Fall Khashoggi : Deutsche-Bank-Chef sagt Reise nach Saudi-Arabien ab
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Kann vom 23. bis 25.10. neue Pläne machen: Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing Bild: Reuters
Lange hat Christian Sewing gezögert, nun aber sagt der Chef der Deutschen Bank seine Teilnahme an einer wichtigen Investorenkonferenz in Riad ab. Um Siemens-Chef Kaeser wird es einsam.
Nach der mutmaßlichen Ermordung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi durch saudische Agenten kassiert Saudi-Arabien reihenweise Absagen für seine wichtige Investorenkonferenz in Riad. Auf der „Future Investment Initiative“ sollten vom 23. bis zum 25. Oktober ursprünglich mehr als 180 hochkarätige Referenten aus mehr als 90 Staaten teilnehmen. Die Veranstaltung wurde zu einem „Davos in der Wüste“ ausgerufen und soll die Internationalisierung der heimischen Wirtschaft erheblich vorantreiben.
Klar ist, dass zumindest aus dem erhofften PR-Erfolg nichts werden wird, die Konferenz entwickelt sich vielmehr immer stärker zu einer Blamage, weil wichtige Politiker und Wirtschaftsführer mit Blick auf den Fall Khashoggi reihenweise absagen. Die aktuellste Absage kommt aus Deutschland: Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung erfuhr, hat sich der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Christian Sewing, nach langem Ringen mit sich selbst am Freitagnachmittag dazu entschlossen, nicht nach Riad zu reisen. Ob die Deutsche Bank einen Stellvertreter schicken wird, ist zur Stunde noch unklar.
Der wohl prominenteste Nicht-Teilnehmer ist allerdings der amerikanische Finanzminister Steven Mnuchin, der nach Beratungen mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump ankündigte, nicht zu dem Treffen nach Riad zu reisen. Abgesagt hat auch die Präsidentin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde.
Auch Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire bleibt zu Hause, weil er die Bedingungen für eine Teilnahme nicht erfüllt sehe. Abgesagt hat auch der britische Handelsminister Liam Fox, weil Großbritannien „sehr besorgt über das Verschwinden Khashoggis“ sei. Der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra gab seine Reisepläne ebenfalls auf.
Auch aus den Konzernen häufen sich die Absagen. So wird der Chef der Investmentbank JP Morgan nicht kommen, ebenso wenig der Vorstandschef des Autoherstellers Ford und des Fahrtenvermittlers Uber. Aus Frankreich hat der Chef des französischen Rüstungskonzerns Thales seine Reise storniert. Die Vorsitzenden der Großbanken Credit Suisse sowie HSBC kommen nicht, ebenso wenig ABB-Chef Ulrich Spiesshofer, ebenso wenig Stephen Schwarzman von Blackstone, Laurence Fink von Blackrock und Lloyd Blankfein von Goldman Sachs.
Kaeser windet sich weiter
Im Gegensatz dazu winden sich die meisten deutschen Wirtschaftsführer weiter. Unter besonderer Beobachtung steht dabei Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender von Siemens, der sich in der Vergangenheit wie kein anderer Manager zu Fragen von Moral und Politik geäußert hat und seine Kollegen in anderen Dax-Konzernen erfolglos drängte, es ihm gleich zu tun. Besonders in Erinnerung ist sein Aufruf zum Kampf gegen die AfD („Lieber ,Kopftuch-Mädchen’ als ,Bund Deutscher Mädel‘“) und sein Sinn für höhere Steuern („Gegen 70 Prozent Spitzensteuersatz auf Spekulationsgeschäfte hätte ich nichts einzuwenden“).
Vor dem Hintergrund dieser Aussagen ist umso bemerkenswerter, was Kaeser vor drei Tagen zur Investorenkonferenz in Riad sagte: „Wenn wir aufhören, mit Ländern zu kommunizieren, in denen Menschen vermisst werden, kann ich auch gleich zu Hause bleiben“, sagte Kaeser auf offener Bühne in Toronto. Auf Nachfrage am Freitag wollte Kaeser seine Aussage nicht weiter kommentieren. Auch lässt er unverändert offen, ob er nach Riad reist. Der Siemens-Chef ringe mit sich, ist in der Konzernzentrale zu hören.
Ebenfalls noch nicht abgesagt hat die deutsche Unternehmensberatung Roland Berger, die auch als Konferenzpartner auftritt. „Wir beobachten, wie sich die Lage entwickelt“, teilte eine Sprecherin mit. Bislang sei geplant, dass Unternehmenschef Charles-Edouard Bouée auf der Konferenz einen Vortrag halte. Ob es dabei bleibe, er einen Vertreter schicke oder ganz absage, stehe noch nicht fest.
Moralisch unentschlossen zeigt sich auch die Bundesregierung. Ob deutsche Manager zur Konferenz reisen sollten, sei eine Entscheidung, die in den Unternehmen zu treffen sei, heißt es. Eine Anreise deutscher Regierungsmitglieder sei jedenfalls nicht vorgesehen.
Unklar ist derweil, wer überhaupt noch an dem Treffen teilnimmt. Die offizielle Internetseite der Veranstaltung verweist unverändert auf mehr als 180 Redner, führt ihre Namen und die zugehörigen Unternehmen aber nirgendwo auf. Eine diesbezügliche Nachfrage in Riad blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.