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Warenhauskette : Galeria Karstadt Kaufhof schließt 52 Filialen

  • Aktualisiert am

Filiale von Galeria Kaufhof in der Kölner Innenstadt Bild: dpa

Von 129 Warenhäusern werden 52 schließen. Das teilte der Gesamtbetriebsrat mit. Mehr als 5000 Menschen drohe die Kündigung.

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          Deutschlands letzter großer Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof will nach Angaben des Gesamtbetriebsrats 52 der noch verbliebenen 129 Warenhäuser schließen. „Insgesamt werden somit weit über 5000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren“, berichteten die Arbeitnehmervertreter des Unternehmens am Montag. „Dies ist ein rabenschwarzer Tag“, hob der Betriebsrat hervor. Galeria stelle nun „die Weichen für eine sichere Zukunft“, erklärte dagegen das Unternehmen. 77 Filialen und rund 11.000 Arbeitsplätze blieben erhalten. Der Aufsichtsrat des Konzerns sollte am Nachmittag zusammenkommen.

          Zuletzt hatten die behördlichen Auflagen in der Corona-Krise das Geschäft belastet, der Konzern griff nach Staatshilfen, dann litten die Filialen an der Zurückhaltung der Verbraucher nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Zudem machten hausgemachte Probleme dem Konzern zu schaffen, der der milliardenschweren Signa-Holding des österreichischen Investors René Benko gehört, der Karstadt und Kaufhof zusammengeführt hatte. 

          Betriebsrat kritisiert fehlende Strategie

          Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und des russischen Angriffs auf die Ukraine seien nur zu einem kleinen Teil für die Pläne verantwortlich, erklärte der Gesamtbetriebsrat weiter. Vielmehr sei es die fehlende Strategie für eine regionale Ausrichtung gewesen, kritisierte die Arbeitnehmervertretung. Bei der Entscheidung zur Schließung von Filialen seien vom Unternehmen unterschiedliche Gründe genannt worden, etwa die Mietbelastung, der Zustand der Gebäude, der Investitionsbedarf, die Bevölkerungs- und Kaufkraft-Entwicklung an den Standorten und die wirtschaftliche Entwicklung eines Warenhauses. Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhielten die betroffenen Mitarbeiter eine Abfindung in Höhe des zweifachen Monats-Brutto-Entgelts.

          Gläubigerversammlung am 27. März

          „Die Bevölkerung muss sich im Klaren sein, dass es nur eine attraktive Innenstadt geben wird, wenn die regionalen Einzelhändler genutzt werden“, appellierte der Betriebsrat an die Verbraucher. Über die Fortführung von Galeria wird nun in einer Gläubigerversammlung am 27. März entschieden.

          „Das ist zweifellos heute für uns alle ein schwerer Tag“, sagte der Galeria-Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz. Galeria habe um jeden Standort gerungen. Die betroffenen Filialen würden in zwei Wellen zum 30. Juni und zum 31. Januar kommenden Jahres geschlossen. Auf der Liste für Ende Juni stehen Filialen in Städten von Celle bis Wiesbaden, zum Jahreswechsel folgen weitere 31 Häuser von Bayreuth bis Wuppertal. Die verbleibenden Filialen sollen sich künftig „in den Segmenten Bekleidung, Beauty und Home eindeutiger positionieren“, kündigte Galeria an. „Um die lokalen Strukturen zu stärken, geben wir den Filialen mehr Eigenständigkeit“, versprach Galeria-Chef Miguel Müllenbach. Das Warenhaus habe in Deutschland eine Zukunft.

          Galeria Karstadt Kaufhof hatte Ende Oktober zum zweiten Mal innerhalb von weniger als drei Jahren Rettung in einem Schutzschirm-Insolvenzverfahren suchen müssen. Als Grund für die bedrohliche Lage des Unternehmens nannte Konzernchef Miguel Müllenbach damals in einem Mitarbeiterbrief die explodierenden Energiepreise und die Konsumflaute in Deutschland. Der Manager ließ von Anfang an keinen Zweifel daran, dass die abermalige Sanierung mit erheblichen Einschnitten in das Filialnetz und einem deutlichen Stellenabbau verbunden sein würde.

          Bereits zweiter Versuch

          Es ist bereits der zweite Versuch, den Handelsriesen durch ein Schutzschirmverfahren und den damit verbundenen Schuldenschnitt wieder dauerhaft auf Erfolgskurs zu bringen. Ein erster Anlauf, der 2020 während des ersten Corona-Lockdowns gestartet worden war, hatte dem Unternehmen trotz der Schließung von rund 40 Filialen, dem Abbau von etwa 4000 Stellen und der Streichung von mehr als zwei Milliarden Euro an Schulden nur vorübergehende Entlastung gebracht.

          Bereits Anfang 2021 und Anfang 2022 noch einmal musste der geschrumpfte Handelsriese angesichts der Pandemie um staatliche Unterstützung bitten. Insgesamt griff der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) dem Traditionsunternehmen in zwei Hilfsaktionen mit 680 Millionen Euro unter die Arme – ohne Erfolg.

          Kleiner und dezentraler

          Der Galeria-Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz, der auch schon das erste Schutzschirmverfahren als Sanierungsexperte begleitet hatte, zeigte sich zuletzt zuversichtlich, dass es dank des zweiten Schutzschirmverfahrens noch eine Perspektive für den Warenhauskonzern gebe. „Ich bin davon überzeugt, dass die Galeria-Warenhäuser eine Zukunft haben, wenn auch nicht in ihrer derzeitigen Form“, hob der Sanierer in einem Interview hervor. Der Handelsriese müsse dafür allerdings kleiner und dezentraler werden. Galeria werde hoffentlich „in drei Kalenderjahren“ wieder Gewinn machen. Vorher fielen wegen der Umstrukturierungskosten etwa für Umbauten sicher weitere Verluste an.

          In der Vergangenheit wurden immer neue Konzepte für die Ketten wurden ohne nachhaltigen Erfolg präsentiert, Manager von Thomas Middelhoff bis Stephan Fanderl, Eigner wie Nicolas Berggruen, die nordamerikanische Handelskette HBC oder die Signa Holding des Investors Rene Benko hatten sich an der Sanierung der Ketten versucht, deren Zusammengehen 2018 besiegelt worden war. Seit 2019 hat Benkos Signa bei Galeria Karstadt Kaufhof das Sagen, die HBC hatte sich zurückgezogen. Signa gebietet auch über zahlreiche Immobilien der Warenhäuser.

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