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Fachkräftemangel : Der lange Abschied vom Jugendwahn

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Bald stellen Mitarbeiter über 50 Jahre das Gros in deutschen Unternehmen. Ältere werden vermehrt wertgeschätzt, aber nicht gezielt eingestellt. Die Herausforderung ist riesig, denn in vielen Personalabteilungen herrscht noch immer Jugendwahn.

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          Aus Sicht von Jutta Rump barg die Wirtschaftskrise durchaus positive Überraschungen. „Ich dachte, jetzt geht wieder das typische Krisenmanagement los.“ Dieser Gedanke sei ihr zunächst durch den Kopf gegangen, sagt die Betriebswirtschaftlerin heute. Das hätte bedeutet: Personalkosten senken, indem ältere Mitarbeiter durch Abfindungen und staatliche Zuschüsse in den vorzeitigen Ruhestand gelockt werden. So wie nach dem Platzen der Internetblase zu Beginn des Jahrzehnts.

          Sven Astheimer
          Verantwortlicher Redakteur für die Unternehmensberichterstattung.

          Jedes Jahr subventioniert die Bundesagentur für Arbeit diese Politik mit mehr als einer Milliarde Euro. Ende 2009 lief das Gesetz zwar aus, zahlen muss der Staat jedoch noch lange. Doch diesmal kam es anders. Viele Unternehmen horteten trotz Auftragseinbruchs ihr Personal in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Zeitweise befanden sich rund 1,5 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit. Nun, da die Konjunktur wieder anzieht, rechnet sich diese Investition.

          „Oft fehlen Ideen“

          Das von Rump geleitete Institut für Beschäftigung und Employability hat gerade rund 400 Mittelständler befragt. Als Gründe für ihr vorausschauendes Krisenmanagement hätten viele den „demographischen Wandel“ und „Fachkräftemangel“ genannt. Das Problembewusstsein sei also vorhanden, sagt Rump. In die betriebliche Managementpraxis hätten diese Themen jedoch noch lange nicht überall Eingang gefunden. In vielen Konzernen und Großunternehmen gebe es zwar Personalexperten, die sich mit den Veränderungen durch alternde Belegschaften auseinandersetzten. Aber je kleiner der Betrieb sei, so Rumps Erfahrung, desto weniger wisse man, wie man das Problem anpacken könne. „Dem Mittelstand fehlen oft die Ideen.“

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          In den klassischen Industrieländern ändert sich das Verhältnis von Erwerbstätigen und Rentnern derzeit drastisch. Kamen in Deutschland 1951 noch auf einen Ruheständler sieben Erwerbstätige, werden es hundert Jahre später den Prognosen zufolge noch zwei sein. Um den Kollaps des umlagefinanzierten Sozialsystems zu verhindern, hat die Regierung die Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters um zwei auf 67 Jahre beschlossen. Allen politischen Scheingefechten zum Trotz zeigt schon die Tatsache, dass viele europäische Nachbarländer ähnliche Maßnahmen eingeleitet haben, die Notwendigkeit dieses Schrittes. Gleichzeitig steigt auch das tatsächliche Renteneintrittsalter seit der Jahrtausendwende.

          Ältere müssen länger arbeiten

          Wenn Ältere länger im Beruf bleiben und weniger Junge nachrücken, ändert sich auch die Struktur der Belegschaften deutlich. Wie eine Simulation des Fraunhofer-Instituts zeigt, lösen die Mitfünfziger die Vierzigjährigen innerhalb von nur zehn Jahren als stärkste Kohorte ab. Seit Jahren wird deshalb der Notwendigkeit eines Altersmanagements in den Unternehmen das Wort geredet, damit Mitarbeiter tatsächlich lange im Beruf bleiben können und nicht, weil sie physisch oder psychisch den Anforderungen nicht mehr gewachsen sind, mit Abschlägen vorzeitig in Rente gehen müssen.

          Das Bundesarbeitsministerium hat durch das Institut für gesundheitliche Prävention (IFGP) eine Studie über altersgerechte Arbeitsstrukturen erstellen lassen. Dafür wurden mehr als 3000 Personalentscheider angeschrieben - nur 116 Antworten kamen zurück. „Das ist auch eine klare Aussage“, findet IFGP-Geschäftsleiter Marc Lenze. Die Auswertung ergab, dass in den Unternehmen das Thema Demographie am ehesten als Aufgabe des Gesundheitsmanagements eingestuft wird: Technische Hilfsmittel und Job-Rotation können den körperlichen Verschleiß mindern und Betriebssport kann präventiv wirken.

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