Zentrale. Sie zeigen das Kürzel ACS für den angreifenden spanischen Baukonzern, einen Totenkopf und Sätze wie „Wir lassen uns nicht ausplündern.“ Der Betriebsrat hat das aufgehängt mit wohlwollender Billigung des Vorstandes. Selten standen die Angestellten und ihr oberster Chef Herbert Lütkestratkötter so eng zusammen wie jetzt. Die Arbeitnehmervertreter wollen sogar jetzt vor der Zeit seinen Dienstvertrag um fünf Jahre verlängern.

Wirtschaftskorrespondent in Washington.
Einer Hoffnung sollte sich Florentino Pérez, Chef des spanischen Baukonzerns Grupo ACS, deshalb lieber nicht hingeben. Dass sein Widersacher die Waffen strecken könnte, wenn er nur eine einzige Kugel in seinem Magazin wähnt. Solange der Ingenieur mit dem schwerverdaulichen Nachnamen Hoffnung hat, die Hochtief-Übernahme durch den spanischen Großaktionär ACS abwenden zu können, wird er kämpfen.
Dr. Lü nennen alle im Hochtief-Haus den Chef. Das ist praktisch, meistens nett und gelegentlich despektierlich gemeint. Der Mann schläft in diesen Tagen nicht gut, und sechzig Jahre alt ist er ja auch schon. Aber im letzten Jahr lief der langjährige Hobbyläufer den Marathon so schnell wie noch nie in seinem Leben: rund um den Essener Baldeneysee in 3 Stunden und 32 Minuten. Die 3-Stunden-30-Minuten-Schwelle wird auch noch geknackt. Münsterländer können zäh sein, sie müssen nicht mit dem Kopf durch die Wand, sie können aber bei Bedarf.
Und wenn ihn die Unruhe morgens in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett treibt, dann schnallt er sich eben sein Grubenlicht um die Stirn, packt Handy und ein Diktiergerät ein, zieht Laufschuhe an und galoppiert durch Essens Grün. Brave Fußgänger, denen in der Morgendämmerung ein wackelndes Licht begegnet, das Selbstgespräche zu führen scheint, müssen sich nichts Schräges denken. Hier produziert der Vorstandsvorsitzende der Hochtief AG laufend Ideen.
Er hat schon lange mit der Attacke gerechnet
Gut wäre jetzt mal eine, mit der man den Spaniern Paroli bieten könnte. Angreifer suchen immer nach schwachen Punkten beim Gegner. Bei Hochtief ist es der Börsenkurs. Er kommt nicht in Schwung, obwohl der Konzern in den schlimmen Jahren der Weltwirtschaft stetig seinen Gewinne steigert und bald vor Steuern eine Milliarde Euro erwirtschaften will. Ein Ansatzpunkt für feindliche Investoren ist die große australische Tochtergesellschaft Leighton. Die 55-Prozent-Beteiligung wirtschaftet, von Hochtief reichlich gepäppelt, zurzeit besonders erfolgreich. Sie ist an der australischen Börse notiert und dort inzwischen mehr wert als die Mutter. Da liegt die Idee nahe: Hochtief übernehmen, Leighton herausbrechen und verkaufen.
Deshalb hatte Dr. Lü schon lange mit einer Attacke gerechnet. Die australische Investmentbank Macquarie hatte Ambitionen, andere Finanzinvestoren standen ebenso im Verdacht. Nur auf einen wäre der Ingenieur nicht gekommen: auf Actividades de Construcción y Servicios (ACS) in Person von Florentino Pérez. Denn der Mann selbst bestätigte ihm regelmäßig freundlich, sein Interesse beschränke sich auf jene 29,98 Prozent, die man schon halte. Nicht mehr.
Er hat schon andere Schlachten geschlagen
Dann wünschen ihm die Spanier in der letzten Aufsichtsratssitzung noch einen schönen Urlaub, ohne sich irgendetwas anmerken zu lassen. In der österreichischen Berghütte benachrichtigt ihn dann das Blackberry, dass Spanier vor Essen stehen. Vier Sprachen beherrscht Dr. Lü, aber auf spanisch fluchen kann er leider nicht, was er bedauert. Dr. Lü hat einen geharnischten Brief an Pérez geschrieben, der noch in der selben Nacht beantwortet wurde: Er könne die Enttäuschung verstehen, mailte der Spanier zurück. Er komme, wann immer gewünscht. Doch erst einmal will man die Spanier lieber fernhalten. Und zwar mit aller Macht.
Persönliche Enttäuschungen gehören zum Business. Ein früherer Chef der wichtigen australischen Konzerntochter macht offenbar gemeinsame Sache mit dem Gegner. Man versucht, den Hochtief-Vorstand zu entzweien und die wichtigsten Kunden zu agitieren. Beleidigtsein ist trotzdem nicht die Quelle seiner Widerstandskraft. Natürlich weiß Dr. Lü, dass „feindliche Übernahme“ nichts weiter als ein technischer Begriff ist, der ausdrückt: Die Aktienkäufer haben das Management ihres Übernahmeziels nicht eingeweiht. Dr. Lü hätte genauso gekämpft, wenn die Spanier ihn früh eingeweiht hätten. Eine Übernahme zu den von den Spaniern vorgeschlagenen Bedingungen empfindet er als frech. Acht Aktien der ziemlich verschuldeten Spanier gegen fünf Aktien des schuldenfreien Konzerns aus Essen.