4,4 Milliarden Euro wert : Qonto wird Frankreichs wertvollstes Start-up
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Die beiden Qonto-Gründer Steve Anavi (links) und Alexandre Prot Bild: Qonto
Das französische Fintech hat eine Finanzierungsrunde in Höhe von mehr als 480 Millionen Euro abgeschlossen. Mit dem Geld will das Unternehmen vor allem in Deutschland wachsen.
2021 war ein Rekordjahr für Fintech-Finanzierungen. Die Liste der „Einhörner“, also der Start-ups mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar, wuchs in Europa beinahe im Wochenrhythmus. Auch im neuen Jahr sprudelt das Geld munter weiter. Das erste europäische Fintech, das 2022 in die Riege der Einhörner aufgenommen wird, ist die französische Qonto, die Geschäftskonten für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMUs) anbietet.
Das Unternehmen hat eine fortgeschrittene Wachstumsfinanzierung, eine sogenannte Series-D-Finanzierung, in Höhe von 486 Millionen Euro abgeschlossen. Damit ist die Bewertung des Unternehmens auf 4,4 Milliarden Euro gestiegen. Nach Daten von CB Insights dürfte Qonto damit zum wertvollsten Start-up Frankreichs aufgestiegen sein.
Als neue Investoren konnte Qonto den großen amerikanischen Beteiligungskapital-Fonds Tiger Global Management gewinnen. Dieser hat in der Vergangenheit schon Technologie-Unternehmen wie Meta (Facebook), Linkedin oder Spotify mit Kapital ausgestattet, als diese noch in frühen Phasen der Entwicklung steckten. Zu den neuen Geldgebern von Qonto zählen daneben auch TCV, Alkeon, Eurazeo, KKR, Insight Partners und Exor Seeds. Zu den Bestandsinvestoren gehört auch der Valar-Fonds von Starinvestor Peter Thiel, der sein Geld bereits in andere Fintechs wie N26 gesteckt hat.
Geschäftskonten für KMUs
In den europäischen Markt für Geschäftskonten für die schätzungsweise 40 Millionen Kleinunternehmern, Freiberufler und Gründer drängen sich derzeit immer mehr Fintechs neu hinein. Das liegt zum einen daran, dass viele kleinere Unternehmen mit unstetigen Mittelflüssen für die Banken unattraktive Kunden sind. Ein weiterer Grund für die wachsende Beliebtheit der Fintechs ist, dass sie günstigere Konditionen und schnelleren Service als die traditionellen Banken versprechen.
Qonto gründeten Alexandre Prot und Steve Anavi vor fünf Jahren, weil sie einige Jahre zuvor mit einem anderen Unternehmen gestartet, und nicht zufrieden mit dem Angebot der Banken waren. Man habe aktuell ein Modell, von dem sie beide einige Jahre zuvor geträumt hätten, sagte Prot der F.A.Z. Seitdem hat Qonto 220.000 Kunden gewinnen können. In Frankreich gestartet, ist das Unternehmen mittlerweile auch in Italien, Spanien und Deutschland tätig.
Laut Unternehmensangaben ist der Umsatz in den drei Ländern außerhalb Frankreichs in den vergangenen zwei Jahren auf das Vierfache gestiegen. In Deutschland ist die Kundenzahl im vergangenen Jahr um 170 Prozent gewachsen. Ein großer Teil des Geldes aus der jüngsten Finanzierungsrunde soll denn auch dem deutschen Markt zugutekommen – immerhin 100 Millionen Euro für das laufende und das kommende Jahr. So viel Geld habe es früher für die Expansion in drei komplett neue Länder gegeben, sagt Prot. Derzeit arbeiten in Berlin 25 Mitarbeiter für Qonto, 2023 sollen es 100 sein.
Expansion im Blick
Mit dem neuen Geld will man insgesamt drei Ziele erreichen – zum ersten bis 2025 eine Million kleiner und mittelgroßer Unternehmen als Kunden gewinnen, sagt Prot. Dafür müsse man die Produkte verbessern und neue Dienstleistungen anbieten. Wichtig dafür seien die richtigen Ansprechpartner vor Ort, daher habe man auch Büros in Mailand, Barcelona und in Berlin. Die Sprache sei in Europa ein Schlüsselfaktor. Zum zweiten will man weiter expandieren. Zwar sollen 2022 noch die schon bestehenden Märkte im Mittelpunkt stehen, ab 2023 sollen aber neue Länder dazukommen.
Zum dritten will man weiter Talente für das Unternehmen gewinnen. Ihnen sollen mehr Karrieremöglichkeiten geboten werden, sagt Alexandre Prot. Derzeit arbeiten insgesamt rund 500 Angestellte für das französische Start-up, in drei Jahren soll sich diese Zahl auf 2000 Mitarbeiter vervierfachen. Man will den Angestellten dabei die Möglichkeit bieten, an verschiedenen Standorten zu arbeiten. Ähnlich wie ein Erasmus-Programm könnten Mitarbeiter des Fintechs für eine Weile in Berlin arbeiten, dann in Barcelona und im Anschluss in Mailand. Das helfe dem Teamgeist, so Prot. Bis 2025 sollen 75 Prozent aller Kunden von außerhalb Frankreichs stammen.
Als Manko der Fintechs sehen einige Branchenexperten die Standardisierung deren Angebote, die zu komplexeren und spezialisierteren Geschäftsmodelle oder schnell wachsenden Unternehmen nicht passen. Prot entgegnet, man habe das Glück, schneller zu wachsen als die meisten Kunden. Man habe seit 2017 fünf neue Kontomodelle eingeführt. So könne man das ganze Unternehmens-Spektrum von null bis 250 Mitarbeitern bedienen. Zudem hätten viele Unternehmen auch mehrere Konten – und man sei zufrieden, wenn eines davon bei Qonto sei.