Nachfolger gesucht : Die Reimanns brauchen einen neuen Macher
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Der Belgier Joachim Creus soll Peter Harf beerben und die vielen Unternehmen einer der reichsten Familien führen. Wann, weiß jedoch noch keiner.
Ohne Peter Harf hätte es den Aufstieg der Reimanns zu einer der reichsten Familien der Welt nicht gegeben. 1980 schon hat der Unternehmensberater bei dem damals noch überschaubaren Chemieunternehmen Benckiser in Ludwigshafen angeheuert. Vier Jahre später starb der Benckiser-Eigentümer Albert Reimann. Vier seiner neun Kinder, sechs davon adoptiert, entschlossen sich, ihre Anteile zu behalten und als Unternehmer weiterzumachen, der Rest der Sippe wurde später ausbezahlt.
Seither sind Harf und die Geschwister Renate Reimann-Haas und Wolfgang Reimann sowie die Brüder Matthias und Stefan Reimann-Andersen eng verbunden, auf Gedeih und Verderb sozusagen. Harf ist weit mehr als nur geschäftsführender Gesellschafter der Luxemburger Familienholding JAB. Der gebürtige Kölner hat die Reimanns reich gemacht, und sie haben ihn an ihrem Reichtum beteiligt. Als Gesellschafter von JAB soll auch er es zum Milliardär gebracht haben.
Der heute 75 Jahre alte Manager hat mit Gespür für Märkte, Mut zu Neuem, aber auch der Fähigkeit zu wilder Finanzakrobatik ein Firmenkonglomerat geschaffen, wie es in Deutschland kein zweites gibt. Die Familie hat sich in all den Jahren nie öffentlich zu Geschäften geäußert, auch das ist angeblich Teil der Abmachung. Lediglich als die Nazi-Vergangenheit von Gründervater Albert Reimann ans Licht kam und die Reimanns daraufhin in Berlin die Alfred Landecker Foundation gründeten – ausgestattet mit 250 Millionen Euro, mit dem Ziel, über den Holocaust aufzuklären und politisch Verfolgte zu unterstützen –, gab es ein knappes Statement. Doch selbst in diesem hochpersönlichen Feld überließ die Familie Harf das öffentliche Wort. Dem Bild von altruistischen Gutmenschen, die noch immer in der Kurpfalz wohnen, haben die Reimanns ebenso wenig widersprochen wie neuen Berichten über steuergünstige Auslandswohnsitze.
Das mithilfe von Milliarden „befreundeter Investoren“ aufgebaute Beteiligungsgeflecht um den Kaffeekonzern JDE (Senseo, Jacobs, Tassimo), den amerikanischen Getränkeriesen Keurig Dr Pepper (Schweppes, Evian, 7up), die Kaffeehaus-Kette Panera, den Donut-Bäcker Krispy Kreme und Coty, den größten Parfümhersteller der Welt, hat nach eigener Darstellung aktuell einen Gesamtwert von 120 Milliarden Euro. Den Vermögensanteil der Holding – und damit zum größten Teil den der Reimanns – beziffert JAB auf netto 23 Milliarden Dollar.
Die mittlerweile auf vierzehn Köpfe angewachsene Familie könnte also zufrieden sein. Doch mit der Ruhe in der Holding ist es seit einiger Zeit schon vorbei. JAB machte wegen der Probleme beim Parfümriesen Coty im vergangenen Jahr 2 Milliarden Dollar Verlust. Weniger der Verlust selbst als die Art und Weise, wie Harf versuchte, die Unruhe dort in den Griff zu bekommen, haben für Kopfschütteln gesorgt. Dass den alten Macher die Fortune verlassen hat, war dabei noch die freundlichste Interpretation. Im Frühjahr 2020 wollte der Grande sogar selbst wieder an die Vorstandsspitze. Für so eine Aufgabe brauche es schließlich einen echten Unternehmer. Wenige Wochen später zauberte er schon eine Nachfolgerin aus dem Hut – die fünfte Führungskraft in fünf Jahren.
Mit der Ruhe ist es also vorbei. Kurz nachdem Coty das Kosmetikgeschäft der Influencerin Kylie Jenner kaufte, kaufte eine von Harfs Töchtern Jenners Mutter Kris eine Villa in Los Angeles ab. Auch dass die Holding vom Konsumgüterriesen Mars wegen angeblichen Geheimnisverrats eines zu JAB gewechselten Managers verklagt wurde, dürfte der verschwiegenen Familie kaum gefallen. Öffentlich hat sie Harf jedoch bis heute nie infrage gestellt.
Um die Ratingagenturen zu beruhigen, Schulden abzubauen und gleichzeitig die Forderungen der Ko-Investoren zu erfüllen, hat Harf derweil ein munteres Finanzmonopoly in Gang gesetzt. Zunächst wurde das Kaffeegeschäft mitten in der Corona-Krise an die Börse gebracht. Die hoch verschuldete, erst 2016 von der Börse genommene Donut-Kette Krispy Kreme soll jetzt folgen. Auch für das neu zusammengekaufte Geschäft mit Tierkliniken soll es bereits Börsenpläne geben.
Das Unternehmensgeflecht mit einer Vielzahl von Zwischenholdings ist von außen kaum zu überblicken. Klar ist: Die Unruhe in den Unternehmen hat sich längst auf die Holding übertragen. Der langjährige Weggefährte Bart Becht, als Vorstandschef von Reckitt Benckiser einst einer der bestbezahlten Manager der Welt, hat seinen Dienst bei JAB schon 2019 überraschend quittiert. Ein Jahr später ging ohne Begründung der mit viel Vorschusslorbeeren geholte potentielle Harf-Nachfolger David Kamenetzky schon nach nur zwei Jahren. Selbst den Beirat unter Führung von Joachim Faber, langjähriger Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Börse, hat Harf aufgelöst. Einem professionellen Aufsichtsgremium müssen sich die JAB-Partner seither nicht mehr stellen.
Nachdem die Kritik an Harf öffentlich gewachsen ist, hat die Familie im Mai einen neuen potentiellen Nachfolger ernannt: Joachim Creus. Der 44 Jahre alte Belgier ist Spross einer Hopfenbauerndynastie, war Steuerfachmann bei Siemens und arbeitet seit 2010 in der Familienholding. Er habe sich dort um Übernahmen gekümmert und den Consumer Fund mitbegründet, heißt es. Creus sei „ein wahrer Star“, wie der zweite geschäftsführende Partner neben Harf, Olivier Goudet, wissen ließ.
Ob Creus dereinst Harf tatsächlich ablösen wird, bleibt allerdings abzuwarten. Er wäre schließlich nicht der Erste, der vorher gehen würde. Kritik an Harf oder gar einen Wechsel der Strategie dürfte es unter ihm aber wohl nicht geben. Er stehe für Kontinuität und Stabilität, ließ er auf Nachfrage der F.A.Z. wissen. Die Frage, wann er Peter Harf ablösen wird, „steht zurzeit nicht zur Debatte“.