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Notlage der Kulturbranche : „Aus der Novemberhilfe muss eine Winterhilfe werden“

Die norwegische Rockband Madrugada in Februar 2019 in der Frankfurter Batschkapp, die auch in der LiveKomm organisiert ist. Bild: Carlos Bafile

Der Eventim-Chef hofft für den kommenden Sommer auf den Einsatz von Schnelltests, fürchtet aber den Verlust von kultureller Vielfalt. Derweil gibt sich ein Vertreter der Musik-Clubs zuversichtlich und lobt die Unterstützung durch die Politik.

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          Große Konzerte werde es erst wieder geben, wenn ein Impfstoff gegen das Coronavirus verfügbar sei: Diese Einschätzung äußerte der Chef von CTS Eventim, Klaus-Peter Schulenberg, mehrfach in den vergangenen Monaten. Da verwunderte es wenig, dass die Aktie des im M-Dax notierten Ticketing- und Veranstaltungsriesen nach Bekanntwerden der positiven Studienergebnisse von Biontech und Pfizer einen deutlichen Sprung nach oben machte. Den erheblichen Fortschritten bei der Impfstoffentwicklung zum Trotz ist die Immunisierung einer breiten Masse an Menschen noch weit entfernt. Entsprechend bescheiden bleibt die Lage auf absehbare Zeit für die Kultur- und Konzertbranche.

          Benjamin Fischer
          Redakteur in der Wirtschaft.

          „Bis auf die Roland Kaiser-Shows und Sido war die Nachfrage bei den Konzerten in der Waldbühne eher moderat“, blickt Schulenberg im Gespräch mit der F.A.Z. auf den Sommer zurück. Die zu Eventim gehörende Agentur Semmel Concerts hatte in der Berliner Waldbühne ab September einige Shows mit maximal 5000 Zuschauern organisiert. Normalerweise finden dort mehr als 20.000 Personen Platz. „Die Leute haben trotz ausgefeilter Hygienekonzepte offenbar noch Angst auf größere Konzerte zu gehen“, stellt Schulenberg fest.

          Neben Semmel Concerts gehören unter anderem auch FKP Scorpio oder die Peter Rieger Konzertagentur zu Eventim. Insgesamt ist der Konzern der größte Konzert- und Festival-Veranstalter Europas und mit seinen diversen Plattformen auch als Ticketing-Dienstleister die Nummer eins.

          Umsatzminus von 92 Prozent

          Die Quartalszahlen des Branchenriesen unterstreichen das seit Beginn der Pandemie triste Gesamtbild des Wirtschaftszweiges. Nach einem Umsatz von 378 Millionen Euro von Juli bis September 2019 standen im laufenden Jahr lediglich 30 Millionen Euro zu Buche – ein Minus von 92 Prozent. Operativ schrieb der Konzern nach einem Gewinn von 65 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum einen Verlust von 15 Millionen Euro. Unterm Strich stand ein Minus von rund 23,4 Millionen Euro nach einem Plus von 28,3 Millionen im dritten Quartal des vorherigen Jahres.

          CTS EVENTIM

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          Schon nach dem zweiten Quartal hatte Eventim betont, mit Kosteneinsparungen und dem Zurückfahren von Investitionen eine Entlastung in zweistelliger Millionenhöhe erreicht zu haben. Auch die Dividende wurde gestrichen. Ende März hatte Schulenberg überdies in der F.A.Z. erklärt, Eventim könne zwei Jahre ohne Konzerte durchhalten. Zum 30. September verfügte der Konzern nun über liquide Mittel von 798,7 Millionen Euro, heißt es in einer Mitteilung. An staatlichen Hilfen nehme CTS Eventim derzeit nur Kurzarbeit in Anspruch.

          Über derartige Mittel verfügt in der Konzertbranche freilich neben Eventim allenfalls der amerikanische Konkurrent Live Nation. „Viele kleinere Veranstalter und Dienstleister haben keine großen Reserven und für die wird die Lage von Tag zu Tag schwieriger“, betont auch Schulenberg. „Nach der Krise werden wir wohl leider nicht dieselbe Vielfalt an kulturellen Veranstaltungen vorfinden wie vor der Krise.“ Die neuerlichen Hilfen seien zu begrüßen, so der Eventim-Chef, aber: „Aus der Novemberhilfe muss eine Winterhilfe werden, denn es ist ja noch nicht absehbar, wie lange der Teil-Lockdown dauert und ob die aktuell veranschlagte Summe ausreicht.“

          „Ein toxisches Hilfsangebot“

          Die Lage der vielen kleinen und mittleren Konzertagenturen sowie der Gewerke und gerade der Solo-Selbständigen sei teilweise wirklich dramatisch, sagt auch Karsten Schölermann, Vorstandsmitglied des Verbands der Musikspielstätten in Deutschland (LiveKomm). Was die 450 kleineren Musik-Clubs mit einer Maximalkapazität von 2000 Personen angeht, die in den Untergliederungen des Verbands organisiert sind, klingt er angesichts der dramatischen Gesamtsituation vergleichsweise optimistisch: „Ich glaube, dass rund 80 Prozent unserer Clubs ohne Insolvenzgefahr durchs Jahr kommen“, meint Schölermann. Einen genaueren Eindruck ermögliche in wenigen Wochen eine Umfrage unter den Mitgliedern.

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