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Deutsches Start-up : Diese Idee ist radikaler, als Google und Facebook je waren

Wer was mag

Der Schritt über den ICO und damit zu Digitalwährungen, die auf der Blockchain basieren, hängt damit zusammen, dass Wysker seinen Kunden mehr Macht über die eigenen Daten geben will. Unternehmen wie Facebook und Google bieten ihre Services kostenlos an und -nutzen im Gegenzug die Daten ihrer Nutzer. Das Geschäft ist akzeptiert, sie bringen den Kunden Nutzen und den Unternehmen Milliardenumsätze. Allerdings wissen die Nutzer nicht, wie die Empfehlungen auf Amazon, die Newsfeeds auf Facebook oder die Suchergebnisse auf Google auf uns zugeschnitten sind. Die Daten nützen vor allem den Unternehmen, die sie an Werber vermarkten, die wiederum Kundenwünsche abfragen, um sie an Marken weiterzuleiten, die Käufer suchen.

Werber wollen wissen, woran ein Kunde interessiert ist. Mit der App fragt Wysker ziemlich genau ab, welche Produkte eines Unternehmens jemand mag, welche Farbe die liebste ist und welche Zahlungsbereitschaft der Nutzer hat. Jemand, der aus 30 Bildern in der Sekunde ein Produkt herausfiltert, zeigt eindeutiges Kaufinteresse. Das ist ein Traum für Werber. Doch Wysker will die Nutzer dafür bezahlen: Dafür haben Haag und seine Mitgründer einen sogenannten Wys Token erschaffen, eine neue digitale Währung, mit der Nutzer in der App bezahlen können. Doch nicht nur das, sie können auch Wys Token erhalten, falls sie ihre Daten mit Werbetreibenden teilen. Oder sie erhalten sie als Belohnung für besonders viele durchgeklickte Produkte. Unternehmen auf der anderen Seite können Wys Token kaufen, um sich so Zugriff auf für sie interessante Zielgruppen zu verschaffen: Etwa junge kaufkräftige Frauen, die sich vor allem für rote Kleidung interessieren und mehr als 20 Minuten am Tag in der App verbringen.

So will Wysker im Laufe der Zeit immer mehr Token verkaufen, die wiederum das Unternehmen finanzieren. An diesem Sonntag hat das Start-up mit dem Vorverkauf der eigenen Digitalwährung begonnen. Für jeweils 2 Cent, umgerechnet in die Digitalwährungen Bitcoin oder Ethereum, können Investoren Wys Token kaufen. 1,5 Milliarden dieser Token will Wysker in einem ersten Schritt verkaufen und somit 25 Millionen Euro einnehmen. Käufer können dann entweder damit Produkte bezahlen, als Unternehmen Werbezielgruppen ansprechen – oder als Investor darauf setzen, dass sich der Preis für einen Token alsbald steigert und dann damit handeln. Ebenso wie bei Bitcoin ist die Zahl der Wys Token begrenzt, die ausgegeben werden können, wodurch ein Markt entsteht.

Gleichwohl steckt in dem Produkt ein hohes Risiko: Nutzer müssen die App und die Funktionsweise erst einmal verstehen. Auf einen Bierdeckel passt das Konzept nicht. Zudem ist der Gedanke an Digitalwährungen für viele ein Hindernis. Die Zielgruppe sind also in einem ersten Schritt digitalaffine Technologiefans. Der Erfolg der App hängt drittens auch davon ab, ob sich Kryptowährungen langfristig durchsetzen. Außerdem muss das Produkt nicht nur Nutzer, sondern auch Unternehmen und Werber anlocken, sonst steht denen, die sich ein Produkt kaufen wollen, niemand gegenüber, der für seine Produkte auch werben will. Richtig aus der Welt schaffen kann Gründer Haas diese Sorgen nicht. Doch ein Versprechen kann er geben: Dass er sich nicht mit dem Kapital aus dem Staub machen will oder sein Start-up möglichst schnell an eine große Plattform verkauft. „Da habe ich zu lange dran gefeilt. Das ist mehr als mein Baby“, sagt er.

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