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Frankreich : Erster Hersteller bekommt Homöopathie-Streit zu spüren

Nachdem die französische Regierung angekündigt hat, homöopathische Mittel nicht mehr zu erstatten, hat der Hersteller Boiron große Einbußen. Bild: dpa

Der französische Globuli-Hersteller Boiron erleidet herbe Einbußen – doch das ist keine Überraschung: Homöopathische Mittel sollen in Frankreich nicht mehr erstattet werden. Der Konzern will dagegen vorgehen.

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          Dieses Ergebnis ist keine Überraschung: Nachdem die französische Regierung angekündigt hat, homöopathische Mittel nicht mehr von der staatlichen Krankenkasse erstatten zu lassen, registriert der Hersteller Boiron mit Sitz bei Lyon empfindliche Einbußen. Die Streichung kommt zwar erst schrittweise mit einer ersten Senkung der Erstattung von 30 auf 15 Prozent im kommenden Jahr, doch die öffentliche Debatte lässt die Verkäufe jetzt schon zurückgehen. Das Unternehmen, das sich als weltgrößter Hersteller homöopathischer Mittel bezeichnet, berichtete am Donnerstag von einem Umsatzrückgang von 6,4 Prozent im zweiten Quartal. „Diese Verringerung stammt vor allem aus Frankreich, wo die Verkäufe um 12 Prozent nachließen“, erläutert Boiron. Außerhalb des Heimatmarktes seien die Umsätze dagegen um 3,5 Prozent gewachsen.

          Christian Schubert
          Wirtschaftskorrespondent für Italien und Griechenland.

          Im ersten Halbjahr ergibt sich daraus ein Rückgang des Gesamtumsatzes von 8,5 Prozent auf 257 Millionen Euro. „In Frankreich ist die Homöopathie Gegenstand von ungerechtfertigten und diskriminierenden Angriffen“ teilte Boiron zur Streichung der Erstattungsfähigkeit mit, die 2021 voll greifen soll. An den Profiten geht diese Maßnahme erwartungsgemäß nicht spurlos vorbei: Boiron nennt keine konkreten Zahlen, doch das Unternehmen kündigt an, dass der Betriebsgewinn in diesem Jahr gegenüber 2018 „stark zurückgeht“.

          Unabhängiger werden vom Heimatmarkt

          Schon im vergangenen Jahr hatte der operative Gewinn um 15 Prozent auf 106 Millionen Euro und der Nettogewinn um 27 Prozent auf knapp 58 Millionen Euro nachgelassen. DieFra Börse quittierte die Meldung mit einem Rückgang des Aktienkurses am Freitagmorgen um rund 8 Prozent, der sich im Laufe des Tages aber verminderte. Schon am Donnerstagnachmittag hatte der Kurs nach der Ergebnisveröffentlichung etwa 7 Prozent an Wert verloren. Innerhalb eines Jahres gab die Marktkapitalisierung des Unternehmens, dass sich mehrheitlich in Familienbesitz befindet, um rund 42 Prozent nach.

          In seiner knapp gehaltenen Halbjahresbilanz, die sich teilweise wie ein politisches Pamphlet liest, kündigt Boiron weiteren Widerstand gegen die Entscheidung der Regierung an. „Sie ist in keiner Weise zu vereinbaren mit den aktuellen Herausforderungen des Gesundheitssystems und mit den Bedürfnissen der Franzosen“. Die Regierung ist dagegen überzeugt, dass homöopathische Mittel keinerlei Wirkung zeigen. Das Unternehmen hatte zuvor beispielsweise darauf hingewiesen, dass viele Patienten aufgrund der homöopathischen Mittel weniger andere Medikamente wie Antibiotika oder Psychopharmaka einnehmen.

          Boiron will künftig versuchen, vom französischen Markt weniger abhängig zu sein. Im ersten Halbjahr stammten knapp 60 Prozent des Umsatzes aus der Heimat. Die restlichen europäischen Länder standen für 21 Prozent und Nordamerika für knapp 16 Prozent. Nach Frankreich sind die Vereinigten Staaten der wichtigste nationale Markt, gefolgt von Italien und Russland. In Frankreich machen die erstattungsfähigen Mittel etwa 70 Prozent des Umsatzes aus. Auf seinem Heimatmarkt arbeitet Boiron mit 2600 Beschäftigten an 34 Standorten.

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