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Deal mit den Krankenkassen : Im Dschungel der Gesundheitsapps

Schlägt das Herz auch gleichmäßig? Die Anwendung Cardiosecur misst nach. Bild: dpa

Ob Tinnitustherapie oder mobiles EKG: Gesundheitsapps für das Handy haben viel Potential. Doch der Markt ist unübersichtlich und etwas entscheidendes fehlt zum Durchbruch. Der Gesundheitsminister will das ändern.

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          Es sind nur vier bunte Elektroden, doch für Herzpatienten sollen sie den Unterschied machen: Eine kommt ans obere Ende des Brustbeins, eine ans untere und jeweils eine unter die linke und rechte Achselhöhle. Dann noch das Kabel ins Smartphone einstöpseln, und schon beginnt die Messung. Nach zehn Sekunden sagt die App ihrem Nutzer, ob alles in Ordnung ist oder er schnell einen Arzt aufsuchen sollte. „Herzpatienten können so jederzeit und überall selbst ein EKG schreiben“, sagt Felix Brand, Mitgründer des hinter dem Produkt Cardiosecur stehenden Unternehmens Personal Medsystems.

          Britta Beeger
          Redakteurin in der Wirtschaft und zuständig für „Die Lounge“.

          Es klingt nach einer einfachen Lösung, doch bis hierhin war es ein weiter Weg – der noch lange nicht abgeschlossen ist. Denn für Medizinapps gelten in Deutschland besonders hohe Anforderungen. Sie müssen einen umfangreichen Zertifizierungsprozess durchlaufen, in dem auch die Sicherheit und Leistungsfähigkeit dokumentiert werden. Danach beginnen die Verhandlungen mit den Krankenkassen: Welche ist bereit, ihren Versicherten die Kosten für die App zu erstatten, die sich durch monatliche Zahlungen schnell zu dreistelligen Summen im Jahr anhäufen können? Auch diese Gespräche sind langwierig, schließlich müssen die Anbieter den Krankenkassen erst einmal nachweisen, dass die App ihnen Kosten spart oder die Versorgung verbessert. Gründer Brand sagt: Hätte er gewusst, was auf ihn zukommt, er hätte wohl nie gegründet.

          Fachdialog mit Herstellern, Ärzten, Krankenkassen und Datenschützern

          Nicht jeder Anbieter nimmt es allerdings mit der Sorgfalt so genau. Das führt dazu, dass am Markt für Gesundheitsapps ein ziemlicher Wildwuchs herrscht, wie eine vom Bundesgesundheitsministerium geförderte Untersuchung ergab. Rund 100.000 dieser Anwendungen sind in den App-Stores in den Kategorien Medizin, Gesundheit und Lifestyle zu finden. Und sie können längst mehr, als nur Schritte zählen oder den Schlaf überwachen. Sie versprechen, die Symptome von Depressionen oder Angstzuständen zu lindern, berechnen die notwendige Insulindosis für Diabetiker und prüfen, ob es sich bei einem Leberfleck um Hautkrebs handelt.

          Doch für die Nutzer ist es manchmal schwer zu erkennen, welche Anbieter seriös sind, welche Apps zuverlässig funktionieren. Das liegt auch daran, dass die Hersteller selbst festlegen, ob ihre App ein Medizinprodukt ist, das all die strengen Anforderungen erfüllen muss. Stufen sie ihr Produkt stattdessen nur als Gesundheitsapp ein, greifen diese Regeln nicht. Erst wenn eine App auf dem Markt ist und jemandem auffällt, dass die notwendige Zertifizierung fehlt, können die zuständigen Überwachungsbehörden des jeweiligen Bundeslandes tätig werden. Die Unübersichtlichkeit des Marktes hat Folgen für alle Beteiligten: Verbraucher, Hersteller, Krankenkassen. Gerade hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) einen Fachdialog mit Herstellern, Ärzten, Krankenkassen und Datenschützern gestartet, um zu klaren Standards und Regeln in diesem bislang wenig regulierten Bereich zu kommen. Dabei geht es insbesondere um die Frage, wie mehr Transparenz für Verbraucher und klare Orientierungshilfen für die Hersteller geschaffen werden können. Eine wichtige Rolle spielt aber auch, wie Apps in die Erstattung der Krankenkassen aufgenommen werden können. Denn nur dann ließen sich die Potentiale der Apps ausschöpfen, konstatierten die Autoren der vom Gesundheitsministerium geförderten Studie rund um Urs-Vito Albrecht von der Medizinischen Hochschule Hannover.

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