Wirtschaft und Biodiversität : Das unterschätzte Risiko Naturzerstörung
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Bisher wenig beachtete Wechselwirkung mit der Natur: Waldrodung für Werksgelände, hier an der Baustelle für Tesla im brandenburgischen Grünheide Bild: dpa
Verarmt die Natur, drohen Unternehmen Einbußen. In der EU gibt es von 2024 an Berichtspflichten zur Biodiversität. Doch wie sehr die Wirtschaft von Artenvielfalt abhängig ist, ist vielen kaum bewusst.
Zu den größten globalen Risiken zählt der Verlust von Biodiversität, heißt es im neuen „Global Risk Report“ des Weltwirtschaftsforums. Die Wirtschaft ist in hohem Maße auf eine intakte Natur mit vielfältiger Tier- und Pflanzenwelt angewiesen – nicht nur die Land- und Forstwirtschaft oder die Pharmaindustrie. So war etwa für die Ansiedlung von Tesla in Brandenburg die Frage ausreichender Wasserversorgung ein kritischer Faktor.
Mehr als die Hälfte des globalen Bruttoinlandprodukts ist nach Angaben des Weltwirtschaftsforums von Biodiversität abhängig. Verarmt die Natur, drohen Unternehmen empfindliche finanzielle Einbußen. Schon wenn wenige ausgewählte Leistungen der Natur nicht mehr verfügbar sind, könnte das vom Jahr 2030 an jährliche Kosten von mehr als 2,7 Billionen Dollar beziehungsweise einen Rückgang der Weltwirtschaftsleistung von circa 2,3 Prozent verursachen, heißt es in einer Studie der Weltbank.
Doch Unternehmen sind auf diese Szenarien bislang kaum vorbereitet. Die allermeisten haben keine konkrete Vorstellung davon, in welchem Maße sie von den Ressourcen und Leistungen der Natur abhängig sind und in welchem Umfang sie ihrerseits Ökosysteme und deren Leistungsfähigkeit strapazieren. Umweltschützer bieten Unterstützung an.
WWF stellt Online-Instrument vor
Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos stellte der WWF am Montag den sogenannten Biodiversitätsrisikofilter vor. Mithilfe des Online-Instruments können Unternehmen und Finanzinstitutionen Risiken im Zusammenhang mit der biologischen Vielfalt in ihren Standorten, Wertschöpfungsketten und Investitionen erkennen und diese dann widerstandsfähiger gestalten.
Diese Risiken waren auch Thema der Weltnaturkonferenz in Montreal. Das „Globale Rahmenwerk für die biologische Vielfalt“, das die Staatengemeinschaft im Dezember verabschiedete, sieht vor, den Verlust der Biodiversität bis 2030 zu stoppen und eine Trendwende einzuleiten. Das funktioniert nur, wenn nicht länger auf Kosten der Natur gewirtschaftet wird.
Für eine derartige Transformation sind aber Kenntnisse über die wechselseitigen Beziehungen von Wirtschaft und Natur erforderlich. Deswegen enthält das Weltnaturabkommen unter anderem eine Vorgabe zur Biodiversitätsberichterstattung von Unternehmen. Bis 2030 sollen die Vertragsstaaten sicherstellen, dass große und transnationale Unternehmen und Finanzinstitutionen ihre „Risiken, Abhängigkeiten und Auswirkungen auf die biologische Vielfalt regelmäßig überwachen, bewerten und transparent offenlegen“. Und zwar auch entlang der Liefer- und Wertschöpfungsketten.
Neue Pflicht für 50.000 Unternehmen
Umweltschützer, Naturwissenschaftler und selbst Hunderte von Unternehmen, etwa der Initiative „Make it Mandatory“, hatten sich dafür starkgemacht, eine verpflichtende Berichterstattung festzuschreiben. Darauf konnten sich die Staaten auf der Weltnaturkonferenz nicht einigen. „Aber auch mit der jetzigen Formulierung haben wir ein starkes Ergebnis“, sagt Ingmar Jürgens, Mitgründer und Geschäftsführer des Start-ups „Climate & Company“, das Entscheider zum Schutz von Klima und Biodiversität berät.