Finanzaffäre : Ghosn und Nissan kaufen sich in Amerika frei
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Das Logo von Nissan Motors in der Unternehmenszentrale in Yokohama. Bild: AFP
Der früher mächtige Automanager Carlos Ghosn und Nissan Motor zahlen 16 Million Dollar, um in Amerika Vorwürfe des Wertpapierbetrugs beizulegen. Der Bericht der Aufsichtsbehörde zeigt pikante Details der gegen Ghosn auch in Japan erhobenen Vorwürfe.
In einer ersten rechtlichen Aufarbeitung der Finanzaffäre um den früheren Nissan-Chef Carlos Ghosn zahlen Nissan, Ghosn und der frühere Nissan-Direktor Greg Kelly insgesamt 16 Millionen Dollar an die amerikanische Wertpapieraufsicht Securities Exchange Commission (SEC). Damit legen die drei Beschuldigten Vorwürfe der SEC bei, dass sie in den Finanzberichten in den Finanzberichten Nissans das Gehalt des früheren Chefs Ghosn um 140 Millionen Dollar zu niedrig ausgewiesen hätten. Mit der Zahlung erkennen die drei Beschuldigten keine Schuld an noch verneinen sie diese. Die in Japan laufenden Verfahren werden insofern durch die Einigung mit der SEC nicht berührt.
Nissan zahlt für die Einstellung der Untersuchungen durch die SEC 15 Millionen Dollar, Ghosn 1 Million Dollar und Kelly 100.000 Dollar. Mit der Einigung akzeptiert der 65 Jahre alte Ghosn zugleich ein Verbot, wonach er in den kommenden zehn Jahren keine Spitzenposition in einem amerikanischen Unternehmen übernehmen darf. Ghosn wurde im November 2018 in Tokio direkt nach der Ankunft auf dem Flughafen festgenommen und ist des Wertpapierbetrugs und der Veruntreuung angeklagt. Er bestreitet die Vorwürfe.
Ghosn war fast 20 Jahre lang der führende Kopf der internationalen Autobauerallianz von Renault, Nissan und Mitsubishi Motors, bis er im Zuge der Vorwürfe gegen ihn seine Spitzenpositionen verlor. Er selbst spricht von einer Verschwörung und zieht einen Zusammenhang zu den Bemühungen mancher Manager von Nissan, den französischen Einfluss am Hauptsitz in Yokohama nicht zu groß werden zu lassen. In Tokio wird erwartet, dass das Verfahren gegen Ghosn erst im kommenden Frühjahr beginnen wird.
Zusatzgehälter in Höhe von 94 Millionen Dollar
Die Einigung in Amerika, die sich nur auf den Vorwurf des Wertpapierbetrugs bezieht, legt bislang unbekannte Details der Vorwürfe gegen Ghosn offen. Der SEC-Bericht zeigt einen Spitzenmanager, der mit Fälschungen und am Verwaltungsrat vorbei sich Einkommen zuschiebt, ohne dies gemäß den japanischen Regeln offen zu legen. Die genannten 140 Millionen Dollar Gehalt, die Ghosn so erlangt haben soll, sollten erst nach seiner Pensionierung ausgezahlt werden. Doch Nissan wies die Ansprüche in seinen jährlichen Finanzbericht nicht aus und habe so Anleger in die Irre geführt, wertete die SEC. Der amerikanische Jurist Kelly, der als Vertrauter Ghosns im Verwaltungsrat des japanischen Autobauer saß, soll die Finanztricksereien gedeckt haben. Auch der 62 Jahre alte Kelly bestreitet die Vorwürfe gegen ihn.
Nach dem Bericht der SEC genehmigte Ghosn sich in den Geschäftsjahren 2009 bis 2017 ein Zusatzsalär von insgesamt 9,3 Milliarden Yen oder 94 Millionen Dollar. Das war noch ein wenig mehr als die 9 Milliarden Yen, die dem Manager in den Jahren offiziell gezahlt wurden. Die zusätzlichen Zahlungen sollten nach seiner Pensionierung als Beratungshonorar gezahlt werden. Dies wurde in zwei Briefen von 2011 und 2013, die von Ghosn und einem anderen Nissan-Mitarbeiter unterzeichnet wurden, festgelegt.
Auch Ghosns Nachfolger musste gehen
Darüber hinaus soll Ghosn nach dem Bericht der SEC seine Pensionsansprüche an Nissan durch eine nachträgliche Änderung um insgesamt 50 Million Dollar aufgebläht haben. 20 Millionen Dollar erlangte er angeblich dadurch, dass er sich nachträglich zugestehen ließ, die Ansprüche in Yen oder Dollar auszahlen zu lassen. Zugleich soll Ghosn eine Neuberechnung früher festgelegter Pensionsansprüche speziell für ihn, nicht aber für andere Direktoren veranlasst haben. Gegenüber Nissans Finanzchef soll dies mit der Korrektur eines früheren Rechenfehlers begründet worden sein.
Die amerikanische Wertpapieraufsicht erhebt nach ihren Recherchen ferner den Vorwurf, dass Ghosn und seine Vertrauten erwogen hätten, die zusätzlichen Einkommen über zwei mit Nissan verbundene Unternehmen in den Niederlanden, darunter Renault-Nissan BV, auszahlen zu lassen. Dazu kam es aber nicht. Ein Unternehmen in den Niederlanden, das vorgeblich der Beteiligung an Startups dienen sollte, soll extra zu diesem Zwecke gegründet worden sein.
Für die rechtliche Aufarbeitung des Falls in Japan ist unter anderem entscheidend, dass Nissan Ghosn das Recht eingeräumt hatte, sein eigenes und die Gehälter der anderen Spitzenmanager zu bestimmen. Ghosn hat indes bestritten, dass er künftige Finanzansprüche gegenüber Nissan habe. Unklar ist, ob und inwieweit andere Spitzenmanager von Nissan in künftige Einkommenszusagen an Ghosn eingebunden waren. Nissan ist wegen der fehlerhaften Finanzberichte in Tokio gleichfalls angeklagt. Das Unternehmen kooperiert aber mit der Staatsanwaltschaft, um die Vorwürfe gegen Ghosn und Kelly aufzuklären. Ghosns Nachfolger als Nissan-CEO, Hiroto Saikawa, musste vor zwei Wochen seinen Hut nehmen, nachdem auch er eingestehen musste, dass Aktienoptionen nachträglich zu seinen Gunsten verbessert wurden.
Der japanische Autobauer ist an der Börse in den Vereinigten Staaten nicht notiert. Amerikanische Anleger aber können sich faktisch über besondere Wertpapiere, American depositary receipts, an Nissan beteiligen.