Digitale Kupplung : Eine Revolution im Güterzugverkehr
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Seit dem 19. Jahrhundert werden Züge manuell gekuppelt. Dies soll nun digitalisiert werden – und die Schiene gegenüber dem Lkw wesentlich attraktiver machen.
Im Güterverkehr befindet sich die Bahn nicht im 21. Jahrhundert, eher steckt sie noch im 19. Jahrhundert fest. Gekuppelt werden die Züge wie zu Kaisers Zeiten, und das ist Schwerstarbeit: Rangiermitarbeiter müssen den 20 Kilogramm schweren Bügel eines Waggons auf den Haken des nächsten Waggons legen, die Kupplung durch Drehen an einem Schraubgewinde spannen und zudem die Luftleitung für die Bremsen verbinden. Auf den Güterbahnhöfen allein in Deutschland passiert das rund 70.000 Mal jeden Tag, in ganz Europa sogar rund 400.000 Mal. Die Schraubenkupplung ist nicht nur körperlich sehr anstrengend, sie nimmt auch viel Zeit in Anspruch. Allein die Bremsprobe dauert rund eine Stunde. So lange kann ein Zug nicht starten.
Ein Unding in Zeiten der Digitalisierung, finden Industrie und Politik unisono. Der neue Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) spricht von einem „über 70 Jahre währenden Missstand“ und von einer „dringend benötigten Transformation, die keinen weiteren Tag Aufschub duldet“. Denn das alte System kostet letztlich Geld und – noch viel schlimmer: Es gefährdet Umweltziele, befürchtet man in Berlin. Die Bahn spielt für die Regierungskoalition im Kampf gegen den Klimawandel weit vorn mit. Nicht nur soll die Zahl der Passagiere im Personenverkehr bis 2030 stark steigen, sondern auch der Anteil des Schienengüterverkehrs im sogenannten „Modal Split“. Mit der altbewährten Kupplung aber gilt das äußerst ambitionierte Ziel, diese Quote zulasten des Lkws von gegenwärtig 19 auf 30 Prozent zu erhöhen, als kaum erreichbar.
DAK soll es nun richten. Im Gesundheitswesen ist das eine Krankenkasse, in der Bahnwelt steht die Abkürzung für „Digitale Automatische Kupplung“. Die DAK verbindet Güterwagen automatisch miteinander. Sie stellt eine mechanische Verbindung zwischen den Wagen her, ohne dass der Mensch Hand anlegen muss. Gleichzeitig kuppelt sie die Luftleitung für die Bremse sowie eine Strom- und Datenbusleitung aneinander. Im entsprechend automatisierten Rangierbetrieb sollen sich so die Kapazität um bis zu 40 Prozent erhöhen, Prozesskosten sinken und längere, schwerere und schnellere Güterzüge möglich sein, angepasst an das moderne ETCS-Signalsystem.
Wer dies noch immer nur für ein Thema für Bahnspezialisten hält, dem macht ein Verbändebündnis klar: Es geht um eine regelrechte Revolution im Güterverkehr. In einer noch unveröffentlichten gemeinsamen Erklärung, die der F.A.Z. vorliegt, betonen die Deutsche Bahn (DB), der Bahnindustrieverband VDB, der Verkehrsunternehmensverband VDV und der Güterwagenhalterverband VPI vor allem eines: „Die DAK ist mehr als eine Kupplung.“ Sie sei der „digitale Backbone der intelligenten, emissionsfreien Logistik der Zukunft“, die Grundlage des digitalen Güterzugs. Das bedeutet unter anderem: Mir ihr lässt sich all das bewerkstelligen, was die Digitalisierung über Datenauswertung so attraktiv macht – wie das Überwachen der Ladung in Echtzeit oder eine vorausschauende Wartung.