G36-Hersteller : Heckler & Koch unter Beschuss
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Treffer? Um die Genauigkeit des Gewehr G36 wird heiß gestritten. Bild: dpa
Qualitätsmängel, Ausfuhr von Waffen in Krisengebiete, finanzielle Schwierigkeiten: Der Hersteller der G36-Gewehre hat derzeit gleich mehrere Baustellen. Der verschwiegene Eigentümer Andreas Heeschen bleibt aber in Deckung.
Er ist ein Phantom, ein Schatten ohne Gesicht. Der Mann, dem Deutschlands umstrittenstes Rüstungsunternehmen gehört, scheut die Öffentlichkeit. Das einzige verfügbare Foto von ihm stammt aus dem Jahr 2009. Verbrieft ist zudem ein kurzer Auftritt vor Journalisten am Stammsitz der Firma in Oberndorf am Neckar im Januar 2014. Die Einladung der Besuchergruppe war an sich schon eine kleine Sensation. Die Werkstore des Kleinwaffenherstellers waren zuvor für Medienvertreter lange verschlossen geblieben. Andreas Heeschen nutzte die Gelegenheit für einen Blitzauftritt. Plötzlich und unangekündigt betrat der äußerst akkurat gekleidete Firmeneigentümer den Besprechungsraum im Oberndorfer Stadtteil Lindenhof, hoch über dem Neckartal. Huldvoll begrüßte er die dem Unternehmen „zugeneigte Presse“, lobte die Produkte seines Hauses, und verabschiedete sich nach fünf Minuten wieder von den verdutzten Reportern.
Inzwischen widmet sich Heeschen Journalisten schon einmal länger. Der 54 Jahre alte Investmentbanker ist ans Ruder von Heckler&Koch getreten, um als Geschäftsführer in das operative Geschäft einzugreifen und den schwäbischen Mittelständler durch stürmische See zu führen. Die Probleme des Waffenbauers sind vielfältig. Auch wenn seine Produkte international nach wie vor Kultstatus genießen. So kürte die amerikanische National Rifle Association (NRA) laut Unternehmensangaben erst im Januar die neue Schlagbolzenschlosspistole VP9 zur besten Pistole des Jahres 2015. Allerdings berichten Finanzfachdienste von enormen Zahlungsproblemen der Firma. Ein Waffenverkauf nach Mexiko hat den Ruf des Mittelständlers zusätzlich ramponiert, weil die gelieferten G36-Gewehre in Unruheprovinzen des Landes aufgetaucht sind, wo sie nicht hätten sein sollen. Hinzu kommt eine seit drei Jahren schwelende Debatte um den Exportschlager der Firma, deren bisheriger Höhepunkt ein Auftritt der Verteidigungsministerin war.
Ende März stellte Ursula von der Leyen öffentlich fest, dass die Schussgenauigkeit des G36 unter bestimmten Bedingungen stark nachlasse – auch wenn ihr Sprecher am Freitag zurückruderte und sagte, die Ministerin sei „keine Sachverständige für Gewehre.“ Eine Schadenersatzklage gegen den Waffenbauer wird im Bendlerblock erwogen, wenn auch nicht für aussichtsreich gehalten. Heeschen hat gehandelt, schon vor den jüngsten Volten um das G36. Im Februar entließ er überraschend und stillschweigend den langjährigen Personalgeschäftsführer Niels Ihloff. Der strategische Kopf informierte Medienvertreter für die Verhältnisse des Mittelständlers ungewohnt offen und umfassend über die Firmenaktivitäten und suchte, die Position des Waffenherstellers, etwa im Streit um das G36, plausibel zu machen. Nach seiner Entlassung stand er für Gespräche nicht mehr zur Verfügung.
Heeschen will Heckler&Koch nach außen öffnen
Heeschen möchte im Gespräch mit der F.A.Z. zu Ihloffs Entlassung wenig sagen. Nur so viel: Er sei mit der „Entwicklung des Unternehmens in den Märkten nicht zufrieden“ gewesen. Auf die von der Bundesregierung verhängte Suspendierung von Exporten nach Saudi-Arabien sei zu langsam reagiert worden. Und von der aus Heeschens Sicht lukrativsten Alternative, dem amerikanischen Zivilmarkt, partizipiere Heckler&Koch schon zu lange nur „sehr limitiert“. Das müsse sich ändern.