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Größter Medienkonzern Europas : Bertelsmannchef Ostrowski gibt erschöpft auf

Der alte und neue Chef von Bertelsmann: Ostrowski (links) geht, Rabe übernimmt zum Jahreswechsel den Vorstandsvorsitz

Der alte und neue Chef von Bertelsmann: Ostrowski (links) geht, Rabe übernimmt zum Jahreswechsel den Vorstandsvorsitz Bild: dpa

Unerwarteter Wechsel: Er habe nicht mehr die Kraft, um Bertelsmann noch länger zu führen, soll Ostrowski gesagt haben. Nachfolger wird Finanzvorstand Rabe.

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          An der Spitze von Europas größtem Medienkonzern kommt es vollkommen unerwartet zu einem Wechsel. Hartmut Ostrowski gibt den Vorstandsvorsitz der Bertelsmann AG Anfang 2012 an seinen bisherigen Finanzvorstand Thomas Rabe ab. Ostrowski wechselt zum gleichen Zeitpunkt in den Aufsichtsrat, wird dort aber nicht den Vorsitz übernehmen. „Der Wechsel erfolgt freundschaftlich und einvernehmlich“, teilte das Unternehmen am Montag im Anschluss an eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung mit.

          Johannes Ritter
          Korrespondent für Politik und Wirtschaft in der Schweiz.

          Nach Angaben aus der Firmenzentrale in Gütersloh hat der erst 53 Jahre alte Ostrowski aus persönlichen Gründen darum gebeten, seinen noch bis Ende 2012 laufenden Vertrag vorzeitig zu beenden. Er habe nicht mehr die Kraft, um Bertelsmann noch länger zu führen, soll Ostrowski gegenüber Vertrauten gesagt haben. Nach interner Lesart sieht sich der gebürtige Bielefelder als burn-out-gefährdet an. Er fühle sich nicht mehr voll belastbar, hieß es.

          Gruppenbild bei Bertelsmann: Markus Dohle (von links), Finanzvorstand Thomas Rabe, Vorstandsvorsitzender Hartmut Ostrowski, Bernd Buchholz, Gerhard Zeiler und Rolf Buch
          Gruppenbild bei Bertelsmann: Markus Dohle (von links), Finanzvorstand Thomas Rabe, Vorstandsvorsitzender Hartmut Ostrowski, Bernd Buchholz, Gerhard Zeiler und Rolf Buch : Bild: APN

          Von außen zu erkennen war dies zuletzt nicht. Noch Mitte September empfing er entspannt und gut gelaunt seine Gäste auf dem alljährlichen Bertelsmann-Medienfest in Berlin, unter ihnen auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ende August äußerte er sogar öffentlich die Erwartung, dass sein Vertrag verlängert werde: Er gehe davon aus, dass er bis zum 60. Lebensjahr (das ist die im Konzern übliche Grenze) Vorstand bleibe, sagte Ostrowski in ein Telefonkonferenz aus Anlass der Vorlage der Halbjahreszahlen.

          Genau jene Zahlen gaben auch keinen Anlass, an einer weiteren Amtszeit zu zweifeln. Zu Bertelsmann gehören der Fernsehkonzern RTL, der Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr, der Buchverlag Random House und der Medien- und Druckdienstleister Arvato. Zusammen bringen es diese Unternehmen auf einen Umsatz von fast 16 Milliarden Euro. Im ersten Halbjahr erzielte der Konzern eine Umsatzrendite vor Zinsen und Steuern von 10,3 Prozent. Dieses Ergebnis ist zwar vor allem der bärenstarken RTL-Gruppe zu verdanken, es spiegelt aber auch den ertragsfördernden Konsolidierungskurs, den Ostrowski und seine Mannschaft im Krisenjahr 2009 eingeschlagen hatten.

          In einem Brief an die Mitarbeiter bedauerte der Aufsichtsratsvorsitzende Gunter Thielen die Rückzugsentscheidung: Ostrowski habe für Bertelsmann Außerordentliches geleistet. Thielen erinnerte an die Erfolge, die Ostrowski in seiner Zeit als Arvato-Chef gefeiert habe. „Er hat Bertelsmann in Zeiten großer wirtschaftlicher Unsicherheit durch die Krise geführt. Die Verschuldung konnte in seiner Amtszeit auf das Zielniveau zurückgeführt werden.“ Ostrowski hatte Anfang 2008 den Vorstandsvorsitz von Thielen übernommen. Und schon damals gab es Gerüchte, dass auch Thomas Rabe für dieses Amt infrage gekommen wäre.

          Der heute 46 Jahre Manager war damals zwar erst zwei Jahre Finanzvorstand bei Bertelsmann, hatte aber schon eine große Feuertaufe bestanden: Auf Geheiß der Eigentümerfamilie Mohn mobilisierte er 4,5 Milliarden Euro für den Rückkauf eines Viertels der Bertelsmann-Aktien. So sehr dies den Konzern über Jahre strangulierte - bei der mächtigen Familiensprecherin Liz Mohn, der Witwe des Unternehmenspatriarchen Reinhard Mohn, hatte er seither einen Stein im Brett. Auch ihr Sohn Christoph Mohn, der vermutlich Mitte kommenden Jahres den Aufsichtsratsvorsitz übernimmt, hält große Stücke auf Rabe, der sich in den vergangenen Jahren über das Finanzressort hinaus als strategischer Denker profiliert hat. Die Gunst der Familie verlor der gebürtige Luxemburger auch dann nicht, als er offen mit einem Wechsel liebäugelte. Aus dem Wechsel an die Spitze von Pro Sieben Sat. 1 oder dem Duisburger Mischkonzern Haniel wurde jedoch nichts. Jetzt hat er sein Ziel erreicht, nach vielen Jahren als Finanzchef endlich eine Nummer-1-Position zu übernehmen.

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