https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/drive-now-und-car2go-vor-der-fusion-15413481.html

F.A.Z. exklusiv : Drive Now und Car2Go vor der Fusion

Car2Go und DriveNow gehören bald zusammen. Bild: dpa

BMW und Daimler legen ihre Carsharing-Gesellschaften zusammen. Das hilft Kosten zu sparen, hat aber auch strategisches Kalkül.

          3 Min.

          BMW und Daimler werden ihre Tochtergesellschaften Drive Now und Car2Go in Kürze zusammenlegen. Die Verhandlungen seien auf der Zielgeraden, verlautete aus Unternehmenskreisen. Schon im Februar wollen die beiden Autohersteller die Fusion der Carsharing-Gesellschaften bekanntgeben. Sie lehnten einen Kommentar ab.

          Henning Peitsmeier
          Wirtschaftskorrespondent in München.
          Susanne Preuß
          Wirtschaftskorrespondentin in Hamburg.

          Nach Informationen der F.A.Z. ist geplant, beide Marken zu erhalten. BMW hält an der Marke Drive Now fest, Daimler an Car2Go. Alles was den Betrieb der flexiblen Kurzzeit-Leihe von Autos möglich macht, das sogenannte Backend samt der IT-Technik, wird aber zusammengelegt, was zu erheblichen Kosteneinsparungen führen dürfte. Eine gemeinsame Internet-Plattform soll die Angebote auf eine für die Kunden praktische Weise bündeln. Beide Carsharing-Angebote basieren auf dem Prinzip der flexiblen Automiete, ohne feste Standplätze und mit minutengenauer Abrechnung.

          „Irgendwann explodieren die Kundenzahlen“

          Die Fusion von Drive Now und Car2Go, über die schon seit Monaten spekuliert wird, ist von höchster strategischer Bedeutung für die beiden Premiummarken aus Süddeutschland. Ziel ist es, als europäischer Anbieter den neuen Konkurrenten aus Amerika und Asien wie etwa Uber und Didi Chuxing etwas entgegenzusetzen, die sich anschicken, Mobilität ganz neu zu organisieren, indem sie neue Arten von Taxi- und Mitfahrgelegenheiten populär machten.

          Ob Daimler oder BMW, die Autohersteller wandeln sich in digitale Mobilitätsdienstleister, weil sie wissen, dass sie sich künftig nicht mehr allein am Verkauf von Fahrzeugen messen lassen müssen, sondern an der Zahl der Kilometer, die ein Kunde darin zurückgelegt hat.

          „Die Auslastung steigt. Irgendwann explodieren die Kundenzahlen“, freut sich ein Daimler-Manager mit Blick auf Car2Go. Dann will man bereit und in der Lage sein, den Trend noch einmal zu forcieren und nicht zusehen zu müssen, wie andere das Geschäft machen.

          Immerhin ist Daimler der Pionier in Sachen Carsharing. Gestartet wurde vor knapp zehn Jahren, zunächst mit 50 Smart-Autos für die eigene Belegschaft am Forschungsstandort Ulm. Bald danach wurde das System für die Bevölkerung der Universitätsstadt geöffnet und feierte binnen kurzer Zeit die Anmeldung von 10.000 Kunden. Ein Jahr später wurde das System schon in die amerikanische Musikstadt Austin/Texas exportiert. Mittlerweile hat Daimler sogar eine erste Stadt in China für Car2Go gewonnen.

          Allein im vergangenen Jahr hat Car2Go die Zahl der registrierten Kunden um 30 Prozent auf knapp drei Millionen gesteigert, davon allein 870.000 in Deutschland. Auch bei Drive Now geht es flott voran, hier stieg die Kundenzahl vergangenes Jahr um 25 Prozent auf eine Million, davon 720.000 in Deutschland. Abgesehen von einem kurzen Gastspiel im kalifornischen San Francisco beschränkt sich Drive Now nur auf Europa. Derzeit stehen in der Flotte rund 6000 Fahrzeuge der Marken BMW und Mini bereit. Car2Go stellt den Kunden 14.000 Autos zur Verfügung, fast ausschließlich ist es der zweisitzige Smart.

          Sixt hält 50 Prozent an Drive Now

          Dass sich die Verhandlungen über den Zeitraum eines ganzen Jahres hinzogen, hat nicht nur mit den Prüfungen im Vorfeld einer kartellrechtlichen Entscheidung zu tun. BMW und Daimler mussten die Fusion auch mit ihren bisherigen Kooperationspartnern klären. Seit 2010, als mit Hamburg die erste große deutsche Stadt mit Carsharing bedient wurde, arbeitet Daimler mit dem Autovermieter Europcar zusammen, der an Car2Go Europe mit 25 Prozent beteiligt ist.

          BMW wiederum hat Drive Now von Beginn an als Gemeinschaftsunternehmen mit Sixt gegründet. Sixt besitzt dieselben Rechte wie BMW und hält auch 50 Prozent der Anteile an Drive Now. „Ohne Zustimmung von Sixt ändert sich bei Drive Now nichts“, verlautete selbstbewusst aus der Zentrale des Autovermieters in Pullach. Gleichwohl wird Sixt in die Rolle des Minderheitspartners gehen. Über ein Kaufangebot für die restlichen Anteile und die Markenrechte sollen Sixt und BMW sich handelseinig sein. Für eine aktuelle Stellungnahme war Sixt aber nicht zu erreichen.

          Das Carsharing-Geschäft der beiden Autohersteller wird dem Vernehmen nach mit einer Milliarde Euro bewertet. Für Sixt lohnt sich die Kooperation damit, obwohl Drive Now bisher kaum profitabel gewesen sein kann. Offiziell wurde das zwar seit dem Jahr 2014 behauptet, aber es ist unwahrscheinlich, dass die Kosten intern so verrechnet wurden wie das gegenüber einem Dritten der Fall gewesen wäre. So konnten Drive-Now-Kunden darauf spekulieren, edel ausgestattete Autos zu fahren – ein wohl kalkulierter Werbeeffekt. Auch die Elektroautos i3 hat BMW dem Publikum auf diese Weise schmackhaft gebracht.

          Stärker noch als BMW hat Daimler das Carsharing als Experimentierfeld für Elektroautos genutzt. Schon im November 2011 versorgte Car2Go die Stadt Amsterdam mit 349 Elektro-Smarts zum Teilen, ein Jahr später wurde eine rein elektrische Flotte auch am Heimatstandort Stuttgart installiert. Im Herbst 2015 folgte dann Madrid. Somit kann Daimler in verschiedenen Klimazonen und in Regionen mit unterschiedlichen Fahrgewohnheiten im großen Stil austesten, welchen Verschleiß Batterien und andere Teile in den Elektroautos haben.

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Frühere EKD-Vorsitzende Margot Käßmann, hier Ende Februar auf einer Friedensdemonstration in Köln: Wolkige Wünsche, wenig Konkretes

          Kirchentag in Nürnberg : Käßmann ist die große Abwesende

          Der Evangelische Kirchentag ringt mit seinen alten, friedensbewegten Galionsfiguren. Es geht um Waffen für die Ukraine, Kritik an Israel und das Erbe einer Generation.
          Was meint das echte, was das lyrische Ich?

          Lindemanns lyrisches Ich : Mund offen, Augen zu

          Hier spreche nicht der Dichter, sondern sein lyrisches Ich, hieß es 2020 über das Gedicht „Wenn du schläfst“ von Till Lindemann. Die Literaturtheorie wird ebenso missverstanden wie die Kunstfreiheit.
          Aktiv in Richtung Lebensabend: Kann Arbeit attraktiver sein als Freizeit?

          Rente und Hinzuverdienst : Wenn sich Arbeit kaum lohnt

          Ältere dürfen jetzt auch neben einer vorgezogenen Rente unbegrenzt Arbeitslohn beziehen. Das soll motivieren und Personalnot lindern – aber hohe Abgaben schrecken ab, zeigt eine Studie.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.